Negative Onlinebewertungen von Rechtsanwälten

Anwälte müssen an negativen Online-Bewertungen einiges ertragen: „Konsequent unvorbereitet … Halten Sie sich von dieser Anwaltskanzlei fern“. Dabei handelt es sich jedoch um zulässige Meinungsäußerungen, so das OLG Stuttgart.

Bewertungsplattformen im Netz haben inzwischen für die geschäftliche Entwicklung von Rechtsanwaltskanzleien - wie auch von anderen freien Berufen und Unternehmen - eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Negative Bewertungen mindern die Reputation und können wichtige Geschäftskontakte kosten. Wie zuvor schon andere Oberlandesgerichte mutet auch das OLG Stuttgart Anwälten einiges an Resilienz gegen potentiell geschäftsschädigende Onlinebewertungen zu.

Erst Mandatskündigung, dann Onlinebewertung

Im konkreten Fall hatte der von einer Rechtsanwaltskanzlei auf Unterlassung in Anspruch genommene Beklagte die Klägerin, eine mittelständische, überregional tätige Kanzlei, mit der Wahrnehmung seiner Interessen in einer arbeitsgerichtlichen Angelegenheit beauftragt. Da er mit der Abwicklung des Mandats durch die Kanzlei nicht zufrieden war, kündigte er das Mandatsverhältnis. 6 Monate später veröffentlichte er bei Google eine Bewertung der Klägerin, die unter anderem folgende Aussagen enthielt:

„Absolut enttäuschende Erfahrung … Es war nichts weniger als ein Albtraum … Kommunikation eine absolute Katastrophe … Mein Anwalt war auch konsequent unvorbereitet … Wichtige Aspekte des Arbeitsrechts falsch interpretiert … Falsche Ratschläge … Machen Sie nicht den gleichen Fehler wie ich. Halten Sie sich von dieser Anwaltskanzlei fern“.

Unterlassungsklage erstinstanzlich erfolgreich

Das erstinstanzlich mit der Sache befasste LG bewertete einen Großteil der Äußerungen als unzulässigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und den sozialen Geltungsanspruch der Klägerin als Wirtschaftsunternehmen. Das Gericht gewährte der Klägerin einen Anspruch auf Sperrung bzw. Löschung gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 12 GG iVm Art. 19 Abs. 3 GG.

Unternehmenspersönlichkeitsrecht tangiert

Das OLG bewertete die Lage im Berufungsverfahren anders und gab der Berufung des Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil statt. Auch das OLG war allerdings der Auffassung, dass die mit der Klage angegriffenen Äußerungen einen Eingriff in das Unternehmenspersönlichkeitsrecht der Klägerin und deren Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb beinhalten. Das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb schütze das Interesse der Klägerin daran, dass ihre wirtschaftliche Stellung nicht durch inhaltlich unrichtige Informationen oder Wertungen, die auf sachfremden Erwägungen beruhen oder herabsetzend formuliert sind, geschwächt wird und andere Marktteilnehmer deshalb von Geschäften mit ihr abgehalten werden (BGH, Urteil v. 16.12.2014, VI ZR 39/14).

Abwägung der Rechtspositionen erforderlich

Ein solcher Eingriff in die Rechte der Klägerin führt nach der Entscheidung des Senats aber nicht ohne weiteres zu dem von der Vorinstanz zuerkannten Unterlassungsanspruch. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts sei ein Eingriff nur dann rechtswidrig, wenn eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange ergibt, dass das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH Urteil v. 11.12.2012, VI ZR 314/10). Bei der Abwägung spiele es eine entscheidende Rolle, ob die Äußerung insgesamt als - möglicherweise unwahre - Tatsachenbehauptung oder als Werturteil im Rahmen einer Meinungsäußerung zu qualifizieren sei.

Bewertungen sind regelmäßig Meinungsäußerungen

Im konkreten Fall bewertete das OLG die Äußerungen insgesamt als eine nach Art. 5 GG geschützte Meinungsäußerung. Die beanstandeten Äußerungen seien in ihrer Gesamtheit zu beurteilen. Nicht sachgerecht sei es, jede einzelne Äußerung isoliert zu betrachten und einzeln auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Aus Sicht des verständigen und unvoreingenommenen Durchschnittspublikums ziele der Gesamtkontext der Einzeläußerungen auf die Abgabe eines negativen Werturteils über die Bearbeitung des Mandats. Der Beklagte habe zum Ausdruck bringen wollen, dass sein Mandatsauftrag aus seiner Sicht nicht mit der erforderlichen Sorgfalt und Fachkenntnis erledigt worden sei.

Recht auf freie Meinungsäußerung hat erhebliches Gewicht

Da die Bewertung weder Formalbeleidigungen noch Schmähkritik enthielt, sei bei der Abwägung dem weitreichenden Schutz der Meinungsäußerung im Rahmen von Werturteilen erhebliche Bedeutung beizumessen (BGH, Urteil v. 3.2.2009, VI ZR 36/07). Die Abwägung führe im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass das durch die Äußerungen des Beklagten beeinträchtigte Unternehmenspersönlichkeitsrecht der Klägerin sowie das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb das Recht des Beklagten auf freie Äußerung seiner Meinung zumindest nicht überwiegt. Dies führe zur Zulässigkeit der abgegebenen Bewertung.

Auch überzogene Kritik ist geschützt

Das OLG berücksichtigte bei der Abwägung, dass für den Durchschnittsleser der Bewertung erkennbar sei, dass der Beklagte die juristische Tätigkeit der Klägerin als juristischer Laie bewertet und kritisiert habe. Der Bewertung komme daher ein geringeres Gewicht zu als wenn die Bewertung durch eine juristisch fachkundige Person oder sonstige fachkundige Stelle erfolgt wäre. Auch wenn die Kritik an einigen Stellen scharf und möglicherweise überzogen formuliert sei, sei sie von dem Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt, denn auch eine scharf und überzogen formulierte Kritik an einer gewerblichen Leistung eines Wirtschaftsunternehmens falle unter den Schutz der Meinungsfreiheit.

Kein Unterlassungsanspruch der Anwaltskanzlei

Im Ergebnis kam es nach Auffassung des OLG nicht darauf an, ob jede in der Gesamtkritik enthaltene einzelne Äußerung sachlich richtig war. Entscheidend sei, dass es sich insgesamt um eine von der Meinungsfreiheit geschützte Bewertung einer Leistung gehandelt habe. Ein Anspruch auf Unterlassung in Form der Löschung oder Sperrung des Bewertungsinhalts bestehe daher nicht. Die Berufung des Beklagten war damit erfolgreich.


(OLG Stuttgart, Urteil v. 29.9.2025, 4 U 191/25)

Hintergrund:

Die Entscheidung des OLG Stuttgart reiht sich ein in die Entscheidung anderer Oberlandesgerichte und auch des BGH zum Unternehmenspersönlichkeitsschutz von Rechtsanwälten.

  • Das OLG Bamberg hat die Bewertung eines Anwalts als „nicht besonders fähiger Rechtsanwalt“ als zulässige, hinzunehmende Meinungsäußerung eines Mandanten eingestuft (OLG Bamberg, Beschluss v. 14.6.2024, 6 U 17/24)
  • Eine Ein-Sterne-Bewertung verbunden mit Attributen wie „nicht empfehlenswert“ ist durch das Recht auf freie Meinungsäußerung geschützt und daher zulässig (BGH, Urteil v. 28.9.2022, VIII ZR 319/20).
  • Bewertungen dürfen emotional geprägt und müssen nicht sachlich formuliert sein. Sie dürfen aber keine unrichtigen Tatsachenbehauptungen enthalten (LG Frankenthal, Urteil v. 22.5.2023, 6 O 18/23).
  • Unzulässig ist reine Schmähkritik, wenn beispielsweise einem Rechtsanwalt ohne erkennbare Tatsachengrundlage jegliche Professionalität abgesprochen wird und ein schützenswertes Interesse an der Meinungsäußerung des Bewerters unter keinem Gesichtspunkt erkennbar ist (OLG Stuttgart, Urteil v. 31.8.2022, 4 U 17/22).
  • Erfolgt die Bewertung eines Anwalts ohne ein zugrundeliegendes Mandatsverhältnis ist die Bewertung unzulässig, da eine Bewertung für das Publikum regelmäßig die konkludente Behauptung enthält, die Bewertung basiere auf der Grundlage eines Mandatsverhältnisses. Eine Bewertung kann aufgrund eines anderweitigen Geschäftskontakts ausnahmsweise dennoch zulässig sein. Das fehlende Mandatsverhältnis muss dann aber in der Bewertung offengelegt werden (OLG Oldenburg, Urteil v. 4.6.2024, 13 U 11/23)

Schlagworte zum Thema:  Recht , Bewertung , Kanzlei
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