Kein Menschenrecht auf Scheidung - sagt der Menschenrechtsgerichtshof
In dem von dem Straßburger Gericht zu entscheidenden Fall wollte sich ein Pole von seiner Frau scheiden lassen, um seine langjährige Lebensgefährtin heiraten zu können, mit welcher er schon eine elfjährige Tochter hat.
Ehefrau stimmte der Scheidung nicht zu
Seine Frau stimmte der Scheidung trotz der langen Trennung nicht zu, da sie ihn angeblich noch immer liebe und sich mit ihm versöhnen wolle. Daraufhin klagte der Mann vor einem polnischen Gericht in Lublin.
- Zwar stellte das Gericht die Zerrüttung der Ehe fest,
- eine Auflösung der Ehe kam nach polnischem Recht jedoch nicht in Frage.
Nach polnischem Recht ist eine Scheidung unzulässig, wenn sie von dem Ehegatten gefordert wird, der an der Zerrüttung der Ehe allein schuld ist und der andere Ehepartner der Scheidung nicht zustimmt (Art.56 § 3 KRO).
In Polen gilt noch das Verschuldensprinzip
Eine Ausnahme ist nur möglich, wenn die Zustimmungsverweigerung gegen die Grundsätze des gesellschaftlichen Zusammenlebens verstößt, beispielsweise, wenn der Ehepartner die Zustimmung aus Hass oder Rache verweigert.
Ähnliche Regelungen wie in Polen gibt es aufgrund des gesellschaftlichen Wandels in Europa nur noch selten. In Deutschland wurde das Ehe- und Familienrecht bereits in den 70-igern den gesellschaftlichen Verhältnissen angepasst und das Verschuldensprinzip abgeschafft. Spätestens nach drei Jahren kann hier die Ehe auch gegen den Willen des Ehepartners geschieden werden.
EGMR: Grundrechte auf Ehe und Familie nicht verletzt
Auch die EGMR-Richter konnten dem untreuen Ehemann nicht weiterhelfen.:
- Nach deren Auffassung gebe es kein Recht auf Scheidung, welches die polnischen Behörden verpflichten würde, eine Auflösung der Ehe zu akzeptieren.
- Die polnische Vorschrift verletzte ihn daher auch nicht in seinen Grundrechten aus Art. 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) und Art. 12 EMRK (Recht auf Eheschließung),
urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Das polnische Scheidungsrecht kann als Schutz des schwächeren Partners angesehen werden.
(EGMR, Urteil v. 10.01.2017, 1955/10).
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Hintergrund:
In Deutschland hat das erste EheRG vom 14.6.1976 mit Wirkung ab 1.7.1977 an Stelle des Verschuldensprinzips das Zerrüttungsprinzip in das Scheidungsrecht eingeführt. Eine Ehe konnte von nun an geschieden werden, wenn sie gescheitert war, unabhängig davon, aus welchen Gründen dies geschah. Dem bis dahin geltenden Recht war die einverständliche Scheidung unbekannt. Im gegenseitigen Einvernehmen konnten Ehegatten die gerichtliche Auflösung ihrer Ehe nur dadurch erreichen, dass sie sich über die vorzutragenden Eheverfehlungen absprechen und dem Gericht einen – häufig fingierten – Auszug aus ihrem Eheleben vortragen (Konventionalscheidung).
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