Eheliche Lebensverhältnisse prägen nachehelichen Unterhalt
Einmal Chefarztgattin, immer Chefarztgattin - das gilt so nicht mehr. Trotzdem soll nach dem Gesetz (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB) eine Scheidung möglichst keine gesellschaftliche Bruchlandung bewirken. Darum orientieren sich die Unterhaltsansprüche bei Vorliegen sonstiger Voraussetzungen an den ehelichen Verhältnissen.
Prägende Einkommen während der intakten Ehe
Zur Berechnung des Unterhaltsanspruchs muss zunächst festgestellt werden, welches prägende Einkommen während der intakten Ehe vorhanden war. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH werden die ehelichen Lebensverhältnisse nicht nur durch Erwerbseinkünfte geprägt, sondern ebenso durch Kapital- und andere Vermögenserträge sowie sonstige wirtschaftliche Nutzungen, soweit diese den Eheleuten zur Verfügung standen.
Das sind insbesondere die Erwerbseinkommen, Kapitalerträge, Renteneinkünfte, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, der Nutzwert einer selbst genutzten Wohnung und ein Geldwert von Versorgungsleistungen. Für die ehelichen Lebensverhältnisse trägt der Anspruchsteller die Beweislast.
Was bleibt außen vor?
Nicht zu berücksichtigen sind freiwillige Leistungen Dritter und grundsätzlich auch eine Vermögensbildung. Bei im Ausland lebenden Unterhaltsberechtigten ist der Kaufkraftunterschied zu beachten, und zwar auch in Ländern, die einheitlich den Euro als Zahlungsmittel haben.
Abzugsposten
Abzuziehen sind Steuern, Sozialversicherungsbeiträge, der Kindesunterhalt, wenn er bereits während der Ehe für den Unterhalt der Ehegatten nicht zur Verfügung stand, sowie Schulden im Rahmen einer nach objektiven Maßstäben zu beurteilenden vernünftigen Lebensführung (Zins- und Tilgungsleistungen).
Einfluss nachehelicher Entwicklungen
Bei der Bemessung des nachehelichen Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen sind spätere Änderungen des verfügbaren Einkommens unabhängig davon, wann sie eingetreten sind und ob es sich um Minderungen oder Verbesserungen handelt, zu berücksichtigen.
Auch nacheheliche Einkommenssteigerungen wirken sich daher auf die Bedarfsbemessung nach den ehelichen Lebensverhältnissen aus, wenn sie auch bei fortbestehender Ehe eingetreten wären oder in anderer Weise in der Ehe angelegt und mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten waren (BGH, Urteil v. 7.12.2011, XII ZR 151/09). Es sind grundsätzlich nur solche Steigerungen des verfügbaren Einkommens zu berücksichtigen, die schon in der Ehe absehbar waren.
Hierzu gehören die normalen Lohn- und Gehaltssteigerungen, die Regelbeförderung beim Beamten, der Eintritt in den Ruhestand und der Wegfall von Raten für einen Kredit aufgrund der bereits vereinbarten Tilgungsdauer.
Karrieresprungs ist unterhaltsrechtlich unbeachtlich: Nicht beachtlich für den Unterhalt ist einen Einkommenszuwachs infolge eines Karrieresprungs gilt (BGH, Urteil v. 17.12.2008, XII ZR 9/07).
Zwei Unterhaltpflichtige (Ex-)gatten
Besteht eine Unterhaltspflicht sowohl gegenüber einem geschiedenen als auch gegenüber einem neuen Ehegatten, ist auf Grundlage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25.1.2011 (1 BvR 918/10) der Bedarf des geschiedenen Ehegatten allein auf der Grundlage der Einkünfte des geschiedenen Ehegatten und des Unterhaltsschuldners zu ermitteln, welche die geschiedene Ehe geprägt haben (OLG Zweibrücken, Beschluss v. 28.10.2011, 2 UF 68/11).
Systemwechsel des BGH
Damit wurde die von 2008 (aufgrund der Unterhaltsreform) bis dahin von den Familiengerichten angewandte Dreiteilungsmethode (Systemwechsel des BGH) für die Zukunft als verfassungswidrig angesehen.
Für Unterhaltstitel, die nicht Gegenstand dieses Verfassungsbeschwerdeverfahrens waren, folgt eine auf die Zukunft beschränkte Rechtsfolgenwirkung aus § 323 Abs. 3 ZPO bzw. § 238 Abs. 3 FamFG. In Einzelfällen konnte die Entscheidung des BVerfG grundsätzlich ein Abänderungsgrund für abgeschlossene Unterhaltsverfahren sein.
Keine Berücksichtigung des Unterhalts für neuen Ehegatten des Pflichtigen
Die Unterhaltspflichten für neue Ehegatten sowie für nachehelich geborene Kinder und den dadurch bedingten Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB sind nicht bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs eines geschiedenen Ehegatten nach § 1578 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen BGH (Urteil v. 7.12.2011, XII ZR 151/09).
Vgl. zu dem Thema:
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