LfSt Bayern, 26.7.2011, S 0160.1.1 - 1/2 St 42

 

1. Allgemeines zum Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO

Wurde eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger – das FA – einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrages (§ 37 Abs. 2 Satz 1 AO). Dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung später wegfällt (§ 37 Abs. 2 Satz 2 AO). Eine Zahlung ist dann ohne rechtlichen Grund geleistet, wenn sie den materiell-rechtlichen Anspruch übersteigt (BFH-Urteil vom 6.2.1996, VII R 50/95, BStBl 1997 II S. 112). Der Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO kann aber nur dann durchgesetzt werden, wenn ein entgegenstehender Verwaltungsakt aufgehoben oder geändert worden ist (vgl. AEAO zu § 37, Nr. 3).

 

1.1. Erstattungsanspruch bei der Einkommensteuer

Im Bereich der Einkommensteuer können sich solche Erstattungsansprüche ergeben (wichtigste Fälle)

  • infolge der Anrechnung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 EStG),
  • infolge der Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen (z.B. LSt, KapSt), (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG) sowie
  • im Falle der Durchführung von Änderungs- bzw. Berichtigungsveranlagungen zugunsten des Steuerpflichtigen, wenn die ursprünglich festgesetzte Steuer bereits entrichtet war.
 

2. Erstattungsberechtigung bei zusammenveranlagten Ehegatten

Bei zusammenveranlagten Ehegatten kann es trotz der Vorschrift des § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG, wonach die Auszahlung an einen Ehegatten auch für und gegen den anderen Ehegatten wirkt, erforderlich werden, Feststellungen zur Erstattungsberechtigung der beiden Ehegatten zu treffen und ggf. die Höhe des auf jeden entfallenden Erstattungsbetrags zu ermitteln.

Aus der Vorschrift des § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG ergibt sich hinsichtlich des Erstattungsanspruchs keine Gesamtgläubigerschaft der zusammenveranlagten Ehegatten (BFH-Urteil vom 19.10.1982, VII R 55/80, BStBl 1983 II S. 162). § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG setzt sich aus Gründen der Arbeitserleichterung des Finanzamts über die materielle Rechtslage bezüglich der Erstattungsberechtigung hinweg. Die Vorschrift hat den Zweck, dem FA Nachforschungen zur Erstattungsberechtigung zusammenveranlagter Ehegatten zu ersparen. Sie findet ihre Rechtfertigung darin, dass sich Eheleute, die die Zusammenveranlagung beantragen, durch ihre beiderseitigen Unterschriften auf der Steuererklärung gegenseitig bevollmächtigen können, nicht nur den Steuerbescheid, sondern auch einen etwaigen Erstattungsbetrag in Empfang zu nehmen. Dabei geht die Vorschrift (widerlegbar) von der Annahme aus, dass bei einer intakten Ehe die Erstattung an einen Ehegatten von dem anderen Ehegatten gebilligt wird (BFH-Urteil vom 5.4.1990, VII R 2/89, BStBl 1990 II S. 719). Soweit das FA aber nach Aktenlage erkennt oder erkennen musste, dass ein Ehegatte aus beachtlichen Gründen nicht mit der Auszahlung des gesamten Erstattungsbetrags an den anderen Ehegatten einverstanden ist, darf es nicht mehr an den anderen Ehegatten auszahlen (vgl. AEAO zu § 37, Nr. 2). Das ist z.B. dann der Fall, wenn die Eheleute inzwischen geschieden sind oder getrennt leben oder wenn dem FA aus sonstigen Umständen bekannt ist, dass ein Ehegatte die Erstattung an den anderen nicht billigt (BFH-Urteile vom 5.4.1990, VII R 2/89, BStBl 1990 II S. 719 und vom 8.1.1991, VII R 18/90, BStBl 1991 II S. 442).

§ 36 Abs. 4 Satz 3 EStG ist aber auch dann nicht anzuwenden,

  • wenn das FA mit Abgabenrückständen eines der beiden Ehegatten aufrechnen will oder
  • wenn der Erstattungsanspruch nur eines der beiden Ehegatten abgetreten, gepfändet oder verpfändet worden ist.

In solchen Fällen muss die materielle Anspruchsberechtigung aufgrund des Gesetzes (§ 37 Abs. 2 AO) selbst dann geprüft werden, wenn die Eheleute übereinstimmend davon ausgehen, dass der steuerliche Erstattungsanspruch ihnen gemeinsam zusteht (BFH-Beschluss vom 12.3.1991, VII S 30/90, BFH/NV 1992 S. 145). Zahlt das FA bei der Zusammenveranlagung aufgrund des gegenüber einem Ehegatten ergangenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses auch den auf den anderen Ehegatten entfallenden Erstattungsbetrag an den Pfändungsgläubiger aus, kann es von diesem jedoch die Rückzahlung dieses Betrages verlangen (BFH-Urteil vom 13.2.1996, VII R 89/95, BStBl 1996 II S. 436).

 

3. Aufteilung des Einkommensteuererstattungsanspruchs

Ist die Aufteilung aus den unter Tz 2 genannten Gründen erforderlich, gilt Folgendes:

 

3.1. Grundsatz

Erstattungsberechtigt ist derjenige Ehegatte, auf dessen Rechnung die Zahlung (z.B. die Einkommensteuer-Vorauszahlung) bewirkt worden ist (vgl. Tz. 1). Das ist nicht derjenige, auf dessen Kosten die Zahlung erfolgt ist. Es kommt also nicht darauf an, von wem und mit wessen Mitteln gezahlt worden ist, sondern allein darauf, wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden (vgl. Tz 3.1.1), wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem FA gegenüber erkennbar hervorgetreten ist, getilgt werden sollte (BFH-Urteile vom 25.7.1989, VII R 118/87, BStBl 1990 II S. 41 , und ...

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