Dass Paukenschläge sich pianissimo entfalten, ist selten. Die abgedruckte Entscheidung ist solch ein musikalisch-juristisches Wunder. Sie nimmt, eng verstanden, an, dass von einem Ehe- oder Lebenspartner abgeschlossene Kaskoversicherungsverträge über § 1357 BGB grundsätzlich auch für den anderen gelten und dieser damit gleichfalls Vertragspartner wird. Nichts anderes wird für Kfz-Haftpflichtversicherungsverträge oder Hausratversicherungsverträge anzunehmen sein. Bisherige Stellungnahmen setzen sich zustimmend oder kritisch unter familienrechtlichen Blicken damit auseinander (Löhnig JA 2018, 467; Schwab FamRZ 2018, 675). Eine versicherungsvertragliche Würdigung vermisst man in der Entscheidung selbst wie in ihrer Rezeption.

Nun kann man trefflich darüber streiten, ob es zum Schutz eines Ehe- oder Lebenspartners familienrechtlich vernünftig ist, die "gegenderte" "Schlüsselgewalt" des § 1357 BGB dazu zu nutzen, Alltagsversicherungsverträge als mit Wirkung für und gegen beide Partner geschlossen zu betrachten. Zu vermissen ist allerdings die Würdigung der Interessen des VR, dem so, häufig unentdeckt, ein zweiter Vertragspartner "aufgedrängt" wird. Das mag ihm im Streitfall, in dem der nicht ausdrücklich bevollmächtigte Ehemann den Kaskoversicherungsvertrag gekündigt hatte, zupass kommen, weil er dadurch leistungsfrei wurde. Was aber gilt im Übrigen? Müsste nicht auch bedacht werden, dass ein VR möglicherweise ein dringendes Interesse daran hat, dass nur derjenige sein Vertragspartner ist, der den Antrag gestellt hat und in der Police als VN genannt ist? Und gibt es nicht auch Interessen des Ehe- oder Lebenspartners des VN, nicht Vertragspartner zu sein? In den sonstigen Alltagsfällen des § 1357 BGB, den in einem Zug abgewickelten Verbraucherverträgen, ist das regelmäßig kein Problem: Der Vertragspartner als Gegenüber der ehelichen Lebensgemeinschaft oder Partnerschaft freut sich, mehrere Schuldner zu haben. Im Versicherungsvertragsrecht muss das nicht so sein.

Weisen Antrag und Police nur einen Antragsteller und VN aus, wird der VR auch nur von einem ausgehen. Leistet er die Erstprämie nicht oder gerät er mit einer Folgeprämie in Zahlungsverzug, ist die Leistungsfreiheit des VR davon abhängig, dass er "alle" VN separat gemahnt und/oder belehrt hat. Kennt er sie nicht, wird er das nicht getan haben. Nimmt man die Entscheidung des 12. Zivilsenats beim Wort, ist das ein Weg, Leistungsfreiheit zu vermeiden.

Rechtskonstruktiv vergleichbar sind Fälle der Obliegenheitsverletzung oder der Herbeiführung des Versicherungsfalls. Das Verhalten von unerkannten, weil als dem VR verborgene Partner i.S.v. § 1357 BGB auftretenden VN kann – ohne dass die Voraussetzungen einer versicherungsvertraglichen Zurechnung (Repräsentation, § 47 VVG) erfüllt wären – dem in der Police genannten VN zugerechnet werden.

Diese versicherungsvertraglichen Folgeprobleme hat die Entscheidung des 12. Zivilsenats offenkundig nicht bedacht, weil ihr Fokus auf dem Anwendungsbereich der familienrechtlichen "Schlüsselgewalt" lag. Aber darf auch gegen die Interessen des Vertragspartners, des VR, angenommen werden, die familienrechtliche Rechtsmacht des § 1357 BGB wirke auch zu seinen Lasten? Aus den Umständen (§ 1357 Abs. 1 S. 2 BGB), der Notwendigkeit der Klarheit und Vollständigkeit und der Vermutung der Richtigkeit der Police, aber auch aus § 5 Abs. 1 VVG, der (auch) verlangt, dass Abweichungen von Antrag und Police in irgendeiner Weise erkennbar sein müssen, ergibt sich daher anderes. Anders als bei regelmäßig sofort abgewickelten Geschäften zur angemessenen Deckung des alltäglichen Lebensbedarfs der Familie, bei denen der Geschäftspartner an einer Verpflichtung "der Familie" interessiert ist, ist ein VR daran interessiert, seinen künftigen Versicherungsnehmer genau zu kennen. Judikative Klarstellung tut daher not.

Prof. Dr. Roland Rixecker

zfs 9/2018, S. 512 - 515

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