Normenkette

§ 23 WEG, § 25 WEG

 

Kommentar

Das Berliner Kammergericht hat entschieden:

1. Vor Umschreibung des Wohnungseigentums (oder Wohnungserbbaurechtes) ist der im Grundbuch abgesicherte Erwerber (Kaufvertrag, Auflassungsvormerkung, Besitzübergang) - werdender bzw. faktischer Eigentümer - regelmäßig als ermächtigt anzusehen, das Objekt- oder Anteilsstimmrecht (nicht jedoch das gesetzliche Kopf-Stimmrecht) des Veräußerers auszuüben und auch in Verfahrensstandschaft für diesen das gerichtliche Beschlussanfechtungsverfahren zu betreiben.

2. Vertretungsbeschränkungen in Teilungserklärungsvereinbarungen sind ohne Bedeutung, wenn die Stimmabgabe eines Vertreters in der Eigentümerversammlung weder von den Miteigentümern noch von dem Versammlungsleiter beanstandet wird.

3. Eine Beschlussanfechtungsfrist (Monatsfrist, § 23 Abs. 4 S. 2 WEG) wird nur gewahrt, wenn der Verfahrensstandschafter innerhalb der Frist hinreichend deutlich macht, dass er nicht aus eigenem Recht, sondern für den Veräußerer das gerichtliche Verfahren durchführt.

4. Eine Antragstellerin hatte im vorliegenden Fall ein Wohnungseigentum (bzw. Wohnungserbbaurecht) am 26. 3. 1987 vom teilenden Ursprungseigentümer (ursprünglichen Erbbauberechtigten) erworben; die Eintragung der Auflassungsvormerkung zu ihren Gunsten erfolgte am 23. 4. 1987, die Eigentumsumschreibung allerdings erst am 22. 11. 1993.

Sie focht zwei Beschlüsse einer Eigentümerversammlung vom 9. 9. 1992 an. Die Vorinstanzen wiesen Antrag und Erstbeschwerde mangels Antragsbefugnis der Antragstellerin zurück, während das KG Berlin (Rechtsbeschwerdeinstanz) zwar die Antragsbefugnis bejahte, in der Sache selbst jedoch den Hinweis gab, dass die Anträge inhaltlich keinen Erfolg gehabt hätten.

5. In Bestätigung der Meinung des Landgerichts habe die Antragstellerin zum Versammlungszeitpunkt im September 1992 kein eigenes Stimmrecht und anschließend auch kein Anfechtungsrecht besessen (BGH, NJW 1989, 1087; BayObLG NJW 1990, 3216; Frankfurt, NJW-RR 1992, 1170). Die Ausübung des Stimmrechts sei jedoch übertragbar und daraus ergebe sich grundsätzlich auch ein Anfechtungsrecht. Im vorliegenden Fall müsse nach den festgestellten Umständen von einer Ermächtigung des Veräußerers zur Ausübung des Stimmrechts durch die Antragstellerin ausgegangen werden, da dies der Rechts- und Interessenlage sowohl einer Eigentümergemeinschaft als auch der zwischen Veräußerer und Erwerber (Antragstellerin) entspreche.

Regelmäßig könne ein werdender Eigentümer als ermächtigt angesehen werden, das mit dem Wohnungseigentum verbundene Stimmrecht bereits vor Eigentumseintragung im Grundbuch auszuüben (KG Berlin, 1. Zivilsenat vom 8. 5. 1979, OLGZ 79, 290). Dies folge insbesondere aus wirtschaftlichen Überlegungen (ebenso BGH vom 1. 12. 1988, NJW 1989, 1087). Der BGH habe lediglich abgelehnt, im Falle eines gesetzlichen Kopf-Stimmrechts nach § 25 Abs. 2 S. 1 WEG vor Eigentumsumschreibung eine Vermehrung der Stimmrechte zuzulassen. Abgesehen davon habe der BGH ein eigenes Stimmrecht des sog. werdenden Wohnungseigentümers gerade mit dem Argument verneint, dass es in Gemeinschaften nach häufig vereinbartem Stimmrechts-Objekt- oder Wertprinzip grundsätzlich zulässig sei, dass ein Veräußerer den Erwerber zur Stimmabgabe in eigenem Namen ermächtige und dass damit das Bedürfnis entfalle, diesem Erwerber allein aus der faktischen Eingliederung noch vor dessen Eigentumsumschreibung ein eigenes Stimmrecht zuzubilligen. Damit sei nach Meinung des AG Berlin die Bahn für ein abgeleitetes Objekt- oder Anteilsstimmrecht geschaffen worden.

Dem dürfe nicht durch überspannte Anforderungen an das Vorhandensein einer Ausübungsermächtigung begegnet werden. Ein Veräußerer könne sich bis zur Eigentumsumschreibung das ausschließlich eigene Stimmrecht durchaus vorbehalten, was jedoch festgestellt werden müsse. Im Regelfall dürfte der Veräußerer allerdings nach Besitzübergabe seiner Wohnung an den Erwerber kein Interesse mehr an der Stimmrechtsausübung besitzen (vgl. auch Bornheimer, Das Stimmrecht im Wohnungseigentumsrecht, Seite 147). Auch im vorliegenden Fall sei die Erwerberin stets zu Versammlungen geladen gewesen und wurde auch über Abrechnungen und Wirtschaftspläne mit Wohngeldzahlungen belastet. Vereinbarte Vertretungseinschränkungen (wie hier) seien auf die Überlassung der Stimmrechtsausübung nach ihrem Sinngehalt nicht auf Wohnungsanwärter anzuwenden (vgl. auch Merle, JR 1989, 505; Bornheimer, Seite 147-149).

Schon der Bundesgerichtshof (MW 1987, 650 und NJW 1993, 1329) habe ausgeführt, dass eine Eigentümergemeinschaft u. U. nach Treu und Glauben gehalten sei, nicht auf vereinbarter Vertretungsbeschränkung zu bestehen; deshalb sei erst in der Versammlung darüber zu befinden, ob eine Drittperson an der Beratung und Beschlussfassung mitwirken dürfe (im vorliegenden Fall sei hier keine Beanstandung erfolgt). Nach dem Sinn der genannten BGH-Rechtsprechung sei deshalb davon auszugehen, dass die Versammlung die Stimmrechtsabgabe der Eigentumsanwärterin zug...

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