Wenn der einsichtige Geschädigte nicht mit Kosten belastet werden, gleichzeitig aber weder auf einen Rechtsanwalt, noch auf einen eigenen Sachverständigen verzichten möchte, müsste er viel Phantasie entwickeln und könnte beispielsweise wie folgt vorgehen: Zuerst beauftragt er zwar wie üblich seinen Gutachter zur Ermittlung des Fahrzeugschadens nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des BGH, also auf Basis der Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt.

Aber wenn das Gutachten vorliegt, sieht er von der Beauftragung eines Anwaltes vorerst ab. Er beauftragt seinen Anwalt also noch nicht gleich, sondern erst später. Stattdessen wird er zunächst selbst aktiv. Das hat gute Gründe. Denn vor der Beauftragung informiert er sich erst einmal umfassend, um seinem Anwalt hinterher einen Auftrag zu erteilen, der jegliches Kostenrisiko ausschließt. Er leistet also Vorarbeit.

Man stelle sich einmal nachfolgendes Szenario vor.

1. Rechts- und Praxiskenntnisse erwerben

Zuerst müsste der Geschädigte in Erfahrung bringen, dass es eine Rechtsprechung des BGH zur fiktiven Abrechnung von Fahrzeugschäden gibt. Mit dieser Rechtsprechung müsste er sich vertraut machen und auseinander setzen.

Er müsste dann spezielle Kenntnisse erlangen von den Feinheiten dieser Rechtsprechung, den Verweisungsmöglichkeiten der Versicherer und differenzieren lernen zwischen den klaren Reparaturschäden, den 100 % und 130 % Fällen und seinen eigenen Fall einer dieser Kategorien zuordnen.

Angenommen, es handelte sich um einen einfachen Reparaturschaden und der Geschädigte hat das richtig erkannt. Dann ist er schon weit fortgeschritten.

Mit seinen – möglichst zeitnah nach dem Unfall erworbenen – Rechts- und Praxiskenntnissen müsste er jetzt feststellen, welcher Versicherer für ihn zuständig ist und ob gerade dieser Versicherer bei der fiktiven Geltendmachung von Fahrzeugschäden von seinem Verweisungsrecht Gebrauch macht, das ihm der BGH seit dem Porsche Urteil in ständiger Rechtsprechung gewährt.[13]

Denn macht der Versicherer davon keinen Gebrauch, kann der Geschädigte seinen Anwalt sofort beauftragen und ihm den Auftrag erteilen, seinem Schadensersatzanspruch die Schadenshöhe aus seinem eigenen Gutachten zugrunde zu legen, also die Reparaturkosten auf Basis der Stundenverrechnungssätze der markengebundenen Fachwerkstatt fiktiv geltend zu machen.

Es kann ihm dann nichts passieren, denn dieser Anspruch wäre begründet, bliebe begründet und würde vom Versicherer auch zuzüglich der insoweit angefallenen außergerichtlichen Anwaltskosten anerkannt und vollständig ausgeglichen werden.

Ein Kostenrisiko wäre also ausgeschlossen, wenn der Versicherer nicht verweist.

2. Marktforschung betreiben

Aber angenommen, der Versicherer verweist. Die Wahrscheinlichkeit ist groß.

Dann wird es kompliziert. Denn der Geschädigte müsste jetzt noch weitere notwendige Feststellungen zur Schadenhöhe treffen. Er, der zwar immer noch nicht anwaltlich vertreten, aber mittlerweile mit speziellen Rechts- und Praxiskenntnissen ausgestattet ist, müsste bei dem zuständigen Versicherer anrufen und fragen, um sich zu informieren. Der Geschädigte ruft also an.

Nachdem ihm der zuständige Mitarbeiter des Versicherers die bevor stehende Verweisung explizit bestätigt, muss der Geschädigte die Namen der Partnerwerkstätten thematisieren, also in Erfahrung bringen, wohin verwiesen wird. Der Geschädigte fragt also.

Wenn der Mitarbeiter des Versicherers dann die Partnerwerkstätten nennt, muss der Geschädigte nach den durchschnittlichen Löhnen fragen oder, wenn er ganz auf Nummer sicher gehen will, die durchschnittlichen Stundenverrechnungssätze der Partnerwerkstätten in der jeweiligen Region selbstständig ermitteln.

Es handelte sich dabei um nichts anderes als die Marktforschung, die der BGH dem Geschädigten nicht zumutet.

Wenn der Geschädigte aber all diese Feststellungen getroffen hat, ist er immer noch nicht an seinem Ziel angelangt, ohne Kostenrisiko einen Anwalt zu beauftragen, weil er sich noch einer besonderen technischen Herausforderung stellen muss.

3. Schadensberechnung in die Hand des Versicherers legen

Denn der Geschädigte müsste nun noch die in seinem Gutachten zugrunde gelegten Stundenverrechnungssätze gegen die niedrigeren Stundenverrechnungssätze der Partnerwerkstätten des Versicherers austauschen, die er gerade ermittelt und erfragt hat.

Das ist für den Laien kompliziert, weil die jeweiligen AW-Werte umgerechnet werden müssen.

Am übersichtlichsten wäre es vielleicht, wenn der Geschädigte die neuen Stundenverrechnungssätze und die sich daraus ergebenden Reparaturkosten jeweils handschriftlich in das Gutachten seines Sachverständigen einträgt und am Ende den vollständigen Fahrzeugschaden eigenhändig komplett neu ermittelt, das Gutachten mithin ändert.

Dies wäre im Ergebnis nichts anderes als die Schadensberechnung in die Hände des Versicherers zu geben bzw. sie selbst nach dessen Vorgaben in einem voraus eilenden Gehorsam durchzuführen.

4. Rechtsanwalt ohne Kostenrisiko beauftragen

Erst nach alledem dürfte der Geschädigte einen Termin bei seinem Anwalt machen, er könnte unbeschwert die Vollmacht unterzeichnen und den Au...

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