Auch ein Kleinkind darf für Ferienwochen zum Umgangsberechtigten

Übernachtungs- und Ferienumgangskontakte entsprechen auch bei einem Kleinkind dem Kindeswohl. Dies gilt auch, wenn die Eltern des Kindes 100 km von einander entfernt wohnen und sich nicht gut verstehen. Ist die Elternbeziehung nicht spannungsfrei, ist ein zweiwöchiger Sommerferienumgang ausreichend und angemessen.

Im entschiedenen Fall stritten zwei getrenntlebende, sorgerechtsberechtigte Eltern erbittert um das Umgangsrecht hinsichtlich ihrer zwei Jahre alten Tochter. Das Kind lebte bei der Mutter. Der Vater strebte ein umfangreiches Umgangsrecht mit Übernachtungsmöglichkeiten sowie ein zweiwöchiges Umgangsrecht für die Sommerferien an.

Zwei Wochen Sommerferienumgang auch bei Kleinkindern

Das Saarländische OLG gewährte dem Kindesvater weitgehend die angestrebten Umgangsrechte. Rechtlicher Ausgangspunkt der Entscheidung war § 1684 Abs. 1 BGB als Ausgestaltung des nach Art. 6 GG geschützten Rechtes eines jeden Elternteils auf Umgang mit seinem Kind.

  • Das OLG betonte, das Umgangsrecht sei Ausdruck des natürlichen Elternrechts.
  • Es ermögliche dem umgangsberechtigten Elternteil, sich von dem körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung durch Augenschein und gegenseitige Ansprache fortlaufend zu überzeugen,
  • die verwandtschaftlichen Beziehungen zu dem Kind aufrecht zu erhalten
  • und einer Entfremdung vorzubeugen.

Kriterien für den Umfang des Umgangsrechts

Bei Uneinigkeit der Eltern über die Art und den Umfang des Umgangsrechts haben die Gerichte die Aufgabe - so das OLG -, sich um eine Konkordanz der Grundrechte der verschiedenen Beteiligten zu bemühen (Saarländisches OLG, Beschluss v.  23.1. 2013, 6 UF 20/13). Maßgebliche Kriterien hierbei seien unter permanenter Berücksichtigung des Kindeswohls

  • die Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten,
  • die psychische Belastbarkeit des Kindes,
  • die bisherige Intensität seiner Beziehungen zum Umgangsberechtigten,
  • die Vertrautheit mit diesem,
  • die räumliche Entfernung der Eltern voneinander,
  • die Interessen und Stabilität der Bindungen von Kind und Eltern,
  • die persönliche und berufliche Situation des Umgangsberechtigten,
  • seine Wohnsituation,
  • die Entwicklung und der Gesundheitszustand des Kindes,
  • das Konfliktniveau der Eltern.

Übernachtungen beim Umgangsberechtigten entsprechen dem Kindeswohl

Soweit keine gewichtigen Gründe entgegenstünden, entspreche die Einräumung von Übernachtungen des Kindes beim umgangsberechtigten Elternteil auch bei einem Kleinkind grundsätzlich dem Kindeswohl (→ Übernachtungen beim Kindesvater entsprechen dem Kindeswohl). Die hiermit verbundenen längeren Aufenthalte seien grundsätzlich geeignet,

  • die Beziehung des Kindes zum umgangsberechtigten Elternteil zu festigen
  • und dazu beizutragen, dass dieser vom Kind nicht ausschließlich als Sonntags-Elternteil erlebt wird.

Das bloße Alter eines Kindes sei grundsätzlich kein maßgebliches Kriterium für den Umfang des Umgangsrechts, auch bei möglichen Elternkonflikten. Auch jüngeren Kindern diene es nicht, ihnen durch ein reduziertes Umgangsrecht jeglichen Kontakt mit möglichen familiären Auseinandersetzungen zu ersparen und sie von der familiären Realität fernzuhalten.

Ferienumgang über Wochen auch bei Kleinkindern

Neben regelmäßigen Übernachtungen ist im Rahmen von § 1684 Abs. 1 BGB nach dem Diktum des Senats grundsätzlich auch die Einräumung eines Ferienumgangs angezeigt.

  • Ein länger andauernder Ferienumgang könne in besonderem Maße zur Normalisierung der Beziehung des umgangsberechtigten Elternteils mit seinem Kind beitragen
  • und die gefühlsmäßigen Bindungen des Kindes zum Umgangsberechtigten unter Alltagsbedingungen aufrecht erhalten und festigen (OLG Brandenburg, Beschluss v. 15.12. 2009, 10 UF 155/08)

Keine strikte Halbteilung der Schulferien zwischen den Eltern

Im entschiedenen Fall war der Vater mitsorgeberechtigt, er hielt nach den Feststellungen des Jugendamts für das Kind ein liebevoll und kindgerecht eingerichtetes eigenes Zimmer vor, die Tochter hatte eine enge und sichere Bindung zu ihrem Vater. Dennoch verfügte der Senat keine strikte Halbteilung der Schulferien.

  • Er stellte insoweit in Rechnung, dass zwischen den Eltern eine deutlich wahrnehmbare Konfliktlage herrschte und
  • vor diesem Hintergrund bei einem zweijährigen Kind eine längere als zweiwöchige Trennung von der Hauptbetreuungsperson unter Bindungsaspekten zu lang erschien.
  • Die Entfernung von 100 km zwischen den Wohnorten des Vaters und der Mutter betrachtete der Senat nicht als Hindernis für die Zuerkennung eines umfangreichen Umgangsrechts.

Ein zweiwöchiger Sommerferienumgang erschien dem Senat unter  Kindeswohlgesichtspunkten als insgesamt ausreichend und angemessen.

(Saarländisches OLG, Beschluss v. 5.3. 2018, 6 UF 116/17).

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Hintergrund:

Das Alter des Kindes kein maßgebliches Kriterium für die Frage der Zulassung von Übernachtungskontakten. Auch sehr kleine Kinder dürften grundsätzlich bei dem anderen Elternteil übernachten. Dies dient einer positiven Entwicklung eines Kindes. Dieses dürfe  nicht unter eine „Schutzglocke“ gelegt werden, um ihm jedwede familiären  Auseinandersetzungen zu ersparen. Eine solche überbehütete Versorgung dient nicht dem Kindeswohl (OLG Saarbrücken, Beschluss v 23.1.2013, 6 UF 20/13). 

Schlagworte zum Thema:  Recht, Kindeswohl, Umgangsrecht