Die Diskrepanz zwischen der Rechtsprechung der OLG und der AG in puncto Akteneinsicht und standardisiertes Messverfahren ist derzeit deutlich. In dieser Entscheidung sind wieder mehrere Aspekte enthalten, die der Verteidiger klar auseinanderhalten muss: Zunächst muss er sich – wie hier – alle seiner Ansicht nach erforderlichen Unterlagen zur Prüfung der Messung im Vorverfahren selbst organisieren. Das Gericht ist, sofern keine Zweifel an der konkreten Messung bestehen, nach durchgeführter Beweisaufnahme nicht einmal verpflichtet, weitere Akteneinsicht zu gewähren, Unterlagen beizuziehen oder gar ein Gutachten einzuholen. Des Weiteren besteht zunächst nur ein Anspruch auf die Daten der konkreten Messung. Es ist durchaus vertretbar, eben aus Gründen des Datenschutzes, die Gewährung von Einsicht in die restlichen Daten erst nach Gerichtsbeschluss zu gewähren. Der Verteidiger sollte sich aber darüber im Klaren sein, dass Erkenntnisse aus dem restlichen Messfilm allenfalls ein Indiz sein können, um die konkrete Messung in Zweifel zu ziehen. Denn wenn diese beanstandungsfrei bleibt, kann das Gericht verurteilen, selbst wenn bei anderen Messungen Anhaltspunkte für ein Abweichen vom Standard gefunden werden. Theoretisch kann das Gericht deshalb den Antrag auch ablehnen und den Betroffenen auf das Befundprüfungsverfahren verweisen, um Zweifel am Messgerät – denn darum geht es – auszuräumen. Wichtig ist jedenfalls, dass sich das Akteneinsichtsrecht auch auf die Bestandteile der Beweisführung erstreckt, die nicht formal zur Akte genommen werden; dies hat das AG völlig zu Recht ausgeführt. Ich selbst hätte das Verfahren nach § 69 Abs. 5 OWiG zurückverwiesen, aber das steht im Ermessen jedes einzelnen Richters. Etwas unglücklich finde ich den Verweis auf Anonymisierungsmöglichkeiten der Behörde: Es ist ja gerade der Wunsch, nicht veränderte, also auch nicht anonymisierte Daten zu erhalten, um einen unverfälschten Einblick in die technischen Vorgänge zu bekommen.

RiAG Dr. Benjamin Krenberger

zfs 7/2016, S. 412 - 413

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