"… [18] Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg, da das VG die Klage zu Recht abgewiesen hat. Der Bescheid des Bekl. v. 28.9.2016 und der Widerspruchsbescheid vom 1.3.2017 sind im Umfang der Anfechtung rechtmäßig und verletzen den Kl. nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Er ist nicht berechtigt, mit seinem polnischen Führerschein Kfz auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu führen, da dieser Führerschein unter Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis ausgestellt worden ist."

[19] 1. Nach § 28 Abs. 1 S. 1 FeV vom 13.12.2010 (BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 2.1.2018 (BGBl I S. 2), dürfen Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ihren ordentlichen Wohnsitz i.S.d. § 7 Abs. 1 oder 2 FeV in der Bundesrepublik Deutschland haben – vorbehaltlich der Einschränkungen nach den Absätzen 2 bis 4 – im Umfang ihrer Berechtigung Kfz im Inland führen. Nach § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 FeV gilt die Berechtigung zum Führen von Kfz im Inland jedoch nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten. Die Behörde kann einen feststellenden Verwaltungsakt über die fehlende Berechtigung erlassen (§ 28 Abs. 4 S. 2 FeV).

[20] Ein ordentlicher Wohnsitz im Inland wird nach § 7 Abs. 1 S. 2 FeV angenommen, wenn der Betroffene wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder – bei fehlenden beruflichen Bindungen – wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen ihm und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, d.h. während mindestens 185 Tagen im Jahr, im Inland wohnt. Ein Bewerber, dessen persönliche Bindungen im Inland liegen, der sich aber aus beruflichen Gründen in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten der EU (oder EWR) aufhält, hat seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland, sofern er regelmäßig dorthin zurückkehrt (§ 7 Abs. 1 S. 3 FeV). Die Voraussetzung entfällt, wenn sich der Bewerber zur Ausführung eines Auftrags von bestimmter Dauer in einem solchen Staat aufhält (§ 7 Abs. 1 S. 4 FeV).

[21] Diese Bestimmungen stehen mit Art. 2 Abs. 1, Art. 7 und Art. 12 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 20.12.2006 über den Führerschein (Neufassung, ABl EG Nr. L 403 S. 18 – RL 2006/126/EG) in Einklang. Nach Art. 2 Abs. 1 RL 2006/126/EG werden die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine gegenseitig anerkannt (und damit auch die zugrundeliegenden Fahrerlaubnisse, vgl. EuGH, Urt. v. 26.10.2017 – C-195/16, ABl EU 2017, Nr. C 437, S. 8, juris Rn 48 f.). Allerdings darf ein Führerschein nur an Bewerber ausgestellt werden, die im Hoheitsgebiet des den Führerschein ausstellenden Mitgliedstaats ihren ordentlichen Wohnsitz haben oder nachweisen können, dass sie während eines Mindestzeitraums von sechs Monaten dort studiert haben (Art. 7 Abs. 1 Buchst. e RL 2006/126/EG). Nach Art. 7 Abs. 5 Unterabs. 2 RL 2006/126/EG achten die Mitgliedstaaten bei der Erteilung einer Fahrerlaubnis sorgfältig darauf, dass eine Person die Anforderungen des Abs. 1 – und somit auch die Wohnsitzvoraussetzung – erfüllt.

[22] 2. Die Prüfung, ob Informationen über den Wohnsitz des Fahrerlaubnisinhabers zum Zeitpunkt der Erteilung des Führerscheins als vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührend und unbestreitbar eingestuft werden können, obliegt den Behörden und Gerichten des Aufnahmemitgliedstaats (vgl. EuGH, Urt. v. 1.3.2012 – Akyüz, C-467/10, NJW 2012, 1341 Rn 73 und 74 [= zfs 2012, 359, Ls.]). Dabei muss die Begründung eines Scheinwohnsitzes aufgrund der vom Ausstellungsmitgliedstaat stammenden Informationen nicht bereits abschließend erwiesen sein (vgl. BayVGH, Beschl. v. 12.1.2018 – 11 CS 17.1257, juris Rn 10; Beschl. v. 23.1.2017 – 11 ZB 16.2458, juris Rn 12; OVG NRW, Beschl. v. 9.1.2018 –16 B 534/17, juris Rn 14 ff. m.w.N). Vielmehr reicht es aus, wenn diese Informationen darauf "hinweisen", dass der Inhaber des Führerscheins im Gebiet des Ausstellungsmitgliedstaats einen rein fiktiven Wohnsitz allein zu dem Zweck begründet hat, der Anwendung der strengeren Bedingungen für die Ausstellung eines Führerscheins im Mitgliedstaat seines tatsächlichen Wohnsitzes zu entgehen (vgl. EuGH, Urt. v. 1.3.2012 a.a.O. Rn 75). Dann können die Behörden und Gerichte des Aufnahmemitgliedstaats auch inländische Umstände zur Beurteilung der Frage, ob die Wohnsitzvoraussetzung eingehalten ist, heranziehen (st. Rspr., vgl. BayVGH, Beschl. v. 12.1.2018, a.a.O., Rn 10; Beschl. v. 23.1.2017, a.a.O., Rn 12; OVG NW, Beschl. v. 9.1.2018, a.a.O., Rn 14 ff.).

[23] Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben hat das VG zutreffend festgestellt, dass die aus dem Ausstellungsmitgliedstaat Polen stammenden Informationen auf die Nichterfüllung der Wohnsitzvoraussetzung bei der Ausstellung des Führerscheins hinweisen und in Zusammenschau mit den übrigen bekannten Umständen auf einen Wohnsitzverstoß schließen lassen.

[24] a) Die Fahre...

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