Radfahrer stürzt über Leine: Keine Tierhalterhaftung bei Gassirunde aus Gefälligkeit

Wer infolge eines typischen, eine Gefahr auslösenden Verhaltens eines Hundes zu Schaden kommt, kann trotz der gesetzlich normierten Tierhalterhaftung leer ausgehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn - was nicht so selten vorkommt - der Hund nicht von seinem Halter, sondern von einer anderen Person aus Gefälligkeit ausgeführt wird.
Ausführung des Hundes aus reiner Gefälligkeit
So hat es jedenfalls das LG Koblenz in einem Fall entschieden. Der Geschädigte hatte nach einem von einem Hund verursachten Sturz mit dem Fahrrad vor Gericht auf Schadenersatz und Schmerzensgeld geklagt. Der von dem Geschädigten in Anspruch genommene Beklagte hatte den Hund eines Bekannten aus reiner Gefälligkeit gegenüber dem Hundehalter ausgeführt. Er spazierte mit dem Hund über eine als gemeinsamer Fußgänger- und Fahrradweg gekennzeichnete Fläche. Den Hund führte er an einer ca. 2 m langen Leine.
Hund lief unvermittelt vor das Fahrrad
Der Kläger befuhr mit seinem Fahrrad den gleichen Weg in gleicher Richtung wie der Beklagte, d.h. er näherte sich dem Beklagten und dem mitgeführten Hund von hinten. Der Beklagte hielt die Leine nicht kurz, sondern ließ dem Hund im Rahmen der Leinenlänge freien Lauf. Als der Kläger sich mit seinem Fahrrad fast auf Höhe des Hundes befand, kreuzte dieser unvermittelt seinen Weg. Der Kläger konnte nicht mehr bremsen, es kam zu einer Kollision, bei der der Kläger sich überschlug.
Klage des Radfahrers auf Schadenersatz
Der Kläger nahm den Hundeführer gerichtlich u.a. auf Ersatz des an seinem Fahrrad entstandenen Schadens in Anspruch. Er war der Auffassung, der Beklagte habe grob fahrlässig gehandelt indem er den von ihm geführten Hund nicht kurz genug an der Leine geführt habe, obwohl der Weg erkennbar nicht nur für Fußgänger, sondern auch für Fahrräder freigegeben war. Er habe deshalb damit rechnen müssen, dass ein Fahrradfahrer durch den Hund zu Fall kommen könne, wenn er den Hund nicht an der kurzen Leine führt.
Keine Tierhalterhaftung bei Ausführung eines Hundes durch eine dritte Person
Diese Argumentation des Klägers überzeugte weder das erstinstanzlich mit der Sache befasste AG noch das in zweiter Instanz zuständige LG. Eine Tierhalterhaftung gemäß § 833 Satz 1 BGB scheiterte nach Auffassung der Gerichte schon daran, dass der Beklagte nicht Halter des Hundes ist, sondern diesen lediglich für den Halter ausgeführt hatte.
Tieraufseherhaftung nur bei Übernahme der Aufsichtspflicht
Aber auch eine Haftung als Tieraufseher kam nach Auffassung der Gerichte im konkreten Fall nicht in Betracht. Die in § 834 BGB normierte Tieraufseherhaftung setzt nach dem Gesetzeswortlaut eine vertragliche Übernahme der Aufsicht über ein Tier voraus. Der Beklagte hatte nach Auffassung der Gerichte gegenüber dem Tierhalter nicht in rechtsverbindlicher Weise - auch nicht mündlich oder konkludent - die Aufsichtspflicht übernommen, vielmehr habe er den Hund lediglich aus Gefälligkeit gegenüber dem Tierhalter ausgeführt. Aus einem solchen bloßen Gefälligkeitsverhältnis folge keine rechtlich verbindliche Aufsichtspflicht, sodass der Beklagte nicht Tieraufseher im Rechtssinne gewesen sei.
Kein fahrlässiges Verhalten des Beklagten
Schließlich lehnten die Gerichte auch eine Verschuldenshaftung aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung nach § 823 Abs. 1 BGB ab. Eine solche Haftung setze eine zurechenbare Verletzung von Sorgfaltspflichten voraus. Das Führen eines Hundes an einer 2 m langen Leine bewerteten beide Instanzen als allgemein üblich. Dies stelle für sich genommen keine Verletzung einer Sorgfaltspflicht - auch nicht in der leicht fahrlässigen Variante - dar.
Radfahrer kam von hinten
Diese Beurteilung ändert sich nach Auffassung der Gerichte nicht dadurch, dass die Nutzung des betreffenden Weges für Fußgänger und Fahrradfahrer gleichermaßen zugelassen gewesen sei. Auch auf einem solchen Weg bestehe keine Verpflichtung, einen Hund während des gesamten Spaziergangs bei Fuß, also an der ganz kurzen Leine, zu führen. Dies gelte im konkreten Fall umso mehr, als der Kläger sich mit seinem Fahrrad dem Beklagten von hinten genähert habe, sodass der Beklagte den Kläger vor dem Unfallereignis nicht habe sehen können. Eine mögliche Gefahrenlage sei für ihn nicht erkennbar gewesen.
Sorgfaltspflichtverletzung eher beim Radfahrer
Außerdem habe sich der Kläger mit seinem Fahrrad mit einer relativ hohen Geschwindigkeit genähert, sodass der Vorwurf der Pflichtverletzung im konkreten Fall eher den Kläger als den Beklagten treffe. Auf einem gemeinsamen Geh- und Fahrradweg habe ein Radfahrer seine Geschwindigkeit bei Annäherung an einen Fußgänger, zumal mit Hund, angemessen zu reduzieren.
Radfahrer geht leer aus
Das LG wies die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil der Vorinstanz durch Beschluss als offensichtlich unbegründet zurück.
(LG Koblenz, Urteil v. 4.3.2025, 13 S 45/24)
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