Nicht alle Ordnungswidrigkeiten bieten sich für Massentermine an. Abzusehen ist von der Terminierung auf die gleiche Uhrzeit, wenn Verfahrensverzögerungen vorprogrammiert sind. In der Regel wird der Rechtsanwalt – was seine Aufgabe ist – davon Gebrauch machen, die polizeiliche Messperson ausführlich zu vernehmen und detailliert zu erfragen, ob es zu Messfehlern gekommen ist. Wird noch ein Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens gestellt und eine Zeugenvernehmung beantragt zum Beweis der Tatsache, dass das Fahrverbot von zwei Monaten zur Existenzgefährdung des Betroffenen führen würde, so kann ein Bußgeldverfahren wegen der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gern mal mehr als eine Stunde dauern. Demgegenüber taugen für Massenverfahren tagtäglich massenhaft auftretende Bußgeldverfahren, bei denen weder in tatsächlicher noch rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten vorhanden sind, in Frage kommen Verfahren wegen Verstößen gegen das Fahrpersonal- oder Mautgesetz. Die Fahrereigenschaft des Betroffenen ist geklärt sowie die Verfehlung durch Urkunden (Schaublätter pp.) nachgewiesen, es geht oft nur noch um die Höhe der Geldbuße. Massenverfahren sind ggf. auch denkbar bei mit demselben Messgerät aufgenommenen Geschwindigkeitsüberschreitungen oder Abstandsverstößen. Terminiert der Richter hier in dutzenden Verfahren gleichzeitig, so wird dadurch dem Gebot der Verfahrensbeschleunigung Rechnung getragen, ferner wird dem Verteidiger ein Zeitverlust erspart.

Eine gewisse Flexibilität wird natürlich von allen Verfahrensbeteiligten vorausgesetzt. Da das Urteil am Schluss der Verhandlung verkündet wird (§ 268 StPO), macht ein Sammelverfahren natürlich bei einem Richter keinen Sinn, der sich vor der Verkündung zunächst 20 Minuten oder länger pro Angelegenheit ins Richterzimmer zurückziehen muss oder dafür bekannt ist, die Sitzung durch übertriebenen Formalismus in die Länge zu ziehen. Das Bewältigen einer beachtenswerten Anzahl von Angelegenheiten innerhalb überschaubarer Zeit setzt auch einen Willen der Verfahrensbeteiligten voraus, dies schnell "über die Bühne zu bringen". Oft sind Massenverfahren daher gepaart mit tatsächlichen Verständigungen. Die strafprozessuale Vorschrift des § 257c StPO ist – was den wenigsten Bußgeldrichtern bewusst ist – über die §§ 46, 71 OWiG auch auf das Ordnungswidrigkeitenverfahren anzuwenden.[8]

[8] Vgl. dazu: Fromm, Verteidigung in Straßenverkehrs-Ordnungswidrigkeitenverfahren, 2011, S. 181 f.; Burhoff, ZAP 2009, 477.

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