Ausgangspunkt der Entscheidung ist der Grundsatz, dass sich der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall der Beratungsdienste eines Anwalts bedienen darf und der Schädiger und sein Haftpflichtversicherer diese adäquaten Rechtsverfolgungskosten zu ersetzen haben (vgl. Greißinger, zfs 1999, 504 ff.). Schon der Grundsatz der Waffengleichheit spricht dafür, dass der Geschädigte das gegenüber der Haftpflichtversicherung bestehende Informationsgefälle durch die Hinzuziehung eines Anwalts ausgleichen darf. Nur in Ausnahmefällen wird ein solcher Anspruch zu verneinen sein.

1. In einem einfach gelagerten Schadensfall, wie etwa bei der Beschädigung von Autobahneinrichtungen durch Kfz, wobei die Haftung nach Grund und Höhe "derart klar" ist, dass aus der Sicht des Geschädigten kein Anlass zu Zweifeln an der Ersatzpflicht des Geschädigten besteht, ist die erstmalige Geltendmachung des Anspruchs gegenüber dem Schädiger und dessen Versicherung durch Einschaltung eines Rechtsanwalts grds. nicht erforderlich, es sei denn der Geschädigte ist wegen fehlender Geschäftsgewandtheit nicht dazu in der Lage (vgl. BGH zfs 1995, 48 m. Anm. Höfle).

Den Grundsatz, dass Rechtsanwaltskosten als erstattungsfähige Folgekosten eines Unfalls anzusehen sind, zieht das nicht in Zweifel (vgl. dazu BGH NJW 1986, 2243; BGH VersR 1970, 41; OLG Hamm zfs 2008, 587), sondern stellt nur auf das Korrektiv der gewählten Maßnahme der Schadensbehebung durch die nicht erforderliche Anwaltsbeauftragung ab.

2. Hat die Haftpflichtversicherung des Schädigers die Haftung dem Grunde nach anerkennt, ist nach wie vor die Beauftragung eines Anwalts durch den Geschädigten eine angemessene erstattungsfähige Maßnahme der Schadensbehebung. Mit der zugesagten Haftung dem Grunde nach sind noch keine Weichen für die Bestimmung der Höhe des Schadens gestellt. Gerade hier kann sich der Wissensvorsprung der Haftpflichtversicherung auswirken, die über auf diesem Rechtsgebiet geschultes Personal verfügt und Schwierigkeiten und Probleme bei der Bestimmung der Höhe des Schadens (Reparaturumfang vgl. etwa Smart-Repair Nugel, NZV 2015, 12 ff.; Vorteilsausgleichung, Probleme der Abrechnung auf Gutachtenbasis, Sachverständigenkosten) sehen wird (vgl. zum Wissensvorsprung der Haftpflichtversicherung: AG Darmstadt zfs 2002, 71; AG Darmstadt zfs 2002, 300; Hillmann/Schneider, Das verkehrsrechtliche Mandat, Bd. 2: Verkehrszivilrecht, 6. Aufl., § 8 Rn 417).

3. Der in der Entscheidung als Ausnahmefall der erlaubten Inanspruchnahme der Dienste eines Anwalts formulierte Satz, dass der Geschädigte bereits vor Verzug einen Anwalt zur Verfolgung seiner Rechte einschalten dürfe, wenn er schutzbedürftig ist und die konkrete anwaltliche Tätigkeit aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte zweckmäßig gewesen ist, ist auch im Hinblick auf den subjektiven Einschlag bei der Bestimmung der Erforderlichkeit der Beauftragung umzuformulieren. Der "rechtsunkundige" Einmalprozessierer wird bei einem Verkehrsunfall, in dem er seine Ansprüche geltend machen will, nicht in der Lage sein, die Konsequenzen der Geltendmachung und der Einwände der ihm auf diesem Gebiet deutlich überlegenen Haftpflichtversicherung zu überschauen. Die Gegenansicht vermeidet nicht die Gefahr einer Überforderung des Geschädigten. Tragende Erwägung für die versagte Möglichkeit der Einschaltung eines Anwalts schon bei der erstmaligen Geltendmachung des Schadens ist die Annahme gewesen, dass sich dies bei einem "einfach gelagerten Sachverhalt" wegen der den Geschädigten treffenden Schadensminderungspflicht gem. § 254 Abs. 2 BGB oder sogar schon wegen fehlender Erforderlichkeit nach § 249 BGB verbiete. Diese Voraussetzung dürfte unrichtig sein. Nicht nur bei Personenschäden (z.B. Haushaltsführungsschäden, vermehrte Bedürfnisse), sondern auch bei Sachschäden ist der Geschädigte schon nicht in der Lage, zu Grund und Höhe irgendwelche unangreifbaren Angaben zu machen. Hinzu kommt bei Unfällen im Begegnungsverkehr das Problem der Haftungsverteilung. Die wachsende Komplexität und die zumindest für Nicht-Spezialisten unübersichtliche Rspr. zu Ansatz und Angemessenheit der Schadenspositionen legt es nahe, dass es je nach der Qualität und Streitkultur der an der Regulierung des Schadensfalles Beteiligten einen einfach gelagerten Schadensfall nicht mehr gibt. Geradezu lässt sich der Regulierungsumfang mit dem Schlagwort umschreiben, dass "etwas immer geht", der Geschädigte zu einer verlässlichen Einschätzung seiner Chancen nicht in der Lage ist (vgl. LG Krefeld NJW-RR 2011, 1403; AG Kassel MZV 2009, 507). Ob zusätzlich bei der Überschreitung einer bestimmten Höhe des geltend gemachten Schadens allein mit dieser Begründung ein nicht einfach gelagerter Sachverhalt anzunehmen ist (vgl. LG Krefeld a.a.O.) erscheint überzeugend, ist aber wohl nur eine weitere Begründungsmöglichkeit für das Fehlen eines einfach gelagerten Sachverhalts.

4. Erkennt die Haftpflichtversicherung die Haftung...

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