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Ist ein Fahrzeug nach einem Verkehrsunfall nicht mehr fahrtauglich, stellen die bei dem Abschleppvorgang anfallenden Kosten i.d.R. einen ersatzfähigen Fahrzeugschaden dar. Während jahrelang die dabei in Rechnung gestellten Kosten der Abschleppunternehmen ohne weitere Kontrolle ausgeglichen worden sind, hat sich dies in den letzten Jahren geändert. Mit diesem Beitrag wird, ergänzt durch die Prozesserfahrungen des Verfassers aus dieser Zeitspanne, eine Übersicht über die aktuelle Rechtsprechung und zugleich ein Lösungsvorschlag für die in der Praxis auftretenden Streitfälle dargelegt. Dabei gilt es zum einen Kriterien für eine praxistaugliche Bestimmung der üblichen Vergütung für derartige Vorgänge zu finden und zum anderen die Voraussetzungen zu bestimmen, anhand derer mögliche Einwände bei einem Überschreiten dieser Vergütung im Prozess berücksichtigt werden können.

A. Zur Bestimmung der üblichen Vergütung

In der aktuellen Rechtsprechung des BGH zur Bestimmung des zu ersetzenden Aufwandes eines im Schadensfall vom Geschädigten eingeschalteten Werkunternehmers wird immer wieder der Begriff der üblichen Vergütung als Vergleichsmaßstab angeführt.[1] Die Bestimmung dieser Vergütung bei der Einschaltung eines Abschleppunternehmers ist mithin in einem ersten Schritt näher darzulegen.

[1] Beispielhaft: BGH, Urt. v. 15.10.2013 – VI ZR 471/12 = zfs 2014, 73 bei der Beauftragung zur Ölspurbeseitigung.

I. Rückgriff auf die Preis- und Strukturumfrage des VBA

Zur Bestimmung der als üblich anzusehenden Kosten ist anerkannt, dass auf bestimmte Tabellen- und Umfragewerke zurückgegriffen werden kann, die in der Praxis als verlässliche Schätzungsgrundlage eingeschätzt und ggf. mit Auf- und Abschlägen modifiziert werden können.[2] Handelt es sich dabei aber um offene Befragungen der betroffenen Werkunternehmer, besteht allerdings die Gefahr, dass diese in Kenntnis der Bedeutung dieser Umfrage ihre Werte steuern können, wie die intensive Diskussion zur Bestimmung der erstattungsfähigen Mietwagenkosten in den letzten Jahren gezeigt hat. Daher ist eine genaue Betrachtung der entsprechenden Veränderungen zur Vorumfrage erforderlich. Im Bereich der Abschleppkosten wird in diesem Kontext die Preis- und Strukturumfrage (PUS) des Verbandes der Bergungs- und Abschleppunternehmen e.V. (VBA) regelmäßig in der Praxis berücksichtigt. Dieser Verband wurde im Jahre 1963 gegründet und weist derzeit ca. 1.400 Mitglieder auf. Die in den Umfragen aus 2010 und 2012 angeführten Werte werden in der Rechtsprechung zunehmend als taugliche Schätzungsgrundlage bestätigt.[3] Für das Jahr 2014 ist gerade eine neue Umfrage durchgeführt worden.

[2] Vgl. beispielhaft BGH, Urt. v. 18.12.2012 – VI ZR 316/11 = NJW 2013, 1539 im Bereich der Mietwagenkosten.
[3] AG Krefeld, Urt. v. 10.1.2014 – 6 C 301/13 = zfs 2014, 382 (in diesem Heft); AG Ratingen, Urt. v. 29.11.2013 – 9 C 292/13; AG Düsseldorf, Urt. v. 4.9.2013 – 25 C 4906/13; AG Wesel, Urt. v. 23.10.2013 – 27 C 108/13; AG Schweinfurt, Urt. v. 28.3.2011 – 1 C 1217/10; AG Esslingen, Urt. v. 1.6.2011 – 4 C 1825/10; AG Neuss, Urt. v. 18.12.2013 – 90 C 3350/13 und Urt. v. 12.9.2012 – 85 C 3163/12; AG Moers, Urt. v. 22.8.2013 – 563 C 193/13 – jeweils juris und AG Mannheim, Hinweisbeschl. v. 29.3.2012 – 1 C 46/12 = VRR 2012, 343.

II. Aufbau und Grundbegriffe der Umfrage

Die Umfrage unterteilt sich dabei im Wesentlichen in den Bereich des Stundensatzes für das Abschleppen im Pkw-Bereich einerseits und im Lkw-Bereich anderseits. Daneben enthält sie eine Übersicht für die Preise bei der Reinigung der Fahrbahn und dem Einsatz von Ölbindemitteln, eine Darstellung der üblichen Personalkosten und der Zeiteinteilung für Zuschläge auf diese Personalkosten und den Kosten für eine Verwahrung von Fahrzeugen.

1. Abrechnung nach Zeiteinheiten inkl. Fahrer

Die Umfrage zeigt, dass die Mehrheit der Abschleppunternehmen den Preis bei dem Einsatz eines Abschleppfahrzeugs auf Stundenbasis abrechnet, wobei in der Vergütung pro Stunde auch der Fahrer samt Personalkosten, alle Fahrtkosten und eine Reihe an üblichen Nebenkosten wie beispielsweise die Hakenlastversicherung enthalten sind.

2. Eingesetztes Fahrzeug

Das eingesetzte Fahrzeug wird nach seinem Gewicht bzw. der möglichen Traglast klassifiziert. Des Weiteren wird zwischen einem Abschleppfahrzeug mit dem Einsatz einer bloßen Seilwinde (LBK) und dem Einsatz eines Krans (LBFK) unterschieden. Letztere Fahrzeuge kommen im Pkw-Auftragsbereich insbesondere bei einer Bergung des verunfallten Fahrzeugs zum Einsatz, wenn dieses von der Fahrbahn abgekommen ist. Der Stundensatz für ein Fahrzeug mit Kran liegt dementsprechend auch höher als bei dem eines Fahrzeugs ohne Kran. Gemäß der Umfrage unter seinen Mitgliedern hat der VBA folgende Definition für eine Bergung getroffen, welche im Übrigen auch den allgemeinen Sprachgebrauch betrifft:

"Ein Fahrzeug muss geborgen werden, wenn es bei angenommener Fahrfähigkeit aus eigener Kraft die Fahrt nicht fortsetzen könnte. Unter Bergung wird das Aufrichten bzw. Herausziehen festsitzender Fahrzeuge verstanden. Die Bergung ist beendet, wenn das Fahrzeug für den Abtransport bereit ist."

Diese Definition ermöglicht eine klare Trennung zwischen dem einfachen Abschleppvor...

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