Der nichtinformierte Rechtsanwalt, insbesondere der Fachanwalt für Verkehrsrecht, ist nach Einschätzung der Verfasser erheblichen Haftungsrisiken ausgesetzt, wenn er sich nicht mit der Fahrerschutzversicherung beschäftigt, insbesondere nicht überprüft, ob sein Mandant über dieses Produkt verfügt. Dies wird insbesondere in Fällen der Mithaftung evident. Die Praxis des Verfassers aber auch Umfragen unter Kollegen belegen, dass in den seltensten Fällen ein konkreter Anwaltsvertrag in der Unfallschadenregulierung geschlossen wird. Meistens wird allein eine Vollmacht zur Unterzeichnung vorgelegt. Selbst wenn ein förmlicher Anwaltsvertrag geschlossen wird, so heißt es dort, wie im Übrigen auch in der Vollmacht regelmäßig wie folgt:

Zitat

"Unfallschaden vom …"

Es zeigt sich also, dass im Regelfall kein isolierter Auftrag erfolgt im Hinblick auf die Tätigkeit der Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs aus einem konkreten Unfallereignis gegenüber einem speziellen Haftpflichtversicherer, sodass eine umfangreiche Vollmacht bzw. ein umfangreicher Auftrag erteilt wird.

Jedenfalls in diesem Falle ist der Anwalt erheblichen Haftungsrisiken ausgesetzt. Der Rechtsanwalt schuldet die Erbringung der geforderten Dienstleistung. Nach § 43 BRAO hat der Rechtsanwalt seinen Beruf gewissenhaft auszuüben. Dies führt nach der langjährigen und ständigen Rechtsprechung des BGH dazu, dass der Rechtsanwalt zu einer allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Beratung seines Mandanten verpflichtet ist.[34]

Danach hat der Rechtsanwalt diejenigen Schritte einzuleiten, die zu dem erstrebten Ziel zu führen geeignet sind und um nach Möglichkeit Nachteile für den Mandanten – soweit möglich – zu verhindern. Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass der Rechtsanwalt des unfallgeschädigten Mandanten gehalten ist, seinem Mandanten sämtliche denkbaren Ansprüche ungeschmälert zukommen zu lassen. Dies setzt zunächst einmal die umfangreiche Befragung des Mandanten über die von diesem unterhaltenen Versicherungen voraus. Dies selbst dann, wenn es dem Mandanten vordergründig um die Durchsetzung von deliktischen Ansprüchen oder Ansprüchen aus der Halterhaftung des § 7 StVG geht.

Nicht selten wird der Rechtsanwalt "am Ende des Tages" zu dem Ergebnis gelangen, dass eine Unaufklärbarkeit des Unfallereignisses gegeben ist, mit der Folge, dass der Unfallgegner aus der Halterhaftung nur zu 50 % in Anspruch zu nehmen ist. Schickt er seinen Mandanten dann in Unkenntnis der Fahrerschutzversicherung nach Hause, obwohl er über die Fahrerschutzversicherung die restlichen Ansprüche mit Erfolg durchsetzen könnte, so wird er durch den Rechtssuchenden völlig zurecht aus einer Pflichtverletzung des Mandates in Anspruch zu nehmen sein.

Wichtiger ist indes, dass der Unfallgeschädigte einen 100 %igen Ersatz erhält. Nichts anderes gilt, wenn der Rechtsanwalt den Unfallgeschädigten aufgrund einer Vorsatztat des Unfallverursachers[35] voreilig an die Verkehrsopferhilfe verweist.[36] Hier steht dem Unfallgeschädigten ebenfalls ein vorrangiger Anspruch aus der Fahrerschutzversicherung zu und er ist nicht auf die Haftungsbegrenzungen der Verkehrsopferhilfe beschränkt. Dass der Rechtsanwalt besonderen Verpflichtungen nachzukommen hat, hat in diesem Zusammenhang auch jüngst das OLG Karlsruhe[37] befunden. Die Leitsätze dieser Entscheidung lauten wie folgt:

Zitat

"(1) Wird dem Rechtsanwalt ein unbeschränktes Mandat erteilt, ist er beauftragt, seinen Mandanten in der gesamten Rechtsangelegenheit umfassend zu beraten und zu vertreten. Es gibt keinen Erfahrungssatz, dass ein Mandant einem Rechtsanwalt stets ein unbeschränktes Mandat erteilt."

(2) Soweit der Mandant nicht eindeutig zu erkennen gibt, dass er des Rats nur in einer bestimmten Richtung bedarf, ist der Rechtsanwalt grundsätzlich zur allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung des Auftraggebers verpflichtet. Der Rechtsanwalt muss daher die zugrunde liegenden, für die rechtliche Prüfung bedeutsamen Umstände und Vorgänge klären, indem er den Mandanten befragt und von diesem entsprechende Unterlagen erbittet.“

Der nicht sach- und fachkundige Mandant weiß im Regelfall nicht, wie seine Angelegenheit umfassend und in seinem Interesse geregelt werden kann. Aufgrund dessen sucht er gerade die Beratung eines Rechtsanwalts.[38]

Zum Recht des Versicherungsmaklers hat der BGH kürzlich den Pflichtenkreis des Versicherungsmaklers im Verhältnis zum Auftraggeber bestimmt.[39] Er hat ausgeführt:

Zitat

"Der Umstand, dass es zur eigenen Verantwortung des Versicherungsnehmers gehört, sich über Ausschlussfristen nach den Versicherungsbedingungen zu informieren, lässt keinen Raum für die Verteidigung des Versicherungsmaklers, sich auf diese Obliegenheit des Versicherungsnehmers zu berufen, weil sie lediglich das Verhältnis des Versicherungsnehmers zum Versicherer betrifft. Der Versicherungsnehmer bedient sich aber gerade des Versicherungsmaklers als sachkundigen Fachmann, um seine Ansprüche zu wahren und durchzusetzen."

Nichts anderes...

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