BGH Ausgleich ehebedingter Nachteile beim nachehelichen Unterhalt

Gibt ein Ehepartner während der Ehe seinen Arbeitsplatz auf, um sich besser der Kindererziehung widmen zu können, so ist dieser Berufsnachteil im Rahmen des nachehelichen Unterhalts zu berücksichtigen.

Während der Ehe arbeiteten die Eheleute im gleichen Betrieb mit etwa gleichen Karrierechancen. Als die gemeinsame Tochter eingeschult wurde, wechselte die Ehefrau zum Zwecke der besseren Versorgung ihres Kindes zu einem der Schule der Tochter wesentlich näher gelegenen Arbeitsplatz. Hierdurch erlitt sie allerdings nicht unerhebliche Einkommenseinbußen. Nach zwischenzeitlicher Arbeitslosigkeit und Scheidung der Ehe geht die Ehefrau wieder einer vollzeitigen Arbeit nach. Ihr Verdienst liegt allerdings deutlich unter dem Niveau, das sie hätte erzielen können, wenn sie ihre Karriere bei dem ursprünglichen Arbeitgeber nicht aufgegeben hätte. Die Gerichte hatten daher zu klären, ob ihr unter diesen Umständen ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt zusteht. 

Herabsetzung und Begrenzung des Unterhalts bei Unbilligkeit

Das Familiengericht setzte den nachehelichen Unterhalt der geschiedenen Ehefrau zunächst betragsmäßig herab und begrenzte die Unterhaltszahlung zeitlich auf Dezember 2014. Das OLG sprach ihr demgegenüber den vollen Unterhalt für unbegrenzte Dauer zu. Dem folgte der BGH und verwies hierbei auf die Vorschrift des § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB. Hiernach könne der Unterhalt nur dann herabgesetzt oder zeitlich begrenzt werden, wenn die unbegrenzte Unterhaltszahlung für den Unterhaltsverpflichteten unbillig wäre. Die Herabsetzung oder zeitliche Befristung sei nach dieser Vorschrift ausgeschlossen, wenn der Unterhaltsberechtigte infolge ehebedingter Nachteile an der Erzielung eines angemessenen Einkommens gehindert sei.

Errechnung des Nachteils nach der Differenzmethode

Nach Auffassung des BGH bestimmt sich der Maßstab des angemessenen Lebensbedarfs der Ehefrau nach dem Einkommen, das sie ohne ihren Arbeitsplatzwechsel zur Verfügung hätte. Zur Bemessung des ehebedingten Nachteils habe der Tatrichter entsprechende Feststellungen zum angemessenen Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten und zu dem Einkommen zu treffen, das der Unterhaltsberechtigte tatsächlich erzielt. Nach ständiger Rechtsprechung ergebe die Differenz aus diesen beiden Positionen die Höhe des ehebedingten Nachteils (BGH, Urteil v. 20.10.2010, XII ZR 53/09). 

Entscheidend ist die praktizierte Rollenverteilung

Ehebedingte Nachteile entstehen nach Auffassung des BGH in der Regel dann, wenn ein Ehegatte sich entschließt, seinen Arbeitsplatz aufzugeben oder zu ändern, um die Haushaltsführung und Kinderbetreuung zu übernehmen. Ob diese Rollenverteilung bereits bei Beginn der Ehe oder später praktiziert werde, sei nicht entscheidend (BGH, Urteil vom 16.2.2011, XII ZR 108/09). Hierbei komme es auch nicht etwa darauf an, dass der andere Ehegatte möglicherweise mit der Aufgabe des Berufes nicht einverstanden gewesen sei. Entscheidend sei allein die tatsächliche Gestaltung des Zusammenlebens 

Der Unterhaltsberechtigte trägt die sekundäre Darlegungslast

Ausdrücklich wies der BGH darauf hin, dass grundsätzlich der Unterhaltsverpflichtete, der eine Begrenzung des Unterhalts geltend macht, darzulegen habe, dass ehebedingte Nachteile nicht entstanden seien. Jedoch treffe den Unterhaltsberechtigten die sekundäre Darlegungslast mit dem Inhalt, die Umstände für die eingetretenen Nachteile plausibel darzulegen und dem Tatrichter eine Berechnung der Differenz zwischen dem potenziellen und dem tatsächlichen Einkommen zu ermöglichen (BGH, Urteil v. 11.7.2012, XII ZR 72/10). Dieser sekundären Darlegungslast ist die geschiedene Ehefrau im anhängigen Fall nach Auffassung des BGH gerecht geworden. Ihr Vorbringen, dass sie bei Beibehaltung des ursprünglichen Arbeitsplatzes ein Einkommen in ähnlicher Höhe wie ihr Ehemann hätte erzielen können, sei ohne weiteres nachzuvollziehen. Sie habe ihre Erwerbstätigkeit umgestaltet, um ihre Tochter besser betreuen zu können. Damit habe sie zum Wohl ihres Kindes eine Rollenverteilung angestrebt, die ihr eine angemessene Kindesbetreuung ermöglicht hätten. Durch diesen ehebedingten „Karriereknick“ erleide sie nachhaltige Einkommenseinbußen. Durchschlagende Argumente hiergegen, habe der geschiedene Ehemann nicht vorgebracht. Das OLG habe daher zu Recht von einer Herabsetzung und Begrenzung des Unterhalts gemäß § 1579 b BGB abgesehen.

Ergebnis: Der Ehemann muss auf lange Sicht Unterhalt zahlen.

(BGH, Urteil v. 13.3.2013, XII ZB 650/11)

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