“ … Die zulässige Berufung des Bekl. hat Erfolg. Der geltend gemachte Anspruch steht der Kl. aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

1. Zutreffend ist das LG von drei Schadensfällen in Gestalt der Beschädigung von drei Pkw durch den Bekl. ausgegangen. Demgegenüber vertritt der Bekl. die Auffassung, dass es sich um einen einheitlichen Versicherungsfall handele, mit der Folge, dass von vornherein der Regressanspruch auf maximal 10.000 EUR begrenzt wäre.

Das hier zur Anwendung kommende VVG v. 23.11.2007 (VVG 2008) erwähnt in § 1 den Begriff des Versicherungsfalls, ohne ihn dort oder an anderer Stelle allgemein zu definieren. Die Vorschrift zeigt aber (S. 1), dass der Versicherungsfall dasjenige Ereignis ist, das zwischen den Parteien als eine Leistungspflicht des VR begründend zu vereinbaren ist. Auch in Teil II des VVG 2008 findet sich keine Begriffsbestimmung. Vereinbart ist der Begriff des Versicherungsfalls in § 7 I. Abs. 1 AKB 2005 dahingehend, dass Versicherungsfall i.S.d. Vertrags das Ereignis ist, das einen unter die Versicherung fallenden Schaden verursacht, oder – bei der Haftpflichtversicherung – Ansprüche gegen den VN zur Folge haben könnte. Die AKB 2008 haben diese Bestimmung unverändert gelassen.

AVB sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (vgl. BGHZ 123, 83, 85 m.w.N.). Daraus ergibt sich noch nicht, dass in einem Fall wie dem vorliegenden ein solcher VN ohne weiteres davon ausgehen könnte, dass eine Fahrt mit dem Pkw, die zu mehreren Unfällen führt, als ein einheitliches Ereignis aufzufassen wäre. Es kommt auf den Einzelfall an. Allein aus dem Umstand, dass drei Fahrzeuge beschädigt wurden, ergibt sich dabei für die Kl. noch nichts. Dies kann ohne weiteres auch die Folge eines einheitlichen Ereignisses sein, etwa bei einem Kettenauffahrunfall. Vorliegend wurden aber drei Fahrzeuge an unterschiedlichen Orten beschädigt. Nach jeder der ersten beiden Beschädigungen setzte der Bekl. ungeachtet der Schäden an den fremden Fahrzeugen sowie an dem von ihm geführten Fahrzeug seine Fahrt fort. Bereits in den ersten beiden Fällen waren die Beschädigungen erheblich. Dass die Beschädigung des VW P nur zu einer relativ geringen Ersatzpflicht seitens der Kl. führte, lag an dem nur noch geringen Wert dieses Fahrzeugs. An dem Pkw M entstanden Reparaturkosten i.H.v. über 10.000 EUR. Nach jedem dieser beiden Unfälle musste sich der Bekl. entschlossen haben, ungeachtet der eingetretenen Schäden seine Fahrt fortzusetzen. Dieser jeweils neue Beschluss und die räumliche Trennung der Schadensorte sprechen dagegen, von einem einheitlichen Ereignis und damit einem einzigen Versicherungsfall auszugehen. Dass man von einer einheitlichen Fahrt sprechen kann, genügt nicht, um diese als verbindende Klammer für alle Versicherungsfälle heranzuziehen und auf diesem Weg zu einem einheitlichen Ereignis zu gelangen. Dies wäre zugegebenermaßen dann deutlicher, wenn die Fahrt noch länger gedauert hätte und die Schadensorte noch weiter auseinander lägen.

Der Bekl. verkennt schon, dass es nicht darum geht, ob eine einheitliche Trunkenheitsfahrt vorliegt. Die Trunkenheitsfahrt als solche ist nicht der Versicherungsfall. Ansprüche Dritter, die die Kl. zu befriedigen hatte, ergaben sich nicht aus der Fahrt selbst, sondern erst aus den jeweiligen Unfallereignissen.

Auch das Urteil des BGH v. 9.11.2005 (IV ZR 146/04) spricht für die hier und auch vom LG bereits vertretene Auffassung. Es heißt dort:

‘Grds. ist davon auszugehen, dass mehrere Versicherungsfälle vorliegen, wenn zu unterschiedlichen Zeitpunkten Rechtsgüter unterschiedlicher Personen geschädigt werden. Anderes kann allenfalls dann gelten, wenn sich die einzelnen Schadensereignisse als Teil eines einheitlichen Vorgangs oder eines einheitlichen Geschehensablaufs darstellen ( … ). Ob ein solcher angenommen werden kann, ist nach der Verkehrsauffassung bei natürlicher Betrachtungsweise zu entscheiden. Anders als die Revision meint, erweisen sich die beiden vom Kl. verursachten Unfälle bei Anlegung dieser Maßstäbe als selbstständige Versicherungsfälle. Beide sind im Abstand von etwa einer halben Stunde in verschiedenen Ortschaften geschehen und stehen damit weder in einem engen zeitlichen noch in einem engen räumlichen Zusammenhang.’

Der dortige Sachverhalt ist dem hiesigen sehr ähnlich. Der VN fuhr stark alkoholisiert und stieß im Abstand von etwa einer halben Stunde an unterschiedlichen Orten jeweils gegen am Fahrbahnrand abgestellte Fahrzeuge, wobei er die Unfallorte in beiden Fällen umgehend verließ und seine Fahrt fortsetzte.

Es liegt auch kein gedehnter Versicherungsfall vor, weil dieser zur Voraussetzung hätte, dass angenommen werden müsste, der mit dem ersten Unfall herbeigeführte Zustand habe angedauert und erst mit dem letzten Unfall sein Ende gefunden (vgl. BGH, NJW 1989, 3019).

2. Es fehlt allerdings an der wirksamen Vereinbarung derjenigen Oblieg...

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