Leitsatz

  • Nach Konkurseröffnung nur "Abrechnungsspitze" als Masseforderung (in Bestätigung zu BGH, NJW 94, 1866)

    Zur Amtsermittlungs- und Aufklärungs- bzw. Hinweispflicht des Wohnungseigentumsgerichts

 

Normenkette

§ 16 Abs. 2 WEG, § 28 WEG, § 3 Abs. 1 KO, § 12 KO, § 57 KO, § 58 Nr. 2 KO, § 139 ZPO, § 12 FGG

 

Kommentar

1. Wird über das Vermögen eines Wohnungseigentümers der Konkurs eröffnet, können als Masseforderungen gegen den Konkursverwalter nur die nach Eröffnung fällig gewordenen Ansprüche auf Wohngeldvorschüsse sowie die sog. Abrechnungsspitze aus der nach Eröffnung beschlossenen Jahresabrechnung (Einzelabrechnung) geltend gemacht werden; die Abrechnungsspitze ist der Schuldsaldo aus der Einzelabrechnung, der das Soll der Wohngeldvorschüsse übersteigt. Die vor Konkurseröffnung fällig gewordenen, nicht beglichenen Wohngeldvorschüsse (Vorauszahlungen nach Wirtschaftsplan) bleiben gewöhnliche (nicht bevorrechtigte) Konkursforderungen.

Mit anderen Worten heißt das, dass im Konkurs eines Eigentümers nur die nach Konkurseröffnung begründeten und fällig gewordenen Wohngeldansprüche im Wege der Klage oder des Antrages nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG gegen den Konkursverwalter geltend gemacht werden können, da es sich nur insoweit um Massekosten nach den §§ 57, 58 Nr. 2 KO handelt. Die vor Eröffnung des Konkursverfahrens fällig gewordenen Ansprüche sind dagegen einfache Konkursforderungen, die im Konkurs gem. § 3 Abs. 1 KO, § 12 KO nur nach Maßgabe der konkursrechtlichen Vorschriften (also nach den §§ 138ff. KO) verfolgt werden können.

Zu den aus der Konkursmasse zu zahlenden Kosten gehören damit aufgrund eines beschlossenen Wirtschaftsplanes geschuldete, nach Konkurseröffnung fällig gewordene Wohngeldvorschüsse und bei einer nach Konkurseröffnung beschlossenen Jahresabrechnung (Gesamt- und Einzelabrechnungen) nur die sog. Abrechnungsspitze, d.h. die Differenz zwischen den in beschlossenem Wirtschaftsplan veranschlagten, durch Vorschüsse zu deckenden Kosten und Lasten (Wohngeld-Soll) und den für das Wohnungseigentum tatsächlich entstandenen Kosten und Lasten; nicht zu den Massekosten gehören damit die Wohngeldvorschüsse, die der Gemeinschuldner vor Konkurseröffnung schuldig geblieben ist, auch wenn sie in der Jahres-Einzelabrechnung den betreffenden Schuldsaldo erhöhen. Dieser vom BGH (NJW 94, 1866; BGHZ 131, 228/231) entwickelten Rechtsauffassung (früher bereits Hauger in Festschrift für Bärmann und Weitnauer 1990, Seite 353/365 und Schnauder, WE 91, 7/11) hat sich zwischenzeitlich so gut wie ausnahmslos die nachfolgende obergerichtliche Rechtsprechung und Literatur angeschlossen (a.A. offensichtlich nur Deckert in PiG, 44, 193). Der Senat schließt sich nunmehr dieser herrschenden Rechtsmeinung an, auch wenn früher das Verhältnis zu Wirtschaftsplan und Abrechnungsspitze anders beurteilt wurde (BayObLGZ 91, 93ff. m.w.N. und auch KG Berlin, NJW-RR 94, 85).

Da vorliegend aus der beschlossenen und bestandskräftig gewordenen Einzelabrechnung die Abrechnungsspitze nicht erkennbar war (in welcher Höhe Massekosten, in welcher einfache Konkursforderungen entstanden sind), musste unter Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung die Streitsache zurückverwiesen werden.

2. Weist eine bestandskräftig beschlossene Einzelabrechnung für einen Gemeinschuldner aus, dass vor abrechnungsgenehmigender Beschlussfassung keine Zahlungen (Wohngeldvorauszahlungen) geleistet wurden, ist damit auch gegenüber dem Konkursverwalter verbindlich festgestellt, dass die nach Konkurseröffnung fällig gewordenen Wohngeldvorschüsse nicht beglichen sind.

3. Im WE-Verfahren als echtem Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist die Amtsermittlungspflicht des Gerichts ( § 12 FGG) eingeschränkt; das Gericht kann grundsätzlich davon ausgehen, dass jede Beteiligtenseite die ihr günstigen Tatsachen vorträgt und die geeigneten Beweismittel benennt oder vorlegt.

Dies ändert aber nichts an der Aufklärungspflicht des Gerichts, die mindestens ebenso weit reicht, wie im Zivilprozess ( § 139 ZPO). Auf Bedenken gegen die Zulässigkeit oder Schlüssigkeit eines Antrages muss das Gericht konkret und unmissverständlich hinweisen; dies gilt grundsätzlich auch, wenn der Beteiligte durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.

4. Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren hier DM 29.198.

 

Link zur Entscheidung

( BayObLG, Beschluss vom 05.11.1998, 2Z BR 92/98= ZMR 2/1999, 119)

zu Gruppe 4:  Wohnungseigentumsverwaltung

Anmerkung:

Auch das BayObLG ("Ober sticht Unter") hat sich nunmehr der Meinung des BGH, d.h. den dortigen Entscheidungen des IX. Zivilsenats von 1994 (zum Konkurs eines Eigentümers) und der nachfolgenden Grundsatz-Entscheidung des V. Senats (WEG-Senats) vom 30. 11. 1995 (Sondernachfolge) angeschlossen, wohl auch in der Erkenntnis, dass selbst bei Beibehaltung früherer anderer Rechtsprechung und dann notwendiger neuerlicher Vorlage der BGH an bisher geäußerter Auffassung festhalten dürfte. Nach wie vor darf ich jedoch diese vom BGH geprägte Rechtsprechung scharf kritisi...

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