StPO § 147; OWiG § 62

Leitsatz

Der Betr. hat einen vorgerichtlichen Anspruch auf unverschlüsselte Einsicht in die Messdaten des Tattages sowie die ihn selbst betreffende Messdatei, außerdem in die Wartungs-, Instandsetzungs- und Eichnachweise des Messgeräts.

AG Trier, Beschl. v. 25.10.2016 – 35 OWi 780/16

Sachverhalt

Nach gewährter Akteneinsicht beantragte die Verteidigerin bei der Zentralen Bußgeldstelle, die PoliScan Speed-Dateien der gesamten Messserie mit Token und Passwort auf den dem Schriftsatz beigefügten Datenträger zu überspielen. Zudem wird um eine Kopie der Lebensakte bzw. der Wartungs-, Reparatur- und Änderungsnachweise des Messgeräts seit der ersten Inbetriebnahme gebeten.

Die Zentrale Bußgeldstelle hat die Herausgabe verweigert. Zur Begründung wird angeführt, dass eine Herausgabe ausschließlich mit richterlichem Beschluss möglich sei. Zudem sei das Führen einer Lebensakte in Rheinland-Pfalz nicht vorgeschrieben und eine solche werde auch nicht geführt.

Nunmehr beantragte die Verteidigerin, die Verwaltungsbehörde zu verpflichten, der Verteidigerin die digitalen Falldatensätze (PoliScan Speed, TUFF Dateien) der Messerie des Betr. mit Token-Datei und Passwort sowie die zum Messgerät gehörige Lebensakte, hilfweise die Wartungs-, Instandsetzungs- und Eichnachweise des Messgeräts seit der ersten Inbetriebnahme zur Verfügung zu stellen. Das AG Trier hat dem Antrag stattgegeben.

2 Aus den Gründen:

"II. Der gem. § 62 Abs. 1 S. 1 OWiG zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist auch begründet."

Die Bußgeldstelle wird angewiesen, der Verteidigerin des Betr. die vollständige Messreihe zu der ihn betreffenden Messung nebst Passwort/Token sowie die Wartungs-, Instandsetzungs- und Eichnachweise des Messgeräts seit der ersten Inbetriebnahme zur beabsichtigten Prüfung der Messung durch einen Sachverständigen zur Verfügung zu stellen.

Zwar hat das Gericht keinerlei Zweifel daran, dass es sich bei dem hier verwendeten Messverfahren um ein standardisiertes Messverfahren i.S.d. obergerichtlichen Rspr. handelt. Auch sind die Messdaten des Tattages, die sich nicht auf den Betr., sondern auf andere Verkehrsteilnehmer beziehen, nicht Teil der dem Gericht vorliegenden Akte. Bereits die den Betr. betreffende Messdatei ist als solche nicht Aktenbestandteil. Gleichwohl ist sie jedoch Grundlage und originäres, unveränderliches Beweismittel der Geschwindigkeitsmessung. Dies hat zur Folge, dass sie – rechtzeitig vor dem Prozess – einem Betr. auf dessen Wunsch hin zugänglich zu machen ist (OLG Oldenburg, Beschl. v. 6.5.2015 – 2 Ss (OWi) 65/15 m.w.N.). Der Anspruch auf ein faires Verfahren gebietet es darüber hinaus aber auch, einem Betr. auf seinen Antrag hin rechtzeitig vor einer Hauptverhandlung ein Einsichtsrecht hinsichtlich der Messdaten, die nur andere Verkehrsteilnehmer betreffen zu gewähren, um ihm damit die Möglichkeit zu geben, auf breiterer Grundlage zu prüfen, ob tatsächlich im konkreten Fall ein standardisiertes Messverfahren ordnungsgemäß zur Anwendung gekommen ist und das Messgerät fehlerfrei funktioniert hat.

Dieses Einsichtsrecht steht dem Betr. dabei nicht gegenüber dem erkennenden Gericht im Rahmen der Hauptverhandlung zu. Er ist vielmehr darauf zu verweisen, die Einsicht in die Messdaten außerhalb der Hauptverhandlung bei der aktenführenden Behörde zu beantragen und vorzunehmen. Dies sollte zweckmäßigerweise rechtzeitig vor der Hauptverhandlung geschehen. So ist dem Informationsinteresse des Betr. Genüge getan und zugleich gewährleistet, dass der Ablauf des gerichtlichen Verfahrens nicht durch eine sachlich nicht gebotene Unterbrechung zur Gewährung der Einsicht unverhältnismäßig verzögert oder erschwert wird. Ergeben sich für den Betr. – ggf. nach Auswertung durch einen privaten Sachverständigen – aus den ihm außerhalb der Hauptverhandlung überlassenen Messdaten Hinweise auf eine Fehlerhaftigkeit der Messung, die sich auf den Betr. bezieht, so kann er die relevanten Umstände durch Beweisanträge oder Beweisanregungen zum Gegenstand der Hauptverhandlung machen und so in dieser seine Interessen wahren (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O., das diese Frage offen gelassen hat).

Demgegenüber kann auch nicht eingewandt werden, dass die Zurverfügungstellung der gesamten Messreihe in das Persönlichkeitsrecht anderer Verkehrsteilnehmer eingreife. Denn der Anspruch auf ein faires Verfahren ist insoweit als höherrangig anzusehen und rechtfertigt diesen Eingriff. Überdies handelt es sich auch lediglich um eine theoretische Eingriffsmöglichkeit. Zwar dient ein Messfoto unter anderem gerade der Identifizierung eines verantwortlichen Fahrzeugführers. Ohne weitere Ermittlungen, insb. eine Halterabfrage ist eine namentliche Identifizierung eines solchen jedoch kaum zu realisieren. Eine dahingehende Verwendung der Messreihe wird durch den Betr. bzw. seine Verteidigerin jedoch nicht erstrebt und auch vom Recht auf ein faires Verfahren nicht gedeckt. Vielmehr soll hier lediglich eine Überprüfung der Messreihe auf mögliche Messfehler erfolgen.

Da eine Überprüfung dieser Daten in...

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