[10] "… II. Die Revision des Kl. ist zulässig, aber unbegründet. … Die Annahme des BG, der Kl. habe zum maßgeblichen Zeitpunkt der Fahrerlaubnisentziehung neun Punkte im Fahrerlaubnisregister erreicht und die vorgelagerten Stufen des Maßnahmensystems nach § 4 Abs. 5 StVG ordnungsgemäß durchlaufen, so dass es zu keiner Verringerung des Punktestandes nach § 4 Abs. 6 S. 2 und 3 StVG komme, steht im Einklang mit Bundesrecht (1. und 2.). Im Ergebnis zutreffend geht das BG davon aus, dass die hier anzuwendende Neuregelung, mit der der Gesetzgeber eine teilweise Abkehr vom so genannten Tattagprinzip sowie von der Warn- und Erziehungsfunktion des bisherigen Mehrfachtäter-Punktsystems vollzogen hat, auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (3.)."

[11] 1. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Fahrerlaubnisentziehung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (st. Rspr., vgl. u.a. BVerwG, Urt. v. 27.9.1995 – 11 C 34.94, [zfs 1996, 77 =] BVerwGE 99, 249 <250>u. Beschl. v. 22.1.2001 – 3 B 144.00, juris Rn 2 m.w.N.). Damit ist – da kein Widerspruchsverfahren durchzuführen war – auf den Erlass des Bescheids v. 13.1.2015 abzustellen.

[12] Zugrunde zu legen ist danach das mit Wirkung v. 1.5.2014 mit dem Fünften Gesetz zur Änderung des StVG und anderer Gesetze v. 28.8.2013 (BGBl I S. 3313) eingeführte Fahreignungs-Bewertungssystem, das mit Wirkung ab dem 5.12.2014 insbesondere hinsichtlich der Regelungen in § 4 Abs. 5 und 6 StVG nochmals durch das Gesetz zur Änderung des StVG, der GewO und des BZRG v. 28.11.2014 (BGBl I S. 1802) geändert worden ist.

[13] 2. Ihre Rechtsgrundlage findet die Fahrerlaubnisentziehung in § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG; nach dieser Bestimmung gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und ihm ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, sobald sich in der Summe acht oder mehr Punkte ergeben. Nach § 4 Abs. 5 S. 5 StVG hat die nach Landesrecht zuständige Behörde für das Ergreifen der Maßnahmen nach S. 1 auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat. Punkte ergeben sich gem. § 4 Abs. 2 S. 3 StVG mit der Begehung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit, sofern sie rechtskräftig geahndet wird.

[14] Die letzte vom Kl. zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt begangene rechtskräftig geahndete Zuwiderhandlung, die die Fahrerlaubnisbehörde bei der Entscheidung über die Entziehung seiner Fahrerlaubnis zu berücksichtigen hatte, war die Geschwindigkeitsüberschreitung v. 10.3.2014. Ohne Verstoß gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO) nimmt das BG an, dass sie zur Erhöhung seines Punktestandes im Fahreignungsregister um weitere zwei auf insgesamt neun Punkte führte.

[15] § 4 Abs. 5 S. 1 StVG bestimmt, dass die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber den Inhabern einer Fahrerlaubnis die in den Nr. 1 bis 3 aufgeführten Maßnahmen stufenweise zu ergreifen hat. Dieses Stufensystem wird im Hinblick auf seine Rechtsfolgen in § 4 Abs. 6 StVG näher präzisiert. Gem. § 4 Abs. 6 S. 1 StVG darf die nach Landesrecht zuständige Behörde eine Maßnahme nach Abs. 5 S. 1 Nr. 2 (Verwarnung) oder Nr. 3 (Entziehung der Fahrerlaubnis) nur ergreifen, wenn die Maßnahme der davor liegenden Stufe nach Abs. 5 S. 1 Nr. 1 oder 2 bereits ergriffen worden ist. Sofern die Maßnahme der davor liegenden Stufe noch nicht ergriffen worden ist, ist diese zu ergreifen (§ 4 Abs. 6 S. 2 StVG). Nach § 4 Abs. 6 S. 3 StVG verringert sich der Punktestand im Falle des S. 2 mit Wirkung vom Tag des Ausstellens der ergriffenen Ermahnung auf fünf Punkte (Nr. 1) und der Verwarnung auf sieben Punkte (Nr. 2), wenn der Punktestand zu diesem Zeitpunkt nicht bereits durch Tilgungen oder Punktabzüge niedriger ist.

[16] Hier hatte die Fahrerlaubnisbehörde die beiden nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 und 2 StVG vor der Entziehung der Fahrerlaubnis liegenden Stufen des Maßnahmensystems rechtsfehlerfrei gegen den Kl. ergriffen. Eine Punktereduzierung nach § 4 Abs. 6 S. 3 StVG ist dabei nicht eingetreten.

[17] a) Nach dem Erreichen von acht Punkten nach dem (alten) Mehrfachtäter-Punktsystem hatte die Fahrerlaubnisbehörde den Kl. mit Schreiben v. 28.6.2011 auf der Grundlage von § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 StVG a.F. verwarnt; dies entsprach der ersten Maßnahmenstufe nach dem bis zum 30.4.2014 geltenden Mehrfachtäter-Punktsystem.

[18] In der Folgezeit ergaben sich aus den bis zum 1.5.2014 rechtskräftig geahndeten und im Verkehrszentralregister eingetragenen Zuwiderhandlungen des Kl. zwölf Punkte nach dem Mehrfachtäter-Punktsystem. Diese Punkte waren nach der Übergangsbestimmung des § 65 Abs. 3 Nr. 4 S. 1 StVG zum 1.5.2014 in fünf Punkte nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem umzustellen; das führte zur Einordnung des Kl. in die Stufe 1 (Ermahnung) nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem. Diese am 1.5.2014 erreichte Stufe wird gem. § 65 Abs. 3 Nr. 4 S. 2 StVG für Maßnahmen nach dem Fahreignungs-Bewer...

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