Gesetzesentwurf zur flächendeckenden Anwaltsfortbildung

Die Fortbildung der Anwälte steht schon lange auf dem Prüfstand. Die Satzungsversammlung der Rechtsanwälte hat 2014 eine diesbezügliche Gesetzesänderung eingefordert. Nun hat der Bundesjustizminister, auch mit Blick auf EU-Vorgaben, einen dicken Gesetzesentwurf vorgelegt. Nicht nur zur Fortbildungspflicht für Rechtsanwälte, er hat auch viele andere berufsrechtliche Fragen in Angriff genommen.

Die flächendeckende Rechtsanwalts-Fortbildung ist kein neues Thema. Zuletzt hatte  die Satzungsversammlung der Rechtsanwälte den Gesetzgeber aufgefordert, der ihr die Kompetenz dazu zu geben.

Grundpflicht zur Fortbildung nach § 43a Abs. 6 BRAO

Der Gesetzgeber solle eine Grundpflicht zur Fortbildung nach § 43a Abs. 6 BRAO regeln und zu diesem Zweck

  • in § 59b Abs. 2 Nr. 1 BRAO einen neuen Buchstaben "Fortbildungspflicht" einfügen.
  • Zugleich gab es auch EU-rechtlichen Druck, Änderungen am Berufsrecht der Rechtsanwälte vorzunehmen.

Bundesjustizminister Heiko Maas hatte bereits Ende Juli 2014 mitgeteilt, dass er beabsichtigt, die Anregung der Satzungsversammlung zu einer Änderung des § 59b BRAO aufzugreifen und zeitnah einen entsprechenden Regelungsvorschlag vorzulegen. Darauf wartete die Anwaltschaft bis zum 4.5.

Richtlinie 2013/55/EU sollte bereits umgesetzt sein

Die EU-Richtlinie 2005/35/EG über die Anerkennung der Berufsqualifikationen soll die Flexibilität der Arbeitsmärkte erhöhen und die automatische Anerkennung von Qualifikationen erleichtern.

Mit der Änderung der Berufsanerkennungsrichtlinie durch die Richtlinie 2013/55/EU wurden für den Bereich der reglementierten Berufe erleichterte Voraussetzungen für die vorübergehende und gelegentliche grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen innerhalb der Europäischen Union eingeführt.

Diese Richtlinie war bis zum 18.2.2016 in nationales Recht umzusetzen. Es gab also Verzug in zwei Richtungen.

Gesetzentwurf vorgelegt - Fortbildungspflicht für alle + umfassende Änderungen im Berufsrecht

Am 4.5. hat der Justizminister den umfangreichen Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe vorgelegt.

Er kam darin , wenn auch verspätet, seiner Umsetzungspflicht nach. Die bereits bestehenden Regelungen über die Ablegung einer Eignungsprüfung für  Rechtsanwälten und Patentanwälten aus anderen Mitgliedstaaten und Vertragsstaaten für die Zulassung zur deutschen Anwaltschaft, werden an die Vorgaben der Berufsanerkennungsrichtlinie angepasst.

Fortbildungspflicht für Berufsanfänger

Die Weiterbildung wird in zwei schritten gestärkt. Für Berufseinsteiger vorgesehen ist zunächst eine Verpflichtung in § 8 BRAO, im zeitlichen Zusammenhang mit der Zulassung Kenntnisse im Berufsrecht durch die Teilnahme an einer zehnstündigen Lehrveranstaltung nachzuweisen.

Kammerermächtigung für weitere Weiterbildung

Über diese 10 Stunden Berufsrecht hinaus,

wird der Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer wie versprochen - durch eine Ergänzung des § 59 b Abs. 2 Nr .1 um ein „h“ - das Recht eingeräumt, weitere Regelungen zur Fortbildungspflicht der Rechtsanwälte nach § 43a Abs. 6 BRAO zu treffen, um die Qualität der anwaltlichen Beratung systematisch zu sichern.

Strafen für Fortbildungsmuffel

Verstöße gegen die Fortbildungspflicht sollen durch eine Rüge nach § 74 BRAO-E, verbunden mit einer Geldbuße von 2000 EUR, geahndet werden können.

Umfangreiche Änderungen des sonstigen Berufsrechts

Im Übrigen war man sehr fleißig im Umgang mit berufsrechtlichen Schwachstellen und zu klärenden Fragen sowie der Umsetzung von Gerichtsentscheidungen.

Es werden eine Vielzahl von Verwaltungs- und Organisationfragen des Rechtsanwaltsberufs angefasst,

  • von der Handakte über die Zustellung von Anwalt zu Anwalt hin zur Berufshaftpflicht bei nur gelegentlicher Rechtberatung.
  • Behandelt und konkretisiert wird das schon lange zu bestellende Feld der berufsrechtlichen Maßnahmen.
  • Änderungen gibt es zum RDG, auch hier werden Konsequenzen aus der EU-Rechtsprechung gezogen.
  • Es gibt, die Zeit läuft,  Konkretisierungen zur Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs in § 31a BRAO-E.
  • Ausführlich behandelt und geändert wird das Recht der Patentanwälte.

In anderen Berufen schon lange Sanktionen für Fortbildungsmuffel

Die Fortbildungspflicht für Rechtsanwälte ist bisher allgemein und letztlich unverbindlich in § 43a Abs. 6 BRAO geregelt: „Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, sich fortzubilden." Nimmt er die Fortbildung nicht ernst oder unterlässt er sie vollends, hat das auf seine Anwaltszulassung keine Auswirkung. Lediglich bei den Fachanwälten besteht eine Fortbildungspflicht, die  zuletzt 2015 von 10 auf 15 Stunden jährlich erhöht wurde, und deren Verletzung den Entzug des Fachanwaltstitels zur Folge haben kann.

Punktsysteme und Strafen bis zum Zulassungsentzug

In anderen Berufen wie etwa bei den Ärzten oder Piloten ist eine derart laxe Handhabung undenkbar. So hat etwa der Gesetzgeber im Gesundheitssystem-Modernisierungs-Gesetz ein Fortbildungszertifikat der Kammern für Kassenärzte und Krankenhausärzte festgelegt. Innerhalb von fünf Jahren müssen sie 250 Punkten aus zertifizierter Fortbildung erzielen und die Bescheinigung der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV), Fachärzte im Krankenhaus dem ärztlichen Direktor der Klinik vorlegen. Erweist sich ein GKV-Vertragsarzt als Fortbildungsmuffel, so wird ihm im ersten Jahr nach dem Stichtag 10 Prozent, im zweiten Jahr 30 Prozent vom Budget abgezogen.

Fruchtet das nicht, muss die KV den Entzug der Kassenzulassung beantragen.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist aufwändig

Bis es zu einer allgemeinen anwaltlichen Fortbildungspflicht kommt, dürfte allerdings noch etwas Zeit vergehen. Die Schaffung der Ermächtigungsgrundlage durch den Gesetzgeber ist der erste Schritt. Danach muss dann die Satzungsversammlung die Details regeln.

  • Was gilt überhaupt als Fortbildung?
  • Wie viele Stunden müssen es jährlich sein.
  • Zählen nur  Präsenzveranstaltungen oder auch Online-Kurse.

Bei derzeit rund 160.000 Anwälten ist auch die Frage der Kontrolle wichtig. Denn die Kammern allein dürften mit der Überwachung jedes einzelnen Anwalts überfordert sein. Hier wird man am Ende wohl mit einer Meldepflicht des Anwalts arbeiten – ganz ähnlich wie es derzeit schon bei den Fachanwälten läuft.     

Angst vor Brüssel 

Die neuerliche Diskussion um die sanktionierte anwaltliche Fortbildungspflicht, die schon über hundert Jahre alt ist, hat aus Sicht des Berufsstandes einen handfesten Hintergrund. Denn das anwaltliche Beratungsmonopol nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz  lässt sich politisch nur halten, wenn die Qualität der anwaltlichen Dienstleistung stimmt und durch Fortbildung aufrechterhalten wird. Ansonsten könnte der europäische Gesetzgeber auf den Gedanken kommen, die Zugangsbarrieren zum deutschen Rechtsberatungsmarkt über ein Vertragsverletzungsverfahren einzureißen.


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