Vater torpediert erfolgreich das Umgangsrecht der Mutter

Untergräbt ein Vater das Umgangsrecht der Mutter mit ihrem zwölfjährigen Sohn in einer Weise, dass schließlich der Sohn den Umgang mit der Mutter ablehnt, so kann das Umgangsrecht der Mutter aus Gründen des Kindeswohls ausgeschlossen werden. Eine traurig zu lesende Entscheidung, die aber in abgeschwächten Varianten sicher kein Einzelfall ist.  

In einem von OLG Stuttgart entschiedenen Fall, hatten die Eltern eines zwölfjährigen Sohnes sich getrennt. Seit April 2010 lebte der Sohn beim Vater, der mit seinen Eltern im gleichen Haus wohnte. Noch im gleichen Monat einigten sich die Eltern in einem einstweiligen Anordnungsverfahren darauf, dass die Mutter wöchentlich mittwochs und 14-tägig von Freitag bis Sonntag Umgang mit Ihrem Sohn haben sollte. Der Beschluss wurde anschließend mehrfach modifiziert. Von den vereinbarten Umgangsterminen fanden nur 2 statt.

Vater torpedierte das Umgangsrecht der Mutter

Wie sich im Laufe des Verfahrens herausstellte, bezeugte der Vater hinsichtlich des Umgangs nur nach außen Kooperationsbereitschaft. Er und die väterliche Familie insgesamt lehnten aber tatsächlich den Umgang des Sohnes mit der Mutter ab.

  • Der Vater betrachtete den Umgang als schädlich für seinen Sohn.
  • Auch die Kooperation mit einem vom AG bestellten Umgangspfleger funktionierte nicht.
  • An psychologischen Beratungsgesprächen nahm der Vater nicht teil.

Auch der Sohn selbst verweigerte schließlich die Wahrnehmung von vereinbarten Umgangsterminen mit der Mutter.

Erzwingung des Umgangsrechts widerspricht dem Kindeswohl

Schließlich schloss das AG mit Beschluss vom 4.6.2013 das Umgangsrecht der Mutter mit ihrem Sohn bis zum 3.6.2015 aus. Das Gericht stützte sich auf die Stellungnahme eines Sachverständigen, der es für das Wohl des Sohnes für erforderlich hielt, das Umgangsrecht auszuschließen.

  • Der Sohn äußere nachdrücklich und entschieden seinen Willen, nicht mit der Mutter zusammen zukommen.
  • Auch wenn dieser Wille vom Vater beeinflusst sei, dürfe das Umgangsrecht der Mutter aus Gründen des Kindeswohls nicht erzwungen werden.
  • Nur durch einen zeitweisen Ausschluss des Umgangsrechts könne für den Sohn ein psychisch stabiler Zustand geschaffen werden, in dem er die Beziehung zu seinen Eltern und insbesondere zu seiner Mutter neu überdenken könne.

Ausschluss des Umgangsrechts ist Ultima Ratio

Das zweitinstanzlich mit der Sache befasste OLG bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz. Der Senat stellte auf § 1684 BGB als zentrale Vorschrift zum Umgangsrecht ab. Gemäß § 1684 Abs. 1 BGB hat das Kind grundsätzlich ein Recht auf Umgang mit jedem Elternteil. Korrespondierend dazu ist jeder Elternteil zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt. Gemäß § 1684 Abs. 2 haben die Eltern alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigen könnte. Eingeschränkt oder ausgeschlossen werden kann das Umgangsrecht gemäß § 1684 Abs. 4 BGB nur ausnahmsweise, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Ein solcher Umgangsausschluss ist nach Auffassung des OLG die Ultima Ratio, um im Einzelfall schwere Gefahren für eine seelisch oder körperlich gesunde Entwicklung abzuwenden.

Wille des Kindes ist ein maßgebliches Entscheidungskriterium

Aber auch unter Anlegung dieser strenge Maßstäbe an einen Ausschluss des Umgangsrechts kam der Senat zu dem Ergebnis, dass hier ein Ausschluss des Umgangsrechts nicht zu umgehen sei. Im Rahmen der zu treffenden Entscheidung sei bei einem zwölfjährigen Kind auch dessen Wille als Ausübung des Rechtes des Kindes auf Selbstbestimmung zu berücksichtigen. Zwar sei grundsätzlich davon auszugehen, dass der regelmäßige Umgang des Kindes mit beiden Elternteilen dem Kindeswohl entspreche.

Hierbei sei der seitens des Kindes geäußerte Wille nicht der allein ausschlaggebende Faktor. Lehne aber ein Zwölfjähriger aus subjektiv beachtlichen und objektiv verständlichen Gründen den Umgang ab, so dürfe das Kind in der Regel nicht gegen seinen Willen zum Umgang gezwungen werden.

Subtile Beeinflussung des Kindes durch den Vater

Der Senat stützte seine Entscheidung auf die Gutachten psychologischer Sachverständiger. Gegenüber diesen hatte der Sohn geäußert, er wolle seine Mutter nicht sehen, weil sie ihn oft anbrüllt und aus Zorn ihren eigenen Kopf gegen die Wand geschlagen habe. Er möge seine Mutter deshalb nicht. Diese Äußerungen wertete das Gericht als subjektiv verständlich und nachvollziehbar. Zwar habe der Sachverständige die überwiegend negative Haltung des Sohnes gegenüber seiner Mutter auf die ablehnende Haltung der väterlichen Familie zurückgeführt, die die Mutter für verzichtbar und für den Jungen gefährlich halte.

Der Vater verwechsle und vermische die Geschichte seiner eigenen Beziehung mit der Geschichte des Jungen.

Er werfe der Mutter vor, dass sie ihren Sohn nicht angenommen und schlecht versorgt habe. Die Beeinflussung des Sohnes durch den Vater erfolge zwar nicht vordergründig offen, dafür aber hintergründig und auf feinsinnig diplomatischem Wege.

Der Vater agiert gegen das Kindeswohl

Der Sachverständige missbilligte das Verhalten des Vaters gegenüber seinem Sohn in deutlicher Weise.

  • Er sprach dem Vater sowohl die innere Bereitschaft als auch die Fähigkeit ab, dem Wohl seines Sohnes entsprechend daran mitzuwirken, dass dieser eine altersgerechte, normale Beziehung zu seiner Mutter entwickeln könne.
  • Der Sachverständige stellte auch eine verborgene Sehnsucht des Sohnes nach seiner Mutter fest und kam zu dem Ergebnis, dass ohne die Negativbeeinflussung durch den Vater der Sohn sich seiner Mutter wahrscheinlich öffnen würde. Wesentliche Restbestände der Sohn-Mutter-Beziehung seien noch vorhanden.

In der Beeinflussungssituation der väterlichen Familie sei es dem Sohn jedoch nicht möglich, diese Beziehungsfragmente wieder in eine gesunde Beziehung zu überführen.

Der Widerstand des Kindes gegen ein Umgangsrecht ist authentisch

Das Gericht adaptierte auch die Auffassung der Sachverständigen, dass der Sohn große Angst davor habe, der Wunsch nach einem Kontakt mit der Mutter könnte die Beziehung zur väterlichen Familie belasten.

  • Der Sohn habe den starken Wunsch, nicht in den familiären Krieg eingewoben zu werden und habe aus diesem Gefühl heraus einen authentischen Widerstand gegen einen Umgang mit der Mutter entwickelt.
  • Ansonsten sei der Sohn in der väterlichen Familie im Prinzip gut aufgehoben. Zum Wohle der kindlichen Entwicklung sei es dringend erforderlich, dass der Sohn psychisch zur Ruhe komme. 

OLG verlängerte die Umgangssperre zu Ungunsten der Mutter

Im Ergebnis führte die Beschwerde der Mutter für diese zu einer Verschlechterung der Entscheidung des AG.

  • Der Senat dehnte den vom AG bis zum 3.6.2015 verhängten Ausschluss des Umgangsrechts bis zum 31.12.2016, mithin bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres des Sohnes, aus.
  • Mit diesem Zeitpunkt trete eine neue Entwicklungstufe für den Sohn ein, so dass dieser sich bis dahin gegenüber seiner Mutter möglicherweise neu positionieren könne.
  • Diese Schlechterstellung der Mutter im Rahmen des Beschwerdeverfahrens müsse diese hinzunehmen. Das Verbot der „Reformatio in Peius“ (Verschlechterungsverbot) gelte in Kindschaftssachen nicht uneingeschränkt.
  • Vielmehr sei das Umgangsrecht der Mutter gegen die Erfordernisse des Kindeswohls abzuwägen.

Es sei angemessen, dem ohn bis zur Vollendung seines 14. Lebensjahres ein Zeitpolster zu verschaffen, in dem er die Gesamtproblematik angstfrei überdenken und verarbeiten könne. Daher müssen die Rechte der Mutter auf Umgang mit Ihrem Sohn in diesem Fall gegenüber dem Kindeswohl zurücktreten, die Mutter müsse eine Verschlechterung des erstinstanzlichen Ergebnisses in dem von ihr eingeleiteten Beschwerdeverfahren hinnehmen.

Fazit: Das grob kindeswohlwidrige, gegen die gesetzlichen Pflichten aus § 1684 Abs. 2 BGB verstoßende Verhalten des Vaters, war äußerst erfolgreich und wurde durch die Entscheidung der Gerichte - jedenfalls aus der Sicht des Vaters - belohnt.

(OLG Stuttgart, Beschluss v. 23 1.2.2015, 15 UF 192/13).


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Schlagworte zum Thema:  Kindeswohl, Sorgerecht, Umgangsrecht