Wichtige Besonderheiten für letztwillige Verfügungen:

Was ist nach geändertem Recht für die Erstellung einer letztwilligen Verfügung bei länderübergreifenden Rechtsfällen zu beachten?

  • Gemäß Art. 27 der Verordnung gelten für die Formgültigkeit einer Verfügung von Todes wegen besondere Regelungen. Grundsätzlich gültig ist die Verfügung, wenn sie das Recht des Staates beachtet, in dem die Verfügung erstellt wird.
  • Wechselseitige Verfügungen von Ehegatten und eingetragene Lebenspartnern, die nach deutschem Recht als gemeinschaftliches Testament einzuordnen wären, sind nach der EU-ErbVO als Erbvertrag zu qualifizieren. Dies gilt auch dann, wenn nur ein Ehegatte bzw. Lebenspartner eine verbindliche letztwillige Verfügung abgibt.
  • Gemeinschaftliche Testamente sind aber ebenfalls weiterhin möglich nach dem Haager Übereinkommen, das weiterhin seine Rechtsgültigkeit behält. 

Wichtig: Für eine vor dem 17.8.2015 getroffene Rechtswahl durch letztwillige Verfügung gilt grundsätzlich Bestandsschutz. D.h., die letztwillige Verfügung eines deutschen Staatsangehörigen, die vor dem 17.8.2015 zulässig und rechtswirksam war, bleibt dies auch nach dem 17.8.2015.

Anerkennung und Vollstreckbarkeit von Entscheidungen

Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen werden gemäß Art. 39 in anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedürfte. Entsteht über die Anerkennung Streit, so kann jede Partei, die die Anerkennung geltend macht, einen Feststellungsantrag bei Gericht einreichen. Nicht anzuerkennen ist die Entscheidung nur dann, wenn

  • die Anerkennung der öffentlichen Ordnung eines Mitgliedstaats offensichtlich widersprechen würde (Ordre Public-Vorbehalt);
  • einem Beklagten ein verfahrenseinleitender Schriftsatz oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht rechtzeitig zugestellt wurde;
  • die Entscheidung unvereinbar ist mit einer anderen, in dem Mitgliedstaat getroffenen Entscheidung.

Öffentliche Urkunden und Vergleiche werden ebenfalls anerkannt

Die Regeln zur Anerkennung und Vollstreckbarkeit gelten grundsätzlich auch für öffentliche Urkunden und gerichtliche Vergleiche.

Vollstreckbarkeitserklärungen  i.d.R. ohne umständliche Prüfungen

Die Vollstreckung setzt grundsätzlich eine Vollstreckbarkeitserklärung voraus. Örtlich zuständig für die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit ist das Gericht am Wohnsitz des Vollstreckungsgegners. Vollstreckbarkeitserklärungen sind im übrigen grundsätzlich ohne weitere inhaltliche Prüfung zu erteilen, Art. 48 EU-ErbVO. Gegen die Entscheidungen über die Vollstreckbarkeit sind grundsätzlich Rechtsbehelfe möglich, Art. 50 EU-ErbVO.

Unklarheiten im Sachenrecht

Mit Einführung der EU-ErbVO entstehen einige regelungsbedürftige, bisher nicht bedachte Fragen. So ist nach der jetzigen Regelung unklar, ob in Deutschland nach der EU-ErbVO bei der Vererbung eines Grundstücks das Eigentum mit dem Tod des Erblassers sofort dinglich auf den Erben oder Vermächtnisnehmer übergeht oder ob hierzu eine Auflassung und Eintragung ins Grundbuch erforderlich ist.

Stärkerer Ausschluss von Pflichtteilsberechtigten möglich?

Mit der Möglichkeit einer Rechtswahl ist es künftig für Erblasser grundsätzlich möglich, nicht genehmen Verwandte möglicherweise von der Erbschaft in größerem Umfange auszuschließen als dies nach deutschem Recht zulässig wäre. Ob zum Beispiel der nach ausländischem Recht zulässige weitgehende Ausschluss eines nach deutschem Recht Pflichtteilsberechtigten dem deutschen ordre public widersprechen würde, ist eine interessante, bisher nicht beantwortete Frage.

Wichtige Ausnahmen vom Geltungsbereich

Die ganz große Einigkeit konnten die europäischen Staaten bei der Beschlussfassung zur EU-ErbVO nicht herstellen. Eine nicht ganz unbedeutende Lücke bleibt. Die EU-ErbVO gilt nicht in Dänemark, Irland und Großbritannien, ansonsten in allen europäischen Staaten.

Besonderheiten zwischen Deutschland und der Türkei

Die EU-ErbVO gilt grundsätzlich nicht für die Türkei. Da auch die Türkei sich bei Rentnern immer größere Beliebtheit für die Verbringung ihres Lebensabends erfreut und viele deutsche Staatsbürger türkische Wurzeln haben und Vermögenswerte in der Türkei besitzen, spielen Erbfälle, die zugleich türkisches und deutsches Recht berühren, in der Praxis eine große Rolle. Zwischen der Türkei und Deutschland existiert ein besonderes binationales Abkommen, das „Deutsch-Türkische-Nachlassabkommen“. Dieses geht vom Grundsatz der Nachlasseinheit aus, unterscheidet aber zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen. Hiernach gilt im Grundsatz

  • für die Vererbung von Immobilien das Recht der Belegenheit der Sache, also das Erbrecht des Staates, in dem die Immobilie liegt,
  • für mobile Sachgüter gilt das Erbrecht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser zum Zeitpunkt des Todes hatte.

Gemäß Art. 75 EU-ErbVO bleiben staatsvertragliche Nachlassvereinbarungen von der Verordnung unberührt.

Vgl. auch:

Das abgetauchte Testament

Wer bestimmt, was nach dem Lebensende geschieht? Rechtsfragen zur Totenfürsorge

Schlagworte zum Thema:  Testament, Vollstreckung, Erbrecht