BGH kippt 15-Minuten-Intervall in der Anwaltsvergütung

Eine 15-Minuten-Zeittaktklausel in einer vorformulierten Vergütungsvereinbarung mit einem Verbraucher, wie sie von einigen Anwälten verwendet wird, ist laut BGH unwirksam. Hier wurde dem Mandanten für jede angefangene Viertelstunde jeweils ¼ des Stundensatzes von 290,00 EUR berechnet und damit die auf dem Vergleichswege ausgehandelte Abfindungssumme überschritten.

Der BGH hat sich mit der Frage der Wirksamkeit von formularmäßigen Vergütungsvereinbarungen eines Rechtsanwalts befasst. In dem Fall war ein Rechtsanwalt von einem Verbraucher in einer arbeitsrechtlichen Angelegenheit beauftragt worden. Konkret ging es um die Prüfung eines Aufhebungsvertrages.

Nullsummenspiel: Rechtsanwalt erwirkte Abfindung und wohlwollendes Zeugnis 

Der Rechtsanwalt erreichte im Verhandlungswege, dass dem Mandanten eine Abfindung von in Höhe von 10.000 EUR brutto gezahlt wird und er ein wohlwollendes qualifiziertes Arbeitszeugnis erhält. Er rechnete seine Gebühren auf der Grundlage einer mit dem Mandanten geschlossenen Vergütungsvereinbarung ab und verlangte ein Honorar in Höhe von 11.276,44 EUR. Er nahm eine Verrechnung mit dem vom Arbeitgeber gezahlten Abfindungsbetrag vor und verlangte den Rest des Honorars vom Mandanten. Der Mandant ließ sich dies nicht gefallen und klagte auf Auszahlung seiner Abfindung. Er hatte damit in drei Instanzen Erfolg.

Honorarabrechnung nach Zeitaufwand mit einen 15-Minuten-Takt

Der BGH kassierte zunächst die in der Vergütungsvereinbarung enthaltene Klausel, wonach der Rechtsanwalt bei der Abrechnung nach Zeitaufwand einen 15-Minuten-Takt zugrunde legen wollte, d.h. für jede angefangenen 15 Minuten sollte jeweils ¼ des Stundensatzes von 290,00 EUR berechnet werden.

Tatsächlich kam der Anwalt in seiner Abrechnung so auf insgesamt 25 Stunden und 15 Minuten, obwohl er bei minutengenauer Abrechnung nur viereinhalb Stunden gearbeitet hatte.

BGH sah in 15-Minuten-Zeittaktklausel unangemessene Mandanten-Benachteiligung

Der BGH stellte klar, dass der Anwalt zwar grundsätzlich ein Zeithonorar von 290 EUR pro Stunde verlangen könne, dass er aber die tatsächlich aufgewendete Arbeitszeit zugrunde legen müsse.

Eine Zeittaktklausel sei zwar nicht per se unwirksam, da der Rechtsanwalt grundsätzlich ein Interesse daran haben könne, nicht wiederholt mit E-Mails und Anrufen des Mandanten aus der Arbeit gerissen zu werden. Der Mandant sei hier jedoch schutzbedürftiger.

Das große Zeitintervall von 15 Minuten könne durch jede belanglose Tätigkeit des Anwalts ausgelöst werden und beliebig oft zur Anwendung kommen, was umfangreiche Missbrauchsmöglichkeiten eröffnen würde. Das berechtigte Interesse des Mandanten, nicht durch eine Aufbauschung des Zeitaufwandes mit einer überhöhten Honorarrechnung konfrontiert zu werden, sei daher gefährdet. Die 15-Minuten-Zeittaktklausel in der Vergütungsvereinbarung benachteilige den Mandanten unangemessen.

Bei unwirksamer Honorarklausel nun Darlegungslast des Anwalts zu tatsächlichem Aufwand

Im Falle einer unwirksamen Zeittaktklausel kann nur der tatsächliche Aufwand berücksichtigt werden, den der Rechtsanwalt schlüssig darzulegen hat. Nach der Entscheidung des BGH reichen keine pauschalen Angaben, wie Aktenbearbeitung, Literaturrecherche oder Telefongespräch. Die vom Anwalt erbrachten Tätigkeiten müssen vielmehr konkret beschrieben werden, also welcher konkrete Schriftsatz verfasst wurde, zu welchem Thema welche Recherche angestellt wurde und mit wem über welches Thema eine telefonische Besprechung stattfand.

Erhöhung der gesetzlichen Gebühren und des Streitwerts unzulässig

Des Weiteren sah die beanstandete Vergütungsvereinbarung des Anwalts vor, dass der Mandant unabhängig vom Zeitaufwand in jedem Fall mindestens das Dreifache der gesetzlichen Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz schuldet und dass bei der arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung abweichend zur gesetzlichen Regelung die Abfindung dem Gegenstandswert hinzugerechnet wird.

Auch diese Regelung hielt der BGH für unwirksam. Allein die Vereinbarung einer Mindestvergütung in Höhe des Dreifachen der gesetzlichen Gebühren ohne Rücksicht auf die Höhe des Streitwerts sowie auf Umfang und Schwierigkeit der Sache ist nach Auffassung des BGH bedenklich.

Jedenfalls aber in Kombination mit der hier vorgesehenen Erhöhung des Gegenstandswertes ergibt sich jedoch eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers.

Vergütungsregelung widersprach dem Ansinnen des Gesetzgebers

Nach der gesetzlichen Regelung in § 42 Abs. 2 S. 1 GKG wird im Falle einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung die Abfindung dem Gegenstandswert gerade nicht hinzugerechnet. Das Bestreben des Gesetzgebers war es, dem gekündigten Arbeitnehmer durch eine Deckelung des Streitwertes auf das Dreifache seines bisherigen Bruttogehalts zu ermöglichen, dass er in dieser für ihn schwierigen Lage einen Rechtsanwalt zu angemessenen Bedingungen hinzuziehen kann. Die hier vorgesehene Vergütungsregelung widerspreche diesem Ansinnen des Gesetzgebers und benachteilige den Verbraucher unangemessen.

BGH: Keine Sekretariatspauschale in der Anwaltsvergütung

Schließlich war in der Vergütungsvereinbarung vorgesehen, dass der Anwalt eine Pauschale für Tätigkeiten des Sekretariats verlangen kann, und zwar wahlweise in Höhe von 60,00 EUR  pro Stunde oder pauschal mit 15 Minuten pro Stunde anwaltlicher Tätigkeit. Hat der Anwalt aber die freie Wahl, welche Abrechnungsmethode er zugrunde legen will, dann gilt gem. § 4 Abs. 3 Satz 2 RVG die gesetzliche Vergütung als vereinbart, da die Festsetzung der Vergütung letztlich dem Ermessen eines Vertragsteils überlassen werde. Auch die Sekretariatspauschale wurde vom BGH also im Ergebnis gekippt.

(BGH, Urteil v. 13.02.2020, IX ZR 140/19)

Anmerkung: Was ist bei Vergütungsvereinbarungen noch erlaubt?

Für Anwälte stellt sich nun die Frage, ob und gegebenenfalls mit welchem Inhalt sie überhaupt noch Vergütungsvereinbarungen treffen dürfen. Hierzu ist anzumerken, dass der BGH die Zeittaktklausel nicht per se für unwirksam  erklärt. Er hat sich vorliegend nur an dem langen Zeitintervall von 15 Minuten gestoßen.

Ein kürzeres Intervall von beispielsweise sechs Minuten dürfte durchaus zulässig sein. Auch muss unterschieden werden, ob es sich bei dem Mandanten um einen Verbraucher oder einen Unternehmer handelt. Nur den Verbraucher hält der BGH für besonders schutzbedürftig. Darüber hinaus hat der Anwalt zu beachten, dass bei einer Abrechnung nach Zeitaufwand der tatsächliche Aufwand genau zu dokumentieren ist; pauschale Angaben reichen nicht.

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Hintergrund: Argumente für Unangemessenheit einer Zeittaktklausel

Die Zeittaktklausel verstößt gegen § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, weil sie strukturell geeignet ist, das dem Schuldrecht im allgemeinen und dem Dienstvertragsrecht im Besonderen zugrunde liegende Prinzip der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung (Äquivalenzprinzip) empfindlich zu verletzen, wodurch der Verwendungsgegner unangemessen benachteiligt wird .

Die Unangemessenheit der Zeittaktklausel ergibt sich aus folgenden Umständen:

  • Nach ihr ist nicht nur jede Tätigkeit des Klägers, die etwa nur wenige Minuten oder gar auch nur Sekunden in Anspruch nimmt (z.B. ein kurzes Telefongespräch, Personalanweisungen, kurze Rückfragen, das Lesen einfacher und kurzer Texte), im Zeittakt von jeweils 15 Minuten zu vergüten,
  • sondern auch jede länger andauernde Tätigkeit, die den jeweiligen Zeitabschnitt von 15 Minuten auch nur um Sekunden überschreitet, und zwar nicht beschränkt auf eine einmalige Anwendung z.B. am Ende eines Arbeitstages (diese Art der Rundung billigend z.B. Bischof, in: Bischof/Jungbauer/Bräuer/Curkovic/Mathias/Uher, RVG, 3. Aufl., § 3a Rn 23), sondern gerichtet auf die stetige Anwendung auch mehrmals täglich.

(OLG Düsseldorf, Urteil v. 18.02.2010, -24 U 183/05).

Aus: Deutsches Anwalt Office Premium

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