"… Das LG hat mit in jeder Hinsicht zutreffender Begründung die Klage abgewiesen und weitergehende Entschädigungsansprüche der Kl. i.H.v. 297.910 EUR wegen des Brands in ihrem versicherten Haus vom 23./24.11.2012 aufgrund der bei der Bekl. abgeschlossenen Wohngebäude- und Hausratversicherungen verneint sowie der Widerklage der Bekl. auf Rückzahlung bereits erbrachter Entschädigungsleistungen i.H.v. 50.000 EUR stattgegeben."

Ergänzend ist folgendes anzumerken: Nicht zu beanstanden ist, dass das LG in den unterlassenen Angaben der Kl. zu ihren Verbindlichkeiten gegenüber der S und ihrer insoweit unzutreffend erteilten Auskunft über die Höhe ihrer Schulden, insb. gegenüber dem Regulierungsbeauftragten der Bekl., dem Zeugen N, eine arglistige Täuschung mit entsprechender Täuschungsabsicht gesehen und deswegen eine vollständige Leistungsfreiheit der Bekl. gem. § 26 Nr. 1 VGB 2003 sowie Ziff. 13.1 VHB 2008 angenommen hat.

1. Eine bewusste Täuschung der Kl. bezogen auf die o.g. Verbindlichkeiten fehlt nicht deswegen, weil sie – so ihr Vortrag – ihre bewusst falsche Angabe zur Höhe der Schulden mit 10.000 EUR–15.000 EUR vermeintlich plausibel und nachvollziehbar mit ihrer damaligen Angst, auf der Straße zu stehen, und dem Verlust ihres gesamten Hab und Guts erläutert habe. Auch aus Sicht des Senats hat die Kl. damit gerade ihren für eine Arglist erforderlichen Willen und das Bewusstsein, der Bekl. einen Nachteil zuzufügen, zum Ausdruck gebracht.

Die vor allem bei Aufklärungs- und Informationsobliegenheiten vorzufindende Arglist des VN verlangt über das Wollen der Obliegenheitsverletzung hinaus, dass das Verhalten des VN zumindest bedingt vorsätzlich darauf gerichtet ist, dem VR einen Nachteil zuzufügen. Dieser Nachteil muss nicht in einer ungerechtfertigten Zahlung bestehen; auch eine Bereicherungsabsicht ist nicht erforderlich. Es genügt, wenn das inkorrekte Verhalten des VN Beweisschwierigkeiten überwinden oder wenn der VR davon abgehalten werden soll, an sich gebotene Ermittlungen über die Berechtigung des Anspruchs anzustellen (Prölls/Martin/Armbrüster, VVG 29. Aufl. 2015, § 28 VVG Rn 198 m.w.N.).

Ihre damalige Angst, bei wahrheitsgemäßer Beantwortung der Fragen nach ihren Schulden auf der Straße zu stehen, d.h. keine Entschädigung zu erhalten, um die Wohn- und Ausstattungssituation nach dem Brand angehen zu können, verdeutlicht die Erkenntnis der Kl., dass die Frage nach ihren aktuellen Verbindlichkeiten für die Regulierungsentscheidung der Bekl. von nicht unerheblicher Bedeutung war und die wahrheitsgemäße Beantwortung für sie selbst mit Nachteilen, also mit weiteren Ermittlungen und im schlimmsten Fall mit einer gänzlichen Verweigerung der Entschädigung, verbunden sein könnte. Dass sie in dieser Erkenntnis die Höhe ihrer Verbindlichkeiten bewusst unrichtig angegeben hat, lässt den Rückschluss auf ihren Willen zu, die Bekl. von weiteren Ermittlungen zu diesem Punkt abzuhalten.

2. Der Annahme einer arglistigen Täuschung steht auch nicht entgegen, dass die Kl. den Sinn der Fragen nach ihrer wirtschaftlichen Situation sowie ihren Schulden und deren Zusammenhang mit dem Versicherungsfall nicht verstanden haben will, weil nach ihrer Ansicht die Bekl. im Versicherungsfall unabhängig vom Bestand ihrer Schulden habe leisten müssen.

Der VR kann verlangen, dass der VN jede Auskunft erteilt, die zur Feststellung des Versicherungsfalls oder des Umfangs der Leistungspflicht des VR erforderlich ist (§ 31 Abs. 1 S. 1 VVG). Der Zweck dieser Obliegenheit besteht – für den durchschnittlichen VN erkennbar – darin, den VR in die Lage zu versetzen, die Voraussetzungen seiner Eintrittspflicht sachgerecht zu prüfen, indem er Ursache und Umfang des Schadens ermittelt. Das schließt die Feststellung solcher mit dem Schadensereignis zusammenhängenden Tatsachen ein, aus denen sich – etwa nach § 81 Abs. 1 VVG – die Leistungsfreiheit des VR gegenüber dem VN ergeben kann (BGH zfs 2006, 316 258 ff.). Der VN hat daher auf entsprechendes Verlangen auch solche Tatsachen wahrheitsgemäß und vollständig zu offenbaren, selbst wenn die Erfüllung der Auskunftsobliegenheit eigenen Interessen widerstreitet, weil sie dem VR erst ermöglicht, sich auf Leistungsfreiheit zu berufen (…). Es ist grds. Sache des VR, welche Angaben er zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält, um seine Entscheidung über die Leistungspflicht auf ausreichender und gesicherter Tatsachengrundlage treffen zu können (…) Dazu können auch Fragen nach den Vermögensverhältnissen des VN, insb. nach der Abgabe eidesstattlicher Versicherungen, nach dem Vorliegen rechtskräftiger Schuldtitel und der Höhe der Verbindlichkeiten gehören, weil sich daraus für den VR Anhaltspunkte ergeben können, der Eintritt des Versicherungsfalls und die damit verbundene Entschädigungsleistung entspreche der finanziellen Interessenlage des VN (…).

Demnach ist unerheblich, ob die Kl. den Sinn der Fragen des Zeugen N. nach ihrer wirtschaftlichen Situation, insb. ihren Verbindlichkeiten, verstanden hat. Die S...

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