Verhilft das BVerfG dem NSA-Untersuchungsausschuss zu Snowden

Nachdem ein Spion nach dem anderen ans Tageslicht kommt, wächst der Unmut insbesondere der Opposition an dem "erzwungenen" Desinteresse an einem Erkenntnisgewinn durch eine Vernehmung Snowdens. Die NSA-Ausschussmitglieder der Grünen und der Linken sind entschlossen, die Vernehmung Snowdens in Deutschland durchzusetzen –  notfalls mit Hilfe des BVerfG.

Die Opposition (= klein) hat es in dieser Legislaturperiode schwer gegenüber der Koalition (in deutlichster Überzahl). Doch es gibt ja noch Gauck und das Bundesverfassungsgericht.

Friendly Spionage-fire

Um dem friendly Spionage-fire trotz der recht langmütigen Regierung etwas entgegenzusetzen, plant - so der Obmann der Grünen im Ausschuss, Konstantin von Notz - hseine Partei eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.

Wer leitet eigentlich den NSA-Untersuchungsausschuss?

Von Notz und die Obfrau der Linken, Martina Renner, hätten nicht den Eindruck, dass die Ausschussmitglieder die Hoheit über den Ausschuss haben, vielmehr sei die Bundesregierung federführend. Rechtlich könne es nicht sein, dass die Bundesregierung die von den Mitgliedern des Ausschusses gewollte Vernehmung des Zeugen Edward Snowden in Deutschland verhindere.

Sabotage durch die Bundesregierung?

Die Vertreter der Grünen und der Linken im Ausschuss stehen mit ihrer Auffassung nicht allein. Auch der Ausschussvorsitzende, Patrick Sensburg, Vertreter der CDU im Ausschuss, rügt, dass die Bundesregierung dem Ausschuss zwar eine Menge Akten zur Verfügung gestellt habe, in den Akten aber die brisanten Stellen geschwärzt seien.

Auch Sensburg sieht die Ausschussarbeit durch die Vorgehensweise der Regierung als erheblich erschwert an. Nach der Auffassung von Renner sabotiert die Bundesregierung die Ausschussarbeit regelrecht. 

Weg zum BVerfG ist nicht unproblematisch

Deshalb erklärte von Notz, die Verfassungsklage in jedem Fall einleiten zu wollen. Von Notz sieht allerdings durchaus Probleme auf dem Weg zum BVerfG. Zunächst sei zu klären, wer überhaupt zu verklagen sei, die Bundesregierung, die schwarz-rote Mehrheit im Ausschuss oder möglicherweise beide. Die Blockade des Ausschusses erfolge jedenfalls Hand in Hand zwischen der Koalitionsregierung und deren Vertretern im Ausschuss, weshalb beide die Rechte des Ausschusses verletzten. 

Snowden soll nach Deutschland

Das Ziel der Verfassungsklage soll nach den Vorstellungen der voraussichtlichen Kläger sein, die Vernehmung von Edward Snowden in Deutschland zu erzwingen. Snowden sei der Hauptzeuge, seine Aussage sei daher von grundlegender Bedeutung für die vom Ausschuss zu leistende Aufklärungsarbeit.

Drohen schwerwiegenden Nachteils für das Wohl des Zeugen

Die schwarz-rote Mehrheit im Ausschuss, die eine Zeugenbefragung Snowdens per Video in Moskau beschlossen hat, stützt sich auf § 247 a StPO. Hiernach kann ein Zeuge dann per Video befragt werden, wenn ansonsten „die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für das Wohl des Zeugen“ bestehe. 

In Deutschland keine Gefahr für Snowden

Die von der Bundesregierung genannte Gefahr für Snowden, nämlich die drohende Auslieferung in die USA, ist nach Auffassung der Grünen und der Linken nur vorgeschoben. Diese Gefahr könne durch entsprechende Garantien beseitigt werden. Ansonsten drohe bestenfalls die Gefahr einer Entführung durch US-Geheimdienstler. Dieser Gefahr sei aber durch einen lückenlosen Schutz Snowdens bei seinem Aufenthalt in Deutschland durch deutsche Sicherheitsbeamte zu begegnen. Außerdem sei Snowden erklärtermaßen zu einer freiwilligen Aussage in Deutschland bereit. Die juristische Argumentation der Bundesregierung unter Rückgriff auf die StPO gehe daher ins Leere.

Drake und Binney sind kein Ersatz für Snowden 

Die Vernehmung der ehemaligen NSA-Mitarbeiter Thomas Drake und William Binney im Ausschuss ist nach Auffassung der Ausschussmitglieder kein Äquivalent für die Vernehmung Snowdens. Insoweit wurde Snowden parteiübergreifend von dem Ausschluss zu einem besonders wichtigen Zeugen für die zu leistende Aufklärungsarbeit erklärt.

Die Aussagen der Zeugen Drake und Binney seien zwar ebenfalls geeignet, wichtige Details über die Arbeit der Geheimdienste zu erhellen. Insbesondere zur Zusammenarbeit zwischen der NSA und deutschen sowie ausländischen Geheimdiensten dürften die Aussagen dieser Zeugen einiges bringen. Dennoch bleibe die Aussage Snowdens für die Aufdeckung des Ausspähungsumfangs unverzichtbar.

Regierung ist um Außenbeziehungen zur USA besorgt

Die Bundesregierung sieht bei einer Vernehmung Snowdens in Deutschland höherrangige Staatsinteressen gefährdet. Sie befürchtet insbesondere erhebliche negative Auswirkungen auf die Außenbeziehungen zu den befreundeten USA. Daneben sieht sie eine Gefährdung der Zusammenarbeit zwischen den US-Sicherheitsbehörden und den deutschen Geheimdiensten. Eine gute Zusammenarbeit ist nach Auffassung der Bundesregierung aber unverzichtbar zur Wahrung deutscher Sicherheitsinteressen im Rahmen der Terrorabwehr. Da nimmt Merkel lieber das Abhören ihres Mobilfunks in Kauf, das ja nach der Zusicherung Obamas endgültig abgestellt sein soll.

Politische Abwägungsfragen für das BVerfG

Sollten grüne und linke Ausschussmitglieder tatsächlich die Vernehmung Snowdens in Deutschland durch eine Verfassungsklage erzwingen wollen, so würde einmal mehr eine politische Abwägungsfrage auf die obersten Verfassungshüter abgewälzt. Die Entscheidung über die damit verbundenen Rechtsfragen dürfte dem Verfassungsgericht im Hinblick auf die politische Brisanz alles andere als angenehm sein.

Vielleicht würde das Gericht eine solche Klage, die wohl als Organstreit zu führen wäre, nicht einmal für zulässig erachten. Auf diese Weise könnten sich die Richter einer Sachentscheidung möglicherweise zu entziehen suchen. Das Problem Snowden wäre damit aber nicht gelöst, denn in Moskau per Video – wie von den deutschen Parlamentariern mehrheitlich gewünscht – wird Snowden – dies hat er klar geäußert – sich nicht vernehmen lassen.

Snowden wohl weiter in Russland zu finden

Da Snowden Asylverlängerung in Russland beantragt und wohl auch erhält, weiß man immerhin, wo die Ladung zuzustellen wäre, wenn sich das BVerfG in dieser brisanten Frage aus dem Fenster lehnen sollte.