Haftung für Hotelunfall wegen nach Landesrecht zu wenig gesicherter Balkontür?
In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte der Kläger eine einwöchige Pauschalreise nach Gran Canaria für insgesamt sechs Personen gebucht.
Übersehene und dann zerbrochene Balkontür im Hotelzimmer verletzt Siebenjährigen
Der Urlaub fing nicht gut an: Noch am Tag der Ankunft lief der siebenjährige Sohn seiner Lebensgefährtin im Hotelzimmer in Richtung Balkon und prallte gegen die Scheibe der noch verschlossenen Balkontür. Die Scheibe zerbarst. Hierdurch zog das Kind sich erhebliche Schnittverletzungen zu.
Reisegast verklagt TUI auf knapp 7.000 Euro
Infolge Schnittverletzungen erlitt das Kind nicht unerhebliche Schmerzen und konnte fast während der gesamten Urlaubszeit nicht mehr zum Baden. Hierdurch war auch der Urlaubsgenuss der übrigen Reiseteilnehmer in erheblichem Umfange eingeschränkt. Der Kläger machte geltend:
- die Rückzahlung des Reisepreises,
- den Ersatz materieller Schäden,
- eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit
- sowie Schmerzensgeld.
Insgesamt verlangte der Kläger einen Betrag von knapp 7.000 Euro.
Kläger behauptet Sicherheitsmängel als Ursache der Verletzung
Zur Begründung seiner Klage verwies der Kläger auf die nach seiner Auffassung nicht eingehalten Sicherheitsbestimmungen bei der Ausführung der Balkontür. Diese hätten nach den auf Gran Canaria geltenden Bauvorschriften so ausgeführt sein müssen, dass sie dem Aufprall eines Kindes bei kurzzeitigen Anlauf standhalten.
Vorinstanzen betrachten Schutz durch Tür-Markierungen als ausreichend
Beim LG und OLG hatte die Klage keinen Erfolg. Die Vorinstanzen verwiesen darauf, dass die Balkontür unstreitig
- Markierungen in Form einer kleinen Krone und eines dunkelblauen Punktes
- in Hüft- und in Augenhöhe eines erwachsenen Menschen
aufgewiesen habe. Diese Aufkleber waren nach den Bewertungen der Vorinstanzen ausreichend, um Hotelgäste vor den von der Glastür ausgehenden Gefahren zu warnen.
Gast hat Anspruch auf Einhaltung der örtlichen Sicherheitsbestimmungen
Der BGH schloss sich in seiner Entscheidung dieser Bewertung der Vorinstanzen zwar grundsätzlich an, allerdings mit der entscheidenden Einschränkung, dass die von den Markierungen ausgehende Warnfunktion nur dann ausreichend sei, wenn die Ausführung der Tür im übrigen dem örtlich durch die Bauvorschriften vorgesehenen Sicherheitsstandard entsprochen habe. Nach Wertung des BGH kann ein Reisegast erwarten,
- dass die Ausführung einer Balkontür den maßgeblichen örtlichen Bauvorschriften entspricht und
- damit den Sicherheitsstandard bietet, der nach dem vor Ort geltenden Recht vorgeschrieben ist.
- Entspreche die Ausführung der Balkontür diesen Vorschriften nicht, sei eine ortsunübliche, besondere Gefährdungslage gegeben, mit der ein Reisegast nicht rechnen müsse.
Im Ergebnis habe der Reiseveranstalter bei Nichtbeachtung der vor Ort maßgeblichen Sicherheitsvorschriften die Reise nicht fehlerfrei im Sinne von § 651c BGB erbracht.
Vorinstanzen bemängelten Sachvortrag als unsubstantiiert
Die Vorinstanzen hatten die Ausführung des Klägers zum Verstoß gegen örtliche Bauvorschriften als nicht genügend substantiiert bezeichnet. Den hierzu gestellten Beweisantrag hatten sie zurückgewiesen mit der Begründung,
- der Kläger hätte im einzelnen darlegen müssen, welche Rechtsverletzungen konkret vorlägen.
- Die pauschale Behauptung, der erforderliche Sicherheitsstandard sei nicht gewahrt und Bauvorschriften verletzt, sei zu wenig konkret
- und reiche für einen substantiierten Sachvortrag nicht aus.
BGH: Prüfung des ausländischen Rechts ist Sache der Gerichte
Die Anforderungen an den Sachvortrag des Klägers bewertete der BGH deutlich anders als die Vorinstanzen. Der Senat erkannte an, dass es nicht Aufgabe der Zivilgerichte sei, Ursachenforschung für einen Unfall von Amts wegen zu betreiben.
- Die Darlegung des Klägers, eine Balkontür müsse nach den örtlichen Sicherheitsbestimmungen so beschaffen sein, dass sie dem Aufprall eines siebenjährigen Kindes nach kurzem Anlauf standhält, ist nach der Wertung des Senats hinreichend konkret.
- Die zur Beurteilung des Falles maßgeblichen in- und ausländischen Vorschriften müsse das Gericht in eigener Zuständigkeit klären und anwenden.
- Dies folge aus § 293 ZPO, wonach das Gericht bei Beurteilung der Rechtsnormen für das in einem anderen Staat geltende Recht die ihm möglichen Erkenntnisquellen zu nutzen und das hierzu Erforderliche anzuordnen habe.
Das OLG muss die Rechtslage auf Gran Canaria klären
Da die Vorinstanz ihrer Pflicht zur Beurteilung der Rechtslage auf Gran Canaria nicht hinreichend nachgekommen ist, verwies der BGH den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung und Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
(BGH, Urteil v. 25.6.2019, X ZR 166/18).
Hintergrund:
Die Höhe der möglichen Minderung bei Reisemängeln kann oft schwer „per beziffert werden, sie hängt immer vom Einzelfall (Prospekt, Mangelumfang, örtliche Gegebenheiten, Ausweichmöglichkeiten etc.) ab.
Die Rechtsprechung, insbesondere die zur Reisepreisminderung häufig herangezogene "Frankfurter Tabelle", die geordnet nach Mängelgruppen, eine große Zahl von Einzelentscheidungen aufführt, kann nur Anhaltspunkte liefern.
Neben der Minderung des Reisepreises, ist der Kunde in schwerwiegenden Fällen auch zur Forderung von Schadenersatz und Entschädigung wegen vertaner Urlaubszeit berechtigt.
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