Europäische Güterrechtsverordnungen gelten seit 29.1.2019

Im Güterrecht gab es zum 29.1.2019 einschneidende Änderungen. Zwei neue EU-Verordnungen gelten nun unmittelbar. Sie sind in der Beratungspraxis und bei der Vertragsgestaltung  zu beachten. Ziel war es, im Scheidungsfall  von Ehegatten und Lebenspartnern mit internationalem Bezug, die sehr komplexen Regelungen zur Gerichtszuständigkeit und anwendbarem Recht zu vereinfachen.

Ab dem 29. Januar gelten als unmittelbar anwendbares Recht zwei vom Rat der Europäischen Union beschlossene Güterrechtsverordnungen:

  • die Verordnung (EU) 2016/1103 zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstandes (EuGüVO) und
  • die Verordnung (EU) 2016/1104 über die güterrechtlichen Wirkungen eingetragener Partnerschaften (EuPartVO).

Neue Güterrechtsverordnungen ersetzen nationale Bestimmungen

Die EU-Verordnungen 2016/1103 und 2016/14 enthalten Regelungen

  • zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit von Gerichten
  • und des anwendbaren Rechts
  • sowie zur Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

und verdrängen damit weitestgehend die nationalen Bestimmungen.

Durch die Neuregelungen soll bei den immer häufiger werdenden Ehepaaren / Lebenspartnern mit internationalem Bezug im Scheidungsfall die Vermögensverwaltung und -auseinandersetzung erleichtert werden.

An der Neuordnung des EU-Güterrechts teilnehmende Mitgliedsstaaten

An den beiden Verordnungen nehmen folgende Mitgliedsstaaten teil:

Belgien, Bulgaren, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden, Slowenien, Spanien und Tschechien. Zypern ist im März 2016 der Staatengruppe beigetreten.

Die beiden Verordnungen werden somit zunächst in 18 Mitgliedsstaaten Anwendung finden. Die nicht teilnehmenden Mitgliedsstaaten sind wie Drittstaaten zu behandeln.

Anwendungsbereich der Güterrechtsverordnungen

Anwendbar sind die Verordnungen in zeitlicher Hinsicht gem. Art. 69 Abs. 1 EuGüVO/EuPartVO nur auf solche Verfahren, öffentliche Urkunden und gerichtliche Vergleiche, die ab dem 29.1.2019

  • eingeleitet,
  • förmlich errichtet oder eingetragen
  • bzw. gebilligt oder geschlossen worden sind.

Bei Verfahren, die vor dem 29.1.2019 in den teilnehmenden Mitgliedsstaaten eingeleitet worden sind und deren Entscheidungen nach dem 29.1.2019 ergehen, erfolgt die Anerkennung und Vollstreckung nach den neuen Verordnungen, soweit die angewandten Zuständigkeitsvorschriften mit den neuen Regelungen übereinstimmen, Art. 69 Abs. 2 EuGüVO/EuPartVO.

Im Hinblick auf das anzuwendende materielle Recht, gelten die Verordnungen nur für Ehegatten/Partner, die ihre Ehe nach dem 29.1.2019 eingegangen sind bzw. die Partnerschaft nach dem 29.1.2019 haben eintragen lassen oder eine Rechtswahl hinsichtlich des auf ihren Güterstand anzuwendenden Rechts getroffen haben, Art. 69 Abs. 3 EuGüVO/EuPartVO.

In sachlicher Hinsicht erfasst der europäische Güterrechtsbegriff sämtliche vermögensrechtlichen Regelungen, die zwischen den Ehegatten und in ihren Beziehungen zu Dritten aufgrund der Ehe oder der Auflösung der Ehe gelten. Entsprechendes gilt für eingetragene Partnerschaften. Laut der unselbständigen Kollisionsnormen der Art. 27 EuGüVO/EuPartVO umfasst dies:

  • die konkrete Ausgestaltung des Güterstandes,
  • Haftungsfragen zwischen Ehegatten/Partnern,
  • Fragen der Vermögensverwaltung,
  • die güterrechtliche Auseinandersetzung, insbesondere infolge der Trennung oder des Todes,
  • die materielle Wirksamkeit eines Ehevertrages.

Aus deutscher Sicht unterfallen den Verordnungen somit alle vermögensbezogenen Regelungen in den §§ 1353 ff. BGB. Zukünftig wird auch das Nebengüterrecht, darunter die Frage nach einer Ehegatteninnengesellschaft sowie unbenannte Zuwendungen güterrechtlich zu qualifizieren sein.

Bestimmung des Gerichtsstandes nach den Güterrechtsverordnungen

Die Güterrechtsverordnungen knüpfen die Zuständigkeit des Gerichts zunächst an bereits eingeleitete Nachlass- oder Ehesachen, sog. akzessorischer Gerichtsstand.

Bei Anrufung eines Gerichts eines Mitgliedsstaates nach der EuErbVO im Zusammenhang mit dem Tod eines Ehegatten/Partners, ist dieses Gericht gem. Art. 4 EuGüVO/EuPartVO auch für sämtliche güterechtlichen Fragen in Verbindung mit diesem Nachlass zuständig.

Bei Anhängigmachung einer Ehesache nach Art. 3 Brüssel IIa-VO (Scheidung, Ungültigerklärung einer Ehe oder Trennung) ist das Gericht des angerufenen Mitgliedsstaates gem. Art. 5 Abs. 1 EuGüVO/EuPartVO auch für Fragen des ehelichen Güterstands, insbesondere der güterrechtlichen Scheidungsfolgen zuständig.

Die Zuständigkeit für die güterrechtlichen Konsequenzen bei Auflösung oder Ungültigerklärung einer eingetragenen Partnerschaft richtet sich gem. Art. 5 EuPartVO nach mitgliedsstaatlichem Verfahrensrecht, hier § 103 Abs. 1 FamFG, sofern die Partner die akzessorische Zuständigkeit vereinbaren.

Soweit kein akzessorischer Gerichtsstand nach Art. 4 oder 5 EuGüVO/EuPartVO eröffnet ist, richtet sich die internationale Zuständigkeit nach Art. 6 EuGüVO/EuPartVO. Danach ist in erster Linie der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten/Partner maßgeblich. Ist ein solcher nicht gegeben, wird an den letzten gemeinsamen, aber für einen der Ehegatten/Partner noch aktuellen gewöhnlichen Aufenthalt angeknüpft. Ist auch dieser nicht gegeben, greift der gewöhnliche Aufenthalt des Antragsgegners oder andernfalls die gemeinsame Staatsangehörigkeit.

Zuständigkeit durch Einlassung oder Gerichtsstandsvereinbarung

Liegt keine gerichtliche Zuständigkeit nach den Art. 4, 5 EuGüVO/EuPartVO vor oder erklärt sich ein Gericht für unzuständig, können die Parteien mittels formgebundener Gerichtsstandsvereinbarung unter den Voraussetzungen des Art. 7 EuGüVO/EuPartVO einen ausschließlichen Gerichtsstand wählen.

Zudem ist es nach Art. 8 EuGüVO/EuPartVO – mit Ausnahme der Fälle des Art. 4 und Art. 5 Abs. 1 - möglich, eine gerichtliche Zuständigkeit durch rügelose Einlassung des Beklagten zu begründen. Die rügelose Einlassung setzt eine Gerichtsstandsvereinbarung außer Kraft und begründet nicht nur die internationale Zuständigkeit im Forumsstaat, sondern auch die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts.

Subsidiäre Zuständigkeit  

Wenn kein Gericht eines Mitgliedsstaats nach den Art. 4, 5, 6, 7 oder 8 EuGüVO/EuPartVO zuständig ist oder alle Gerichte sich nach Art. 9 Abs. 1 EuGüVO/EuPartVO für unzuständig erklären oder kein Gericht nach Art. 9 Abs. 2 EuGüVO/EuPartVO zuständig ist, gewährt Art. 10 EuGüVO/EuPartVO eine subsidiäre Zuständigkeit in dem Staat, in welchem einer oder beide Ehegatten unbewegliches Vermögen haben. Die Zuständigkeit beschränkt sich allerdings auf das im Forumsstaat belegene Vermögen.

Ist auch keine Zuständigkeit nach Art. 10 EuGüVO/EuPartVO gegeben, können die Gerichte in den teilnehmenden Mitgliedsstaaten ausnahmsweise über den ehelichen Güterstand/die güterrechtlichen Wirkungen der eingetragenen Partnerschaft entscheiden.

Die Sache muss dafür eine ausreichende Verbindung zu dem Mitgliedsstaat des angerufenen Gerichts aufweisen, wobei die Staatsangehörigkeit einer Partei ausreichend sein soll. Weitere Voraussetzung ist, dass die Führung oder die Einleitung eines Verfahrens in einem Drittstaat, zu dem die Sache einen engen Bezug hat, nicht zumutbar ist oder sich als unmöglich erweist.

Anwendbares Recht für Güterrechtssachen

Folgende Rechtsordnungen stehen Ehegatten/eingetragenen Partnern nach Art. 22 EuGüVO/EuPartVO zur Wahl:

  • das Recht des Staates, in dem zum Zeitpunkt der Rechtswahl einer der Ehegatten/Partner ihren/seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder
  • das Recht des Staates, dem zum Zeitpunkt der Rechtwahl einer von ihnen angehört.

Bei eingetragenen Lebenspartnern steht die Rechtswahl unter dem Vorbehalt, dass das gewählte Recht güterrechtliche Wirkungen an das Institut der der eingetragenen Partnerschaft knüpft.

Eingetragenen Lebenspartnerschaften steht – im Gegensatz zu Ehegatten – eine erweiterte Rechtswahlmöglichkeit zur Verfügung: sie können nach Art. 22 Abs. 1 lit. c) EuPartVO das Recht des Staates wählen, nach dessen Recht die Partnerschaft begründet wurde.

Haben die Ehegatten keine bzw. keine wirksame Rechtswahl getroffen, bestimmt sich das anwendbare Recht gem. Art. 26 EuGüVO in folgender Reihenfolge:

  • das Recht des Staates, in dem die Ehegatten nach der Eheschließung ihren ersten gemeinsamen Aufenthalt haben, andernfalls
  • das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung besitzen oder andernfalls
  • das Recht des Staates, mit dem die Ehegatten unter Berücksichtigung aller Umstände zum Zeitpunkt der Eheschließung gemeinsam am engsten verbunden sind.

Wurde bei eingetragene Partnerschaften keine bzw. keine wirksame Rechtswahl getroffen, bestimmt sich das anwendbare Güterrecht gem. Art. 26 Abs. 1 EuPartVO nach dem Recht des Staates, nach dessen Recht die eingetragene Partnerschaft begründet wurde. Nur ausnahmsweise kann das für Fragen des Güterrechts zuständige Gericht, auf Antrag eines Partners gem. Art. 26 Abs. 2 EuPartVO das Recht des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsstaates für anwendbar erklären, sofern dieses Recht güterrechtliche Wirkungen an das Institut der Partnerschaft knüpft.

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