" … [13] 1. Die Berufung der Bekl. ist gem. § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, da die Berufungsbegründung nicht innerhalb der Frist des § 520 Abs. 2 ZPO bei Gericht eingegangen ist. Gründe für eine Wiedereinsetzung der Bekl. in den vorherigen Stand, § 233 ZPO, liegen nicht vor."

[14] a. Die Bekl. hat die Berufungsbegründungsfrist, § 520 Abs. 2 ZPO, versäumt.

[15] Zur Wahrung der Berufungsbegründungsfrist ist es ausreichend, dass die Berufungsbegründung in den Gewahrsam der zuständigen Stelle gelangt ist. Soweit sich die Bekl. hierauf beruft, trägt sie die Beweislast für diese Behauptung. Hierbei ist die Bekl. zwar nicht an den Strengbeweis gebunden, sondern es gilt der Freibeweis. Dies setzt jedoch die Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung nicht herab, sodass der Vollbeweis erforderlich ist (vgl. BGH, Beschl. v. 9.2.2009 – IV ZB 25/08, zitiert nach juris Rn 14; Beschl. v. 7.10.1992 – XII ZB 100/92, zitiert nach juris Rn 6; Heßler, in: Zöller, 31. Auflage 2016, § 519 ZPO Rn 20). Hierfür ist eine bloße Wahrscheinlichkeit für das behauptete Geschehen nicht ausreichend. Erforderlich ist in tatsächlich zweifelhaften Fällen ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit des erkennenden Senates, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. BGH, Urt. v. 17.2.1970 – III ZR 139/67, zitiert nach juris, Rn 72).

[16] Vorliegend ist der von der Bekl. behauptete Vortrag, dass der Zeuge B die von dem Zeugen A erstellte Berufungsbegründung fristgemäß bei der gemeinsamen Postannahmestelle eingeworfen hat, durchaus möglich. Es verbleiben jedoch erhebliche Zweifel, die der erforderlichen Gewissheit des Senats entgegenstehen.

[17] Der Zeuge A hat bekundet, dass er die Berufungsbegründung am 29.8.2016 selbst gefertigt und sodann dem Zeugen B zur Übermittlung an das Gericht übergeben habe. Auch hat der Zeuge B bekundet, dass er die Berufungsbegründung sodann am 30.8.2016 bei der Postannahmestelle eingeworfen habe. Es ist indes nicht auszuschließen, dass die Angaben der Zeugen nicht auf einer konkreten Erinnerung, sondern auf einem Rückschluss aus ihrer üblichen Vorgehensweise beruhen. Ein solcher bloßer Rückschluss ist zur Überzeugungsbildung hier nicht ausreichend.

[18] Der Zeuge A bekundete, dass er eine erste Fassung der Berufungsbegründung am Wochenende des 27./28.8. geschrieben und diese am Abend des 29.8. mit seinem Vater, der bei der Mandantin als Justiziar beschäftigt sei, besprochen habe. Er habe den Schriftsatz noch am gleichen Abend fertiggestellt und Herrn B zur Weiterleitung an das Gericht übergeben. Auf die Nachfrage des Senats, worauf seine Erinnerung an die konkreten zeitlichen Abläufe beruhe, bekundete der Zeuge A, dass er Berufungsbegründungen und andere große Sachen üblicherweise am Wochenende bearbeite, da er sich dann am Stück auf die Sache konzentrieren und effektiver arbeiten könne. Er könne sich einerseits konkret an die Erstellung der hier streitgegenständlichen Berufungsbegründung erinnern, anderseits schließe er dies aus seinem sonst üblichen Vorgehen. Schon nach der ausdrücklichen Erklärung des Zeugen A ist mithin nicht ausgeschlossen, dass seine Erinnerung an die dargestellten zeitlichen Abläufe maßgeblich von Rückschlüssen aus sonst üblichen Geschehensabläufen geprägt ist.

[19] Der Zeuge B gab demgegenüber an, sich konkret an den Einwurf der Berufungsbegründung bei der Posteingangsstelle am 30.8.2016 erinnern zu können. Daran, dass die Aussage des Zeugen B tatsächlich auf einer konkreten Erinnerung beruht, bestehen jedoch Zweifel.

[20] Beide Zeugen haben bekundet, dass es durchaus dem üblichen Ablauf ihrer Kanzlei entspricht, dass Schriftsätze der Kanzlei direkt und nicht kuvertiert bei Gericht eingeworfen werden, wenn ein Anwalt der Kanzlei einen Termin bei Gericht wahrzunehmen hat und daher die Schriftsätze mitnehmen kann. Es ist also davon auszugehen, dass der mögliche Einwurf der Berufungsbegründung für den Zeugen B einen völlig alltäglichen Vorgang darstellt. Eine konkrete Erinnerung an einen solch alltäglichen Vorgang ist regelmäßig nur dann zu erwarten, wenn für den Zeugen hierfür ein nachvollziehbarer Anlass besteht. Dies gilt insb. dann, wenn der Vorgang für den Zeugen erst Wochen später, hier frühestens nachdem der Hinweis des Senates vom 12.9.2016 am 30.9.2016 bei dem Prozessbevollmächtigten der Bekl. einging, relevant wird.

[21] Einen solchen nachvollziehbaren Anlass konnte der Zeuge B nicht zur Überzeugung des Senats darlegen. Soweit der Zeuge B die konkrete Erinnerung des Einwurfs damit begründete, dass er an diesem Tag wegen seiner ersten Sitzung vor dem Staatsschutzsenat aufgeregt gewesen sei und hierzu noch die nicht unbedeutende oberlandesgerichtliche Zivilsache gekommen sei, macht dies eine konkrete Erinnerung des Zeugen an den Einwurf der Berufungsbegründung gerade nicht plausibel. Vielmehr lässt eine Aufregung des Zeugen B auch den Schluss zu, dass der Zeuge gerade wegen der großen Bedeutung des Verfahrens vor dem ...

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