U3 – Betreuung: Rechtsanspruch auf Kita-Platz oder Tagesmutter

Seit dem 1.8.2013 besteht ein gesetzlicher Anspruch auf frühkindliche Förderung durch das Zurverfügungstellen eines Betreuungsplatzes in der Kindertagespflege. Wer hieraus schließt, er habe einen Anspruch, seine Kinder in einer Kita unterzubringen, liegt falsch.

Dem am 2.9.2010 geborenen Antragsteller wurde von der Stadt Köln ein Kitaplatz zugewiesen, der 5,8 km von der elterlichen Wohnung entfernt lag. Zuvor hatte die Stadt Köln dem Antragssteller angeboten, von einer Tagesmutter im näheren Wohnumfeld versorgt zu werden. Dieses Angebot wiesen die Eltern des Antragstellers zurück und bestanden auf Betreuung in einer Kita in kürzerer Entfernung von ihrer Wohnung. Nachdem die Stadt hierauf nicht eingehen wollte, reichte der Antragsteller beim VG Köln einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ein.

VG entscheidet zu Gunsten des Antragstellers

Das zuständige VG befand, dass die Stadt Köln durch ihr Verhalten den Rechtsanspruch des Antragstellers auf Bereitstellung eines Betreuungsplatzes für Unter-Dreijährige (U3) verletzt hat:

  • Zum einen sei ein Kitaplatz in einer Entfernung von 5,8 km vom Wohnort wegen der großen Entfernung nicht zumutbar,

  • zum andere müsse der Antagsteller sich nicht auf die Betreuung durch eine Tagesmutter verweisen lassen.

  • Das Gesetz gebe ihm ein Wahlrecht zwischen verschiedenen Betreuungsmöglichkeiten.

Das VG verpflichtete daher die Stadt Köln, dem Antragsteller einen Kitaplatz zur Verfügung zu stellen, der weniger als 5 km von seinem Wohnort entfernt liegt. Diese Entfernung sei in Großstädten mit hohem Verkehrsaufkommen im Berufsverkehr die Grenze des Zumutbaren. 

OVG: Kita und Tagesmutter sind gleichwertige Betreuungsformen 

Das OVG stellte zunächst die rechtliche Grundlage für die Entscheidung des Falles heraus. Gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII hat ein Kind, welches das erste Lebensjahr vollendet hat, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege.

Der Wortlaut des Gesetzes legt nach Auffassung der Verwaltungsrichter nahe, dass der Gesetzgeber die genannten Betreuungsvarianten als gleichwertig geeignete Formen der Betreuung eingestuft hat. Dieses Gleichrangigkeitsverhältnis habe zur Folge, dass der zuständige Träger der Jugendhilfe seine Verpflichtung zur Förderung von U3-Kindern gleichermaßen mit dem Nachweis eines zumutbaren Platzes in einer Kindertagesstätte und mit dem Nachweis eines zumutbaren Platzes in der Kindertagespflege (in der Regel Tagesmutter) erfüllen kann.

Übersteigerte Anspruchshaltung der Eltern

Indem die Eltern die Betreuung durch eine Tagesmutter ablehnten, haben sie nach Auffassung des OVG-Senats die ihnen durch das Gesetz eingeräumte Rechtsstellung überstrapaziert. Das Angebot der Stadt Köln, die tägliche Betreuung durch eine Tagesmutter zu gewährleisten, hätten die Eltern des Antragstellers nach Auffassung des OVG nicht ablehnen dürfen.

Zwar bestehe nach § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII grundsätzlich ein Recht des Antragstellers bzw. der gesetzlichen Vertreter, zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger zu wählen und Wünsche hinsichtlich der Gestaltung zu äußern. Dieses Wahlrecht finde jedoch seine Grenze, wenn keine Plätze in der gewünschten Betreuungsform vorhanden oder verfügbar seien. Stünden nur freie Plätze in Tageseinrichtungen oder bei bestimmten Kindertagespflegepersonen zur Verfügung, beschränke sich das Wunsch- bzw. Wahlrecht auf diese freien Plätze.

Frage der zumutbaren Entfernung offen gelassen

Nach diesen Grundsätzen musste das Gericht nicht mehr entscheiden, ob die Entfernung der angebotenen Kindertagesstätte mit 5,8 km von der Wohnung noch zumutbar gewesen wäre. Der Senat meldete jedoch an der Wertung des VG Zweifel an.

Er wies darauf hin, dass Fahrzeiten für vergleichbare Entfernungen in unterschiedlichen Stadtteilen derselben Großstadt durchaus erheblich voneinander abweichen könnten. Eine Pauschalierung durch eine konkrete Kilometergrenze hielt der Senat eher für ungeeignet und schlug die Bewertung der Zumutbarkeit durch eine an den konkreten örtlichen Verhältnissen orientierte individuelle Gesamtprüfung vor. Auch die Frage ob das Kind zu Fuß, mit dem Auto oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Betreuungsort verbracht würde, müsse bei der Entscheidung berücksichtigt werden.

Fazit:

Die bestehende Rechtslage gewährt nach der Entscheidung des OVG für unter drei Jahre alte Kinder zwar einen Anspruch auf Betreuung aber keinen unbedingten Anspruch auf einen Kitaplatz.

(OVG Münster, Beschluss v. 14.08.2013, 12 B 793/13). 


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