" … Das Landratsamt B. hat dem ASt. mit Bescheid v. 12.2.2014 in Anwendung von § 3 Abs. 1 S. 1 StVG, § 46 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 8 S. 1 FeV die Fahrerlaubnis entzogen, weil er einer Anordnung v. 12.11.2013 zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht Folge geleistet hat, welches die Frage klären sollte, ob zu erwarten ist, dass der ASt. auch künftig erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen wird. Mit seinen Rügen, die Entziehung der Fahrerlaubnis sei rechtswidrig, weil ihr eine rechtlich unzulässige Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zugrunde liege (1.) und sie zudem auf eine Umgehung des in § 4 StVG normierten Punktsystems hinauslaufe (2.), dringt der ASt. nicht durch. Unabhängig hiervon gebietet es auch eine von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache losgelöste Interessenabwägung, es beim sofortigen Vollzug der Entziehungsverfügung zu belassen (3.)."

1. Allerdings ist der Schluss von der Nichtbeibringung eines seitens der Fahrerlaubnisbehörde geforderten Gutachtens auf die Nichteignung nur zulässig, wenn die Anordnung der Untersuchung rechtmäßig, insb. anlassbezogen und verhältnismäßig ist. In materiell-rechtlicher Hinsicht ist insb. im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entscheidend, ob die Umstände, die der Behörde Anlass für die Anordnung gegeben haben, einen Fahreignungsmangel des betreffenden Fahrerlaubnisinhabers als naheliegend erscheinen lassen (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.6.2005 – 3 C 25.04 – NJW 2005, 3081; Senatsbeschl. v. 30.6.2011 – 10 S 2785/10 – [zfs 2011, 592 =] DAR 2011, 652).

Die Gutachtensanordnung begegnet im vorliegenden Fall keinen rechtlichen Bedenken. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 FeV. Nach dieser Vorschrift kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Klärung von Eignungszweifeln angeordnet werden bei erheblichen oder wiederholten Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften. Der ASt. hat diese Voraussetzungen erfüllt, da er wiederholt Verstöße gegen verkehrsrechtliche Vorschriften begangen hat, die im Verkehrszentralregister eingetragen sind und dort zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Gutachtensanordnung zum Erreichen von 10 Punkten geführt haben.

2. Die Gutachtensanordnung stößt auch nicht aus anderen Gründen auf rechtliche Bedenken, insb. liegt eine vom ASt. geltend gemachte Umgehung des Punktsystems nach § 4 StVG nicht vor. Das Punktsystem hat keinen Exklusivcharakter in dem Sinne, dass mit Punkten im Verkehrszentralregister bewertete Verstöße nur zu Maßnahmen nach § 4 Abs. 3 StVG führen dürften. Dies folgt ohne weiteres bereits aus dem Wortlaut von § 4 Abs. 1 S. 2 StVG in der maßgeblichen, zum Zeitpunkt der Gutachtensanordnung gültigen Fassung v. 2.12.2010. Denn nach dieser Vorschrift findet das Punktsystem keine Anwendung, wenn sich die Notwendigkeit früherer oder anderer Maßnahmen aufgrund anderer Vorschriften, insb. der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 StVG, ergibt. Eine inhaltsgleiche Regelung ist in § 4 Abs. 1 S. 3 StVG in der ab dem 1.5.2014 gültigen Fassung enthalten. Allerdings ist die Annahme einer solchen Notwendigkeit im Einzelfall besonders begründungspflichtig, soll nicht das auf einheitlich abgestufte Sanktionierungen typisierter Verkehrsverstöße abzielende Punktsystem in seiner vom Gesetzgeber intendierten Bedeutung zu stark relativiert werden (vgl. hierzu OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 10.12.2010 – 16 B 1392/10 – [zfs 2011, 179 =] NJW 2011, 1247; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 27.5.2009 – 10 B 10387/09 – DAR 2009, 478; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 6.6.2007 – OVG 1 S 55.07 – juris; Senatsbeschl. v. 19.7.2012 – 10 S 1112/12).

Das Punktsystem beinhaltet die Bewertung von Verkehrszuwiderhandlungen (Straftaten und Ordnungswidrigkeiten) mit einer nach Art und Schwere der Verstöße festgelegten Punktzahl und das Ergreifen abgestufter Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde bei Erreichen oder Überschreiten bestimmter Punkteschwellen. Es bezweckt eine Vereinheitlichung der Behandlung von Mehrfachtätern und soll dem Betr. Gelegenheit geben, aufgetretene Mängel durch Aufbauseminare und verkehrspsychologische Beratung möglichst frühzeitig zu beseitigen. Das abgestufte und transparente System rechtfertigt die Annahme, dass Personen, die 18 Punkte oder mehr erreicht haben, als ungeeignet zum Führen von Kfz anzusehen sind. Aus dem Punktsystem ergibt sich aber auch, dass der Gesetzgeber bewusst die weitere Straßenverkehrsteilnahme von Kraftfahrern mit einem nicht unerheblichen “Sündenregister’ in Kauf genommen und die Entziehung der Fahrerlaubnis von der zuvor eingeräumten Möglichkeit, Angebote und Hilfestellungen wahrzunehmen, abhängig gemacht hat (vgl. Bay.VGH, Beschl. v. 2.6.2013 – 11 CS 03.743 – juris). Hiervon darf nur abgewichen werden, wenn dies die Verkehrssicherheit und damit die Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer gebietet. Durch die Abweichung vo...

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