Gericht spricht Kirchenasyl gewährenden Benediktinerpater frei

In einem ungewöhnlichen Urteil hat das AG Kitzingen einen Benediktinerpater, der einem Flüchtling aus Gaza Kirchenasyl gewährte, von dem Vorwurf der Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt in der Bundesrepublik freigesprochen.

Immer mal wieder gewähren die Kirche oder einzelne Pfarrer oder Kirchenangehörige Flüchtlingen, die aus der Bundesrepublik abgeschoben werden sollen, Kirchenasyl. Rechtlich ist diese Form der Asylgewährung nicht anerkannt. Im Gegenteil: Viele Juristen bewerten diese Praxis als rechtswidrig.

Gerichtsverfahren wegen Kirchenasylgewährung sind die Ausnahme

Trotz des rechtlich nicht anerkannten Kirchenasyls kommt es in diesen Fällen selten zu Gerichtsverfahren. Meistens finden kirchliche und staatliche Stellen zu einer einvernehmlichen Lösung - außer in Bayern. Dort werden Priester und sonstige Kirchenangehörige, die trotz entgegenstehender Rechtslage Flüchtlingen, die abgeschoben werden sollen, Kirchenasyl gewähren, nicht selten strafrechtlich verfolgt.

Benediktinermönch gewährte Flüchtling aus Gaza Kirchenasyl

Zu keiner einvernehmlichen Lösung kam es auch im Fall der Aufnahme eines Flüchtlings in der Benediktinerabtei Münsterschwarzach. Ein Benediktinermönch hatte dort einem in Gaza geborenen Flüchtling Kirchenasyl gewährt, der über Rumänien in die EU eingereist war. Der Mönch war zuständig für die Koordination der Flüchtlingsarbeit seiner Abtei im bayerischen Schwarzach am Main.

Mönch hatte Zweifel an fairem Asylverfahren in Rumänien

Die zuständige Ausländerbehörde wollte den Flüchtling nach Rumänien abschieben. Gemäß dem Dublin-Abkommen war Rumänien als erster Staat, den der Flüchtling in der EU betreten hatte, für die Entscheidung über den von dem Flüchtling gestellten Asylantrag zuständig. Der Mönch hatte Zweifel, ob dem Flüchtling dort ein faires Asylverfahren gewährt würde. Er beantragte beim BAMF die Anerkennung als Härtefall.

Härtefallantrag abgelehnt

Das BAMF lehnte den Antrag ab. In der Absicht, seinen Schützling vor Menschenrechtsverletzungen zu bewahren, verhinderte er die geplante Abschiebung, indem er den Flüchtling in die Abtei aufnahm und ihm Kirchenasyl gewährte.

Aufenthalt in Deutschland ohne Aufenthaltstitel ist strafbare Handlung

Die StA bewertete das Verhalten des Mönchs als strafbare Handlung gemäß § 95 AufenthG. Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 2 AufenthG ist der Aufenthalt in der Bundesrepublik eines Ausreisepflichtigen ohne Aufenthaltstitel mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bedroht.

Staatsanwalt forderte 2.400 Euro Geldstrafe

Die StA beantragte beim zuständigen AG einen Strafbefehl gegen den Mönch wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt in der Bundesrepublik ohne Aufenthaltstitel. Das Gericht lehnte den Strafbefehl ab und beraumte einen Termin zur mündlichen Verhandlung an. Vor Gericht forderte die StA die Verhängung einer Geldstrafe in Höhe von 2.400 Euro. Die StA vertrat die Auffassung, der Mönch habe bewusst staatliches Recht verletzt. Er habe den Vollzug einer rechtskräftigen Abschiebungsanordnung vorsätzlich verhindert.

Der Angeklagte handelte rechtswidrig, aber nicht schuldhaft

Das Gericht bewertete den Vorgang weniger streng als der Staatsanwalt. Nach Auffassung des AG hatte der Mönch durch sein Verhalten zwar in rechtswidriger Weise Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt in der Bundesrepublik geleistet. Nach Wertung des Gerichts traf den Angeklagten aber keine Schuld. Aufgrund seines Glaubens und seiner tiefen Religiosität sei der Mönch fest davon überzeugt gewesen, das Richtige zu tun. Das Institut des Kirchenasyls sei zwar im Rechtssystem der Bundesrepublik nicht anerkannt, dennoch sei dieses besondere „Asylrecht“ tief sowohl in der christlichen Religion als auch in der abendländischen Kultur verankert. In seiner von seiner religiösen Überzeugung geprägten, durch Art. 4 GG geschützten Gewissensentscheidung habe der Mönch das aus seiner Sicht sittlich Gebotene getan und deshalb nicht vorwerfbar schuldhaft gehandelt.

(AG Kitzingen, Urteil v. 25.4.2021, 1 Cs 882 Js 16548/20).

Hintergrund: Konflikte zwischen Kirche und Staat wegen der Gewährung von Kirchenasyl

In der Praxis sind Konflikte zwischen Kirche und Staat wegen der Gewährung von Kirchenasyl nicht ganz selten. Die bayerische Justiz ist in diesen Fällen in der Regel nicht besonders zurückhaltend. Anders als in vielen anderen Bundesländern geht die Justiz dort in Fällen der Gewährung von Kirchenasyl gegen Kirchenangehörige vor. Nach einem Bericht der Wochenzeitung „Die Zeit“ wurden in Bayern im Jahr 2020 27 Ermittlungsverfahren wegen Gewährung von Kirchenasyl gegen Kirchenangehörige eingeleitet.

Verurteilungen wegen Gewährung von Kirchenasyl

Am 3.6.2021 hat das AG Würzburg gegenüber einer Ordensschwester eine Verwarnung ausgesprochen, weil sie in den Jahren 2019 und 2020 zwei Flüchtlingen aus Nigeria Kirchenasyl gewährt und damit deren Abschiebung verhindert hatte. Die Franziskanerschwester hatte den Frauen nach eigenen Angaben geholfen, weil diese nach ihrer Einreise in Italien dort zur Zwangsprostitution gezwungen worden seien. In einem ähnlichen Fall war im Sommer 2020 ein Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Bamberg wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt gegen die Äbtissin des Benediktinerklosters Kirchschletten ergangen. Im Jahr 2019 wurde im bayerischen Immenstadt ein evangelischer Pfarrer zu einer Geldstrafe von 3.000 Euro verurteilt, weil er einen ausreisepflichtigen afghanischen Flüchtling im Pfarrhaus aufgenommen hatte.

Kirchenasyl als Nothilfe gegen inhumane Abschiebungen

Die Kirche argumentiert, dass die Geschichte des Kirchenasyls bis in die Antike zurückreicht und Kirchengebäude spätestens seit dem Mittelalter als durch den Staat unantastbare Schutzräume angesehen wurden. Seinen eigentlichen Ursprung hat das Kirchenasyl bereits im römischen Reich. Im Konzil von Serdika im Jahr 343 hatten die dort versammelten Bischöfe eine Vereinbarung getroffen, wonach die Kirche staatlich verfolgte Personen grundsätzlich vor staatlichem Unrecht schützt und diesen gegebenenfalls Unterschlupf in kirchlichen Räumen gewährt. Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki verteidigt das Institut des Kirchenasyls mit diesem Argument als auch heute noch in Ausnahmefällen erforderliche Nothilfe gegen inhumane Abschiebungen.

Der Staat bewertet Kirchenasyl als Angriff auf das Justizmonopol

Aus staatlicher Sicht kann eine nichtstaatliche Institution, auch nicht die Kirche, nicht das Recht für sich in Anspruch nehmen, aus eigenem Gutdünken eigenes Recht zu setzen, das sie gegen staatliches Recht durchzusetzen versucht. Zahlenmäßig spielen die Fälle des Kirchenasyls in Deutschland keine erhebliche Rolle, dennoch zeigen sie eine grundsätzliche Problematik, wenn staatliches und kirchliches Recht sich konträr gegenüberstehen. Politiker argumentieren gegen eine Sonderstellung der Kirche und verweisen auf das Recht der Scharia nach islamischem Glauben, das der Staat auch nicht in Ausnahmefällen als vorrangig akzeptieren könne. Liberalere Geister halten die Argumentation für überspitzt und sehen im Kirchenasyl die Perpetuierung einer humanitären Tradition des Abendlandes. Eine Gefahr für den Rechtsstaat sehen sie darin schon wegen der geringen Fallzahlen nicht.

Sondervereinbarung zwischen Staat und Kirche aus dem Jahr 2018

Um das Problem in den Griff zu bekommen, haben Staat und Kirche im Jahr 2018 ein Übereinkommen getroffen, in dem sich die Kirche verpflichtet hat, in Fällen von Kirchenasyl einen begründeten Härtefallantrag beim BAMF einzureichen, wie ihn der Mönch der Benediktinerabtei Münsterschwarzach ja auch gestellt hatte. Nach der Vereinbarung endet das Kirchenasyl innerhalb von drei Tagen, nachdem das BAMF das Vorliegen eines Härtefalls durch schriftlichen Bescheid verneint hat.

Der Staat möchte in Abschiebungsfällen Konsequenz demonstrieren

Das Abkommen zwischen Staat und Kirche hat aus staatlicher Sicht nicht zuletzt den Sinn, die nach dem Dublin-Abkommen vorgesehenen Zuständigkeitsregeln einzuhalten. Wenn die Ausländerbehörden die Überstellung eines Betroffenen in das zuständige EU-Land nicht innerhalb von sechs Monaten nach der Einreise durchführen, hat der Betroffene ein Recht auf Durchführung des Verfahrens in Deutschland. Diese Regelung kommt in Fällen der Gewährung von Kirchenasyl nicht selten zum Zuge und ist aus staatlicher Sicht äußerst unerwünscht.


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