Leitsatz

Ansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, die die Zwangsversteigerung aus der Rangklasse 2 des § 10 Abs. 1 ZVG betreibt, sind gegenüber einer Auflassungsvormerkung stets vorrangig. Diese ist nicht im geringsten Gebot zu berücksichtigen und erlischt mit dem Zuschlag; erwirbt der Vormerkungsberechtigte nach der Beschlagnahme das Eigentum, ist das Verfahren fortzusetzen und nicht gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 ZVG einzustellen.

 

Normenkette

§§ 10 Abs. 1 Nr. 2, 83 ZVG

 

Sachverhalt

Das Problem

  1. Im Grundbuch einer Teileigentumseinheit ist seit dem 20. Januar 1999 eine Auflassungsvormerkung für A und B eingetragen.
  2. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, zu deren Anlage das Teileigentum gehört, betreibt wegen titulierter Hausgeldansprüche aus dem Jahr 2008 die Zwangsversteigerung. Das Amtsgericht ordnet wegen dieser Ansprüche die Zwangsversteigerung aus der Rangklasse des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG an. Vor dem Versteigerungstermin teilen A und B mit, die Teileigentumseinheit sei am 15. Februar 2013 an sie aufgelassen worden. Sie hätten ferner ihre Eintragung als Eigentümer beantragt. Im Versteigerungstermin am 21. Februar 2013 nimmt das Vollstreckungsgericht die Auflassungsvormerkung nicht in das geringste Gebot auf. Mit Beschluss vom gleichen Tag wird C als der Meistbietenden der Zuschlag erteilt. Die Vormerkung ist im Zuschlagsbeschluss nicht als bestehenbleibendes Recht aufgeführt.
  3. Gegen den Zuschlagsbeschluss gehen A und B vor. Sie meinen, der Zuschlag sei gemäß § 83 Nr. 5 ZVG zu versagen.

    § 83 ZVG (Versagung des Zuschlags)

    Der Zuschlag ist zu versagen:

    ...

    1. wenn die Vorschrift des § 43 Abs. 2 ZVG oder eine der Vorschriften über die Feststellung des geringsten Gebots oder der Versteigerungsbedingungen verletzt ist;

    ...

    5. wenn der Zwangsversteigerung oder der Fortsetzung des Verfahrens das Recht eines Beteiligten entgegensteht;

    ...

 

Entscheidung

  1. Ohne Erfolg! Nach § 83 Nr. 5 ZVG sei der Zuschlag zu versagen, wenn das Recht eines Beteiligten der Fortsetzung des Verfahrens entgegenstehe. Ist ein solches Recht aus dem Grundbuch ersichtlich, habe das Vollstreckungsgericht das Verfahren gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 ZVG aufzuheben oder einstweilen einzustellen bzw. gemäß § 33 ZVG den Zuschlag zu versagen. Die Auflassungsvormerkung stelle indessen kein der Zwangsversteigerung entgegenstehendes Recht im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 1 ZVG dar.
  2. Ebenso wenig sei der Zuschlag wegen einer Verletzung der Vorschriften über die Feststellung des geringsten Gebots im Sinne von § 83 Nr. 1 ZVG zu versagen. Eine Auflassungsvormerkung sei wie ein eingetragenes Recht zu behandeln (§§ 9 Nr. 1, 48 ZVG). In das geringste Gebot sei sie aufzunehmen, wenn sie dem Anspruch des (bestrangig betreibenden) Gläubigers vorgehe (§ 44 Abs. 1 ZVG). Etwas anderes gelte, wenn die Vormerkung dem Recht des (bestrangig betreibenden) Gläubigers im Rang nachgehe. Der Vormerkungsberechtigte müsse dann den Eigentumserwerb des Erstehers gegen sich gelten lassen, weil die Vormerkung mangels Aufnahme in das geringste Gebot mit dem Zuschlag erlischt (§§ 91 Abs. 1, 52 Abs. 1 Satz 2 ZVG). An die Stelle des zuvor durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs trete der Anspruch auf Wertersatz aus dem Versteigerungserlös (§ 92 Abs. 1 ZVG).
  3. Ob eine vor der Beschlagnahme eingetragene Auflassungsvormerkung dem Recht der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Sinne von § 44 Abs. 1 ZVG vorgehe, wenn diese die Zwangsversteigerung aus Ansprüchen betreibt, die der Rangklasse 2 des § 10 Abs. 1 ZVG zuzuordnen sind, sei umstritten. Nach überwiegender Ansicht gingen die bevorrechtigten Hausgeldansprüche der Auflassungsvormerkung vor. Nach der Gegenauffassung biete eine Auflassungsvormerkung Schutz vor einer Zwangsversteigerung, die aus Rechten der Rangklasse 2 betrieben wird. Der Senat entscheide die Frage mit der überwiegenden Ansicht dahin gehend, dass Ansprüchen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, die die Zwangsversteigerung aus der Rangklasse 2 des § 10 Abs. 1 ZVG betreibt, stets Vorrang gegenüber einer Auflassungsvormerkung zukomme; diese sei daher auch dann nicht im geringsten Gebot zu berücksichtigen, wenn sie bereits vor dem Entstehen der bevorrechtigten Hausgeldansprüche in das Grundbuch eingetragen worden ist. Der Vorrang der § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG unterfallenden Hausgeldansprüche ergebe sich daraus, dass die Auflassungsvormerkung mit der nahezu einhelligen Auffassung der Rangklasse 4 des § 10 Abs. 1 ZVG zuzuordnen sei. Aus dieser Einordnung ergebe sich ohne Weiteres, dass sie gegenüber Rechten der Rangklasse 2 nachrangig sei. Denn die Rechte der Rangklasse 2 gingen insgesamt den Rechten aus den nachfolgenden Rangklassen 3 bis 8 vor. Auf die zeitliche Entstehung der Rechte komme es insoweit nicht an. Mit der Einordnung der Hausgeldansprüche in dem Rangklassensystem des § 10 Abs. 1 ZVG wäre es unvereinbar, wenn die der Rangklasse 2 unterfallenden Ansprüche im Verhältnis zu Auflassungsvormerkungen den nicht bevorrechtigten Ansprüchen aus der Rangklasse 5 der betreibenden Gemeinscha...

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