In den letzten Jahren hat sich bei vielen Bußgeldstellen und Gerichten die Ansicht verfestigt, dass man mit den Fahrerbußgeldern für Überladung oder für Verstöße gegen die Lenk- und Ruhezeiten häufig den Falschen sanktioniert. Nachdem es offenbar zunehmend wünschenswert wurde, den Halter zu treffen, ist man nun allerorts dabei, das Instrument der Gewinnabschöpfung (§ 29a OWiG) mit neuem Leben zu füllen.

Während das Bußgeldverfahren in erster Linie darauf abzielt, dem Täter u.a. durch den Punkteeintrag einen Denkzettel zu erteilen, soll mit dem Verfallsverfahren die Abschöpfung des durch den Verstoß rechtswidrig erlangten Vermögensvorteils erfolgen.

Leider ist das Verfahren in seiner praktischen Anwendung noch sehr unausgegoren. Obwohl in immer mehr Bußgeldstellen Fortbildungen zur Durchführung von Verfallsverfahren durchgeführt werden, sind die Verfallsberechnungen der verschiedenen Behörden und Amtsgerichte sehr uneinheitlich.

Während in einigen Regionen maßvolle Berechnungen vorgenommen werden, kann man anderenorts nur noch von modernem Raubrittertum durch die Bußgeldstellen sprechen, denen allenfalls noch von vernünftigen Amtsrichtern Einhalt geboten wird.

Verfahren, die als Verfallbescheide im fünf- bis sechsstelligen Bereich beginnen, um dann als amtsgerichtliche Urteile mit Augenmaß bei 2–15 % ihres Ausgangswertes zu enden, sind keine Seltenheit. Wohl dem, der sich wehrt!

Verbreitete Anwendung findet die Abschöpfungspraxis bei Überladungsfällen. In Hamburg und Umgebung gab es in den vergangenen Jahren regelmäßig Hausdurchsuchungen bei Fuhrunternehmen, Kiesgruben etc., bei denen durch die Beschlagnahme von Buchhaltungsunterlagen und durch das Auslesen elektronischer Lkw-Waagen vielfach Monate oder gar Jahre zurück viele tausende, häufig geringfügige Überladungen einer ganzen Reihe von Fuhrbetrieben nachweisbar wurden. Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Hanseatischen OLG, wonach die Verjährungsfrist bei Aufsichtspflichtverletzungen nach § 130 OWiG ohne auffällige Zäsur erst mit Abschluss der letzten Tat – hier: der letzten Überladung – zu laufen beginnt, wurden diese Taten über lange Zeiträume zurück geahndet. Fuhrunternehmen mit nur 10 oder 20 Lkw erhielten allein durch die Vielzahl der z.T. sehr geringen Überladungen Verfallsbescheide zwischen 50.000 und 800.000 EUR, in Einzelfällen über 1 Mio. EUR – und dies bei Jahresgewinnen, die häufig bei Weitem nicht an den Verfallsbetrag heranreichten.

Hoch problematisch ist bereits die Auswahl der Berechnungsmethode. So gehen eine Reihe von Bußgeldstellen nach m.E. richtiger Auffassung davon aus, dass lediglich der Fuhrlohn für die ordnungswidrige Übertonnage abschöpfungsfähig ist, mithin die Anzahl der überladenen Tonnen multipliziert mit dem vereinbarten Frachtpreis pro Tonne. Andere stellen sich auf den Standpunkt, der Lkw habe überladen nicht losfahren dürfen, mit der Folge, dass der Fuhrpreis für die gesamte Tour abzuschöpfen sei. Hierbei ist die sog. Bruttomethode anzuwenden, wonach aufgewendete Kosten für z.B. Benzin, Fahrerlohn etc. nicht abgezogen werden dürfen. Damit erhält die Abschöpfung einen strafenden Charakter und dies, obwohl sie nicht selten bei Personen erfolgt, die mit der eigentlichen Ordnungswidrigkeit nichts zu tun haben.

Vollkommen absurd wurde kürzlich gar diese Berechnung auf den Gesamtwert der Ladung ausgedehnt, was noch nach einer logischen Erklärung sucht, aber bereits zu einigen Bescheiden in Millionenhöhe geführt hat.

Berücksichtigt man zudem, dass die Behörde bei fehlenden Auskünften des Unternehmers die Frachtbeträge oder ersparten Aufwendungen schätzen darf – was in der Konsequenz zu einer Umkehr des Grundsatzes "in dubio pro reo" führt – gibt es nach oben hin kein Halten mehr.

Es ist an der Zeit, dass auch bei leerer Staatskasse die Vernunft Einkehr in den Wilden Westen der Gewinnabschöpfung hält.

Autor: Daniela Mielchen

RAin und FAin für Verkehrsrecht Daniela Mielchen, Hamburg

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