Es ist interessant, dass zum Thema "Akteneinsicht" und "Gehörsverstoß" die rigorose Rechtsprechung des OLG Bamberg nicht einmal erwähnt wird. Wenn man sich Rechtsprechung heraussucht, die "nicht tragend" über die Problematik entschieden hat, muss man natürlich nicht dem BGH vorlegen. Dennoch ist die Entscheidung des OLG Karlsruhe ein ganz wichtiger Baustein für die Argumentation der Verteidigung, denn sie liegt auf einer Linie wie der Saarl. VerfGH in seiner Entscheidung vom 27.4.2018 (1 Lv 1/18): der Betr. hat einen Anspruch auf Einsicht auch in für die Verurteilung maßgeblichen Dokumente, die sich nicht bei der Akte befinden. Gedanklich trifft diese Entscheidung dann natürlich auch auf die Rohmessdaten, die Messserie des Messtages, Statistikdateien, Reparaturunterlagen etc. zu.

Wichtig ist hier noch die Differenzierung zwischen dem Verstoß gegen den fair trial Grundsatz (Nichtherausgabe der Bedienungsanleitung) und dem Gehörsverstoß (Verwerfungsurteil ohne Entscheidung über den Aussetzungsantrag). Das OLG Karlsruhe behauptet gerade nicht, dass die Nichtherausgabe der Bedienungsanleitung einen Gehörsverstoß darstellt, wohingegen der Saarl. VerfGH diese beiden Rechte inhaltlich nahezu gleichrangig angesehen hat, wenn durch Nichtherausgabe von Daten/Akten gegen die Rechte des Betr. verstoßen wurde.

Die im Übrigen angesprochene Rechtsfrage des Umfangs der Entbindungsentscheidung ist betroffenenfreundlich, aber sie leuchtet mir nicht ein. Warum ist der Antrag des Betr. nur auf einen Termin (denn er kann bei Antragstellung noch keine Verlegung prognostizieren) beziehbar, die gerichtliche Entscheidung dann aber auf "die Hauptverhandlung", selbst wenn sie verlegt wird? Gilt die Entbindungsentscheidung dann auch bei Aussetzung der Hauptverhandlung oder nur bei Verlegung? Die Rechtssicherheit wäre eher gewährleistet, wenn der Betr. wüsste, dass er bei Verlegung oder Aussetzung stets einen neuen Antrag zu stellen hat, nur nicht bei bloßer Unterbrechung. Immerhin ist das Anwesenheitsrecht durch die fortdauernde Entbindung nicht tangiert: dieses besteht als Korrelat zur ursprünglichen Erscheinenspflicht des § 73 OWiG. Dieses würde den Betr. übrigens auch dazu berechtigen, trotz Entbindung einen Terminsverlegungsantrag zu stellen, wenn er denn doch teilnehmen wollte.

RiAG Dr. Benjamin Krenberger

zfs 8/2018, S. 471 - 472

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