Anerkennenswertes Eigeninteresse des Erblassers bei Schenkung

Schließt ein Ehepaar einen Erbvertrag, darf diese Vereinbarung nicht durch ungerechtfertigte Schenkungen zu Lasten der Erben oder einzelner Erben vor dem Erbfall ausgehebelt werden. Was Gründe für eine zulässige, weil gerechtfertigte Schenkung ist, damit befasste sich das OLG Hamm am Fall einer verschenkten Wiese. 

Es ging um ein Grundstück, dass ein Erblasser, der mit seiner Frau einen Erbvertrag abgeschlossen hatte, vor seinem Tod an einen seiner Söhne verschenkte. Diese  Schenkung wurde von dem anderen Sohn nach Eintritt des Erbfalls angefochten.

Grundstück der Erbvertragsparteien

Die Eltern des 52-jährigen Klägers und des 53-jährigen Beklagten waren Eigentümer eines zunächst rechtlich ungeteilten, ca. 3200 qm großen Grundstücks, auf welchem sich zum einen das von den Eltern bewohnte Wohnhaus nebst Terrasse und Garten, zum anderen eine unbebaute Wiese befand.

  • Im Jahre 1991 setzten sich die Eltern in einem notariellen Erbvertrag wechselseitig zu Erben ein.
  • Gleichzeitig sollte der beklagte Sohn nach dem Tode des Längstlebenden das Grundstück mit Haus erhalten.

Das weitere Vermögen sollte unter den weiteren drei Kindern zu gleichen Teilen aufgeteilt werden. Hintergrund der Regelung war, dass sich der Beklagte bereit erklärt hatte, den Eltern im Alter zur Seite zu stehen. Dabei baute er das Haus so um, dass er mit seiner Familie im Obergeschoss und die Eltern im Erdgeschoss wohnen konnten.

Wiese wurde nach dem Tod der Mutter auf beklagten Sohn übertragen

Im Jahr 2001 veranlassten die Eltern eine Teilung des Grundstücks.

  • Danach übertrugen sie 2003 die Parzelle mit dem Wohnhaus unter Bestellung eines lebenslangen Wohnrechts
  • im Wege der vorweggenommen Erbfolge dem Beklagten.
  • Zugleich vereinbarten sie mit ihm einen Pflichtteilsverzicht.

Die drei Geschwister erhielten 2007 im Wege einer Schenkung jeweils 60.000 EUR, wobei der Vertrag eine weitere Schenkung 10 Jahre zuvor über jeweils 60.000 DM erwähnte. Darüber hinaus vereinbarten sie mit den drei Kindern ebenfalls einen Pflichtteilsverzicht.

Nach dem Tod der Mutter im Jahr 2010 übertrug der Vater das unbebaute Wiesengrundstück schenkungsweise auf den Beklagten. Es sei mit der Mutter bei Abschluss des notariellen Erbvertrages im Jahr 1991 vereinbart gewesen, dass der Beklagte das ganze, noch ungeteilte Grundstück erhalten sollte.

Kein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers an der Schenkung

Als der Vater nach vier Jahre ebenfalls verstarb, erwirkten die drei Geschwister einen Erbschein, nach dessen Inhalt sie den Erblasser zu je 1/3 Anteil beerbten. Der klagende Sohn verlangte sodann von dem Beklagten die Übertragung eines Miteigentumsanteils von 1/3 an dem Wiesengrundstück, da nach seiner Ansicht diese Schenkung als eine die Vertragserben beeinträchtigende Schenkung einer Rückabwicklung bedurfte.

Ausschlaggebend für den Anspruch auf  Rückforderung war, ob ein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers an der Schenkung feststellbar war.

  • Ein solches Eigeninteresse wird angenommen,
  • wenn nach dem Urteil eines objektiven Beobachters
  • die Zuwendung in Anbetracht der gegebenen Umstände
  • unter Berücksichtigung der erbvertraglichen Bindung
  • als billigenswert und gerechtfertigt erscheint.

Nicht vereinbarte Schenkung

Seine Eltern hätten dem Beklagten lediglich das Haus mit Grundstück, nicht jedoch die unbebaute Wiesenhälfte zuwenden wollen, so der Kläger. Der Beklagte entgegnete, dass der Vater mit der Schenkung der „Wiese“ den gemeinsamen Willen der Eltern vollzogen habe. Darüber hinaus habe er aufgrund der getätigten Investitionen und Pflegeleistungen des Beklagten ein lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung gehabt.

Auslegung des Erbvertrages:  Unterscheidung zwischen „Wiese“ und „Haus“

Der 10. Zivilsenat des OLG Hamm bestätigte das erstinstanzliche Urteil des LG Münster, nach welchem der Beklagte verurteilt wurde, an den Kläger einen Miteigentumsanteil von 1/3 zu übertragen.

Aus der Auslegung des Erbvertrages ergebe sich, dass die Eltern beim Abschluss des Erbvertrages stets zwischen „Haus“ und „Wiese“ unterschieden hätten.

Dies ergebe sich zwar nicht aus dem Wortlaut, welcher insoweit nicht eindeutig sei. Die vernommen Zeugen haben dies jedoch übereinstimmend bekundet und dargelegt, die Eltern hätten wiederholt geäußert, dass das „Haus“ für den Beklagten und die „Wiese“ für die übrigen Geschwister bestimmt sei.

Pflege- / Betreuungsleistungen - anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse?

Auch ein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung habe der Erblasser nicht gehabt und konnte auch vom Beklagten nicht schlüssig dargelegt werden, so das Gericht.

Wertsteigernde Verwendungen des Beklagten auf das Hausgrundstück seien in erster Linie ihm als nunmehrigen Grundstückseigentümer zu Gute gekommen. Des Weiteren seien die vom Beklagten vorgetragenen Pflege-und Betreuungsleistungen bereits Anlass zur Grundstücksübertragung gewesen.

(OLG Hamm, Urteil v. 14.09.2017, 10 U  1/17. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und derzeit beim BGH unter IV ZR 258/17 anhängig).

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  • Missbraucht der Erblasser seine freie Verfügungsmacht nach dem Tod des Ehegatten und zu der eigenen noch verbliebenen Lebzeiten
  • oder hat er für seine Vermögensverschiebungen ein lebzeitiges Eigeninteresse,
  • das anzuerkennen und von den Erben zu akzeptieren ist?
Schlagworte zum Thema:  Testament, Schenkung