Fehlender Hinweis auf Honorarhöhe führt zu Haftung aus vorvertraglicher Pflichtverletzung
Der Kläger verlangte von der Beklagten, einer Rechtsanwaltskanzlei in der Rechtsform einer Limited Liability Partnership (LLP), die Rückzahlung von Anwaltshonorar von mehr als 30.000 Euro für die Erstellung einer steuerlichen Selbstanzeige.
Selbstanzeige in Auftrag gegeben
Der Kläger ist Eigentümer einer vermieteten Wohnung in Florida/USA und Inhaber eines Bankkontos in den USA. Die daraus erzielten Miet- und Kapitaleinkünfte hatte er in seinen Steuererklärungen nicht angegeben.
- Am 1.12.2014 suchte der Kläger die Kanzlei der Beklagten wegen einer steuerlichen Selbstanzeige auf.
- Gegenstand des Beratungsgesprächs war eine vom Kläger erarbeitete „Gesamtzusammenstellung der Einkünfte“.
- Diese ergab in seiner eigenen Angelegenheit - unter Berücksichtigung von Werbungskosten - einen Gesamtbetrag von 20.397,13 Euro für die Zeit von 2003 bis 2013.
Vergütungsvereinbarung auf Stundenhonorarbasis
Die Parteien schlossen anderntags eine Vergütungsvereinbarung, die ein Stundenhonorar in Höhe von netto 250 Euro vorsah. Als Mindestvergütung wurde die gesetzliche Vergütung vereinbart. Insgesamt wurden vpom Kläger letztlich 34.031,62 Euro geleistet.
- Als die Parteien über die Höhe der anzusetzenden Werbungskosten bei der Selbstanzeige in Streit gerieten,
- kündigte die Kanzlei den Anwaltsvertrag.
- Der Kläger verlangte daraufhin die gezahlten Anwaltsgebühren zurück.
Aufklärung und Transparenz beim Honorar
Das Landgericht Stuttgart gab der Klage weitestgehend statt. Begründung:
- Ein Rechtsanwalt hat den Mandanten im Erstberatungsgespräch auf die Höhe der von ihm voraussichtlich geforderten Gebühren aufzuklären,
- wenn er entweder ausdrücklich danach gefragt wird
- oder wenn der Mandant aus besonderen Umständen des Einzelfalls einen solchen Hinweis erwarten kann.
Bei Erstellen eine #Selbstanzeige fällt nicht jeweils eine #Anwaltsgebühr pro #Einkunftsart an.
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Außerdem stellte das Gericht fest: Für die Tätigkeit im Verfahren der Selbstanzeige wegen hinterzogener Einkommensteuer fällt die Gebühr des § 30 StBVV nicht für jede Einkunftsart gesondert an.
Nach den Kosten der Mandatierung gefragt
Zwischen den Parteien war unstreitig, dass der Kläger nach den Kosten der Mandatierung gefragt hat.
- Bereits hierdurch wurde die Pflicht des beklagten Anwalts ausgelöst, die voraussichtlichen Kosten zu benennen.
- Das Gericht gestand dem Anwalt zwar zu, dass im Erstgespräch eine genaue Bestimmung des Honorars in der Regel noch nicht möglich sei, weil dem Rechtsanwalt ein Ermessen zustehe, welches er naturgemäß erst nach Abschluss der Angelegenheit ausüben soll (§ 14 Absatz 1 RVG).
- Gleichwohl könne der Rechtsanwalt bereits eine Größenordnung und einen Rahmen für seine Vergütung benennen.
Auf Interessen des Mandanten Rücksicht nehmen
Vorliegend waren die Berechnungsfaktoren bekannt, um das Honorar zu berechnen:
Insgesamt ging es um Einkünfte aus elf Veranlagungsjahren (2003 bis 2013), die nachzuerklären waren.
Danach wäre bei Annahme einer mittleren Gebühr für den Mandanten mit maximal 17.265,71 Euro Honorar zu rechnen gewesen.
In der konkreten Beratungssituation hätte die beklagte Kanzlei zusätzlich darauf hinweisen müssen, dass sie die Abrechnung der Höchstgebühr beabsichtigt.
Außerdem hätte die Kanzlei laut Richterspruch darauf hinweisen müssen, dass sie die Rechtsauffassung vertritt, nicht nur für jede Steuerart und Veranlagungsjahr die Höchstgebühr des § 30 StBVV verlangen zu wollen, sondern gar zusätzlich für jede Einnahmenart.
Das Gericht war der beklagten Kanzlei wegen der unterbliebenen Aufklärung über die Honorarhöhe vor, keine Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Mandanten genommen zu haben.
Der Anspruch auf Erstattung der bezahlten Honorare ergebe sich deshalb aus der Haftung aus § 311 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB wegen der Verletzung vorvertraglicher Fürsorge-, Belehrungs- und Betreuungspflichten gegenüber der Partei.
(LG Stuttgart, Urteil v. 11.7.2016, 27 O 338/15).
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