Pflichtteilsentziehung muss im Testament angeordnet werden
In dem vorliegenden Fall hatte der kinderlose Erblasser seine Ehefrau testamentarisch als Alleinerbin eingesetzt. Als dieser im Mai 2016 verstarb, verlangte dessen Vater von der Witwe Auskunft und Wertermittlung hinsichtlich mehrerer Immobilien des Erblassers sowie Zahlung seines Pflichtteilsanspruchs.
Hatte der Vater den Pflichtteil wegen Misshandlungen verwirkt?
Die Witwe vertrat die Auffassung, dass der Vater seinen Pflichtteil verwirkt habe, da er seinem Sohn als Kind nicht genügend Unterhalt geleistet und ihn fortwährend gedemütigt, misshandelt und geschlagen habe. Als sein Sohn 14 Jahre alt war, habe er ihn aus dem Haus gejagt. Zudem habe er ihn mit bedingtem Tötungsvorsatz mit einem Schraubenzieher angegriffen und Gelder des Erblassers veruntreut.
Testament regelte Alleinerbe der Ehefrau, aber keine Pflichtteilentziehung
Deshalb habe der Erblasser auch stets geäußert, dass sein Vater von ihm nichts bekommen werde. Bei der Errichtung seines Testaments im Jahr 1985 sei der Erblasser irrtümlich davon ausgegangen, dass die alleinige Erbeinsetzung der Ehefrau genügen würde, um den Vater vollständig vom Nachlass auszuschließen, so die Witwe.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth gab dem Auskunfts- sowie des Wertermittlungsantrags des Vaters statt, da ihm grundsätzlich ein Pflichtteilsrecht zustehe. Dieses habe er weder verloren noch verwirkt, da der Erblasser eine Pflichtteilsentziehung entgegen § 2336 Abs. 1 BGB nicht letztwillig verfügt habe, so das erstinstanzliche Gericht.
Entziehung verfassungsgemäß geschützten Pflichtteils muss zwingend im Testament angeordnet sein
Auch die hiergegen eingelegte Berufung half der Witwe nicht. Das OLG Nürnberg bestätigte die erstinstanzliche Auffassung in seinem Hinweisbeschluss und legte der Witwe nahe, die Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen. Da eine letztwillige Verfügung des Erblassers hinsichtlich der Entziehung des Pflichtteils unstreitig nicht bestehe, sei es unerheblich, ob der Erblasser in anderer Form seinen Willen kundgetan habe, dass sein Vater vom Nachlass nichts mehr bekommen solle bzw. ob pflichtteilschädliche Handlungen gem. § 2333 BGB vorlägen.
Das Landgericht habe zutreffend ausgeführt, dass der Ausschluss von Ansprüchen aus dem verfassungsmäßig (Art. 14 Abs. 1 GG) geschützten und nicht frei entziehbaren Pflichtteilsrecht wegen Verfehlungen gegenüber dem Erblasser durch die Rechtsinstitute der Pflichtteilsentziehung und Pflichtteilsunwürdigkeit gesetzlich abschließend geregelt seien.
Darüber hinaus liege auch im vorliegenden Fall kein Grund der Pflichtteilsunwürdigkeit gem. § 2345 Abs. 2 BGB vor. Der Vortrag der Beklagten hinsichtlich eines Tötungsversuchs sei unbeachtlich, da dieser ohne Substanz sei und auch nicht unter Beweis gestellt wurde, so das OLG Nürnberg.
(OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss v. 4.01.2018, 2 U 1668/17).
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Auch bei enterbtem Sohn besteht ein Pflichtteilsanspruch des Enkels
Hintergrund:
Enterben / Pflichtteilsentziehung / Pflichtteilsverzicht
Häufig errichten Erblasser ein Testament und bestimmen, dass ein gesetzlicher Erbe enterbt werden soll, also nichts bekommen soll. Sie verkennen oft, dass die betroffene Person, falls sie zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen gehört, dennoch einen Pflichtteilsanspruch geltend machen kann. Die gesetzliche Regelung ist allerdings klar: Enterben bedeutet nur den Ausschluss von der gesetzlichen Erbfolge (§ 1938 BGB). Dieser Ausschluss von der gesetzlichen Erbfolge löst gerade das Pflichtteilsrecht aus.
Weiter geht die Entziehung des Pflichtteils: Der Pflichtteil kann nur beim Vorliegen besonderer Gründe entzogen werden (§§ 2333 ff. BGB). Beispiele sind schwere Straftaten gegen den Erblasser und dessen nahe Angehörige, also etwa ein Mordversuch, aber auch eine schwere Körperverletzung und eine sonstige Körperverletzung, die eine schwere Verletzung der geschuldeten Achtung darstellt (Pietätsverletzung).
Hinzu kommen muss der Nachweis von dieser Tat und der Umstand, dass sie dem Betroffenen nicht verziehen wurde. Auch die böswillige Verletzung der Unterhaltspflicht rechtfertigt die Entziehung des Pflichtteils. Familiäre Zerwürfnisse und der bloße Abbruch der Kontakte reichen für eine Pflichtteilsentziehung dagegen nicht aus.
Verzicht: Kein Pflichtteil steht einer Person zu, die zu notarieller Urkunde auf ihr Erbrecht oder ihren Pflichtteil verzichtet hat (§ 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB). Durch einen Erbverzicht fällt der Berechtigte weg, dadurch erhöht sich die Pflichtteilsquote der verbliebenen Pflichtteilsberechtigten.
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