Leitsatz

Das KG hat sich in dieser Entscheidung mit der Zuständigkeit der Familiengerichte in einem Verfahren auf Feststellung einer deliktischen Unterhaltsverpflichtung auseinandergesetzt. Es ging hier primär um die Frage, ob das allgemeine Zivilrecht oder das Familiengericht zuständig ist.

 

Sachverhalt

Die Antragsteller waren die Kinder des Antragsgegners. Der an sie zu leistende Unterhalt war durch Verpflichtungserklärungen vor dem Jugendamt tituliert worden. Mit Beschluss des AG vom 4.8.2010 wurde über das Vermögen des Antragsgegners das Insolvenzverfahren eröffnet. Er stellte einen Antrag auf Restschuldbefreiung.

Die Antragsteller meldeten ihre Unterhaltsansprüche zur Insolvenztabelle an und stützten ihre Forderungen ergänzend auch auf den Rechtsgrund der unerlaubten Handlung.

Der Antragsgegner ließ sich dahingehend ein, es bestehe kein Anspruch aus unerlaubter Handlung, sondern lediglich ein solcher aus den §§ 1601 ff. BGB.

Die Antragsteller wollten vor dem FamG positive Feststellungsklage mit dem Ziel erheben, feststellen zu lassen, dass ihnen die in dem Insolvenzverfahren angemeldeten Unterhaltsforderungen auch aus unerlaubter Handlung zustehen. Hierfür begehrte sie Verfahrenskostenhilfe, die vom AG u.a. mit der Begründung versagt wurde, das FamG sei nicht zuständig.

Gegen den ablehnenden PKH-Beschluss wandten sich die Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde, die erfolgreich war.

 

Entscheidung

Anders als das AG vertrat das KG die Auffassung, der beabsichtigten Rechtsverfolgung der Antragsteller könne eine hinreichende Erfolgsaussicht i.S.d. § 114 ZPO nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht versagt werden.

Das anhängig gemachte Feststellungsverfahren sei zulässig.

Das angerufene FamG sei auch sachlich und örtlich zuständig, weil es sich analog § 231 Abs. 1 Nr. 1 FamFG um eine Familiensache handele. Kraft Sachzusammenhangs gehörten auch Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung wegen vorsätzlicher Unterhaltspflichtverletzung zu den Unterhalts- und damit zu den Familiensachen. Dieser bereits vor dem Inkrafttreten des FamFG von der Rechtsprechung aufgestellte Grundsatz müsse nun erst recht gelten, da erklärtes Ziel des Reformgesetzgebers die Schaffung des "großen Familiengerichts" gewesen sei. Bei der Zuständigkeit des Familiengerichts bleibe es daher selbst dann, wenn der zugrunde liegende Unterhaltsanspruch schon tituliert sei.

Darüber hinaus bestehe aus insolvenzrechtlichen Gründen ein Feststellungsinteresse, da die Antragsteller nach einer Restschuldbefreiung des Antragsgegners weder aus ihren Unterhaltstiteln noch aus der Tabelle vollstrecken könnten. Anders verhalte es sich jedoch bei einem Anspruch aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung, der gemäß § 302 Nr. 1 InsO von der Restschuldbefreiung unberührt bleibe.

Der Zulässigkeit des Feststellungsantrags stehe auch die vom Antragsgegner bereits erhobene negative Feststellungsklage nicht entgegen, weil die Antragsteller ein anderes Rechtsschutzziel verfolgten und nur ihr Antrag die Verjährung hemme.

In weiteren Verfahren müsse geprüft werden, ob der geltend gemachte Anspruch teilweise verwirkt sei, weil er Zeitabschnitte betreffe, die länger als ein Jahr zurücklägen. Das Zeitmoment der Verwirkung gelte auch für titulierte Ansprüche, aus denen nicht zeitnah vollstreckt werde.

 

Hinweis

Das KG Berlin hat sich mit dieser Entscheidung in Widerspruch zu der kurz zuvor ergangenen Entscheidung des OLG Rostock (Beschluss v. 14.1.2011 zur Geschäftsnummer 10 WF 4/11) gesetzt, das den Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 170 StGB als allgemeinen zivilrechtlichen Anspruch ansah und von der Zuständigkeit der allgemeinen Zivilgerichte ausging. Der BGH hat sich hierzu noch nicht abschließend geäußert, so dass eine endgültige Klärung der Zuständigkeitsfrage für die Feststellung einer deliktischen Unterhaltspflichtverletzung noch nicht erfolgt ist.

 

Link zur Entscheidung

KG Berlin, Beschluss vom 30.08.2011, 18 WF 93/11

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