Der im Zivilrecht tätige Rechtsanwalt kauft ihn ohnehin, der Verkehrsrechtler will ihn ebenfalls in seiner Sammlung wissen; und seit 75 Auflagen hat er sich in den Regalen der Praktiker unentbehrlich gemacht. Die Jubiläumsausgabe hat einen gesonderten Band als Festschrift beigelegt, die der Rezensentin mehr Neugier entlocken konnte als das nach wie vor einmalige Werk: Denn es wird über die Herstellung des Werks, über den Produktionsweg des Begleiters in zahllosen Rechtsfragen berichtet. Und das ist interessant. So werden viele darüber erstaunt sein, dass Herr Palandt kein Sympathieträger ist, wie die Namensgebung des (Hand-)Kommentars vielleicht suggerieren könnte. Den Werdegang und die kritische Begleitung des Menschen und Juristen Palandt hat Elena Barnert in "Von Station zu Station. Anm. zu Otto Palandt (umstr) uam" (Festschrift, S. 23 ff.) unterhaltsam veranschaulicht, ohne dabei moralinsauer zu werden. Auch Lektorin des Palandt (Gertrud Artmeier) und Drucker haben in der Festschrift ihren – verdienten – Platz, und der Nutzer bekommt einen Eindruck von der Dimension der hinter den dünnen Blättern steckenden Arbeit (vgl. auch den augenzwinkernden Aufsatz von Sprau, "Palandt von A-Z", Festschrift S. 93 ff.).

Dass die Autoren akribisch arbeiten und dem Nutzer sehr zeitaufwendig Aktualität zur Verfügung stellen wollen, ergibt sich auch daraus, dass auf der Webseite www.palandt.beck.de Hinweise und ein Archiv zur Verfügung stehen; Korrekturen sind für diese Auflage noch nicht erforderlich geworden.

Natürlich werden bereits im Allgemeinen Teil die avisierten Änderungen durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten und zur Durchführung der Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten vorgestellt, die für Verkehrsrechtler im Bereich des Autokaufs wichtig werden. Gerade rechtsschutzversicherte Mandanten werden danach – sicherlich auch bedingt durch entsprechende Versicherungsverträge – verstärkt fragen. Ein wichtiger materiell-rechtlicher Schwerpunkt besteht in der Abbildung der Rechtsprechung zur Verjährung und deren Hemmung.

Im Allgemeinen Schuldrecht ist in die Kommentierung der am 13.6.2014 in Kraft getretenen Neufassungen der §§ 312–312k und §§ 355–361 schon die erste Rechtsprechung eingearbeitet worden. Für den Praktiker ist dies aus berufsrechtlicher Sicht von Interesse, weil immer mehr Anwaltsverträge ohne persönlichen Kontakt zustande kommen und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge eine größer werdende Rolle in der Beratung spielen. Immer noch befinden sich Allgemeine Geschäftsbedingungen durch diverse Entscheidungen des EuGH, BGH und BAG, die ebenfalls im Bereich des Kaufrechts von Bedeutung sind, in "Bewegung". Auf die weiteren Bereiche der Kommentierung soll hier nicht weiter eingegangen werden, da hier nur die verkehrsrechtlichen Bezüge bewertet werden sollen.

Beispielhaft sei gelobt, dass das Auffinden von erster und oft umfassender Information schon beim ersten Nachschlagen gelingt (siehe etwa Weidenkaff, Der Sachmangel bei Kfz, § 434 Rn 70 ff.), weil trotz der kleinen Schrift die Gliederung optisch immer noch übersichtlich gestaltet ist. Auch wenn die Abkürzungen legendär sind, ist der Inhalt in kurzer Zeit erfasst und die Dichte der Information erfreulich anschaulich. So findet sich in § 823 Rn 232 (Sprau) zu den Grundlagen der Haftung: "Verletzt ein Teilnehmer am Straßenverkehr die Rechtsgüter eines anderen Teilnehmers oder Dritten, kann sich eine Haftung aus § 823 aus zweierlei Hinsicht ergeben: Die durch den Straßenverkehr begründeten Pflichten wirken zum einen wie Verkehrspflichten, so dass der Teilnehmer bei ihrer Verletzung nach Abs. 1 haftet … Viele straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften sind ferner Schutzgesetze, so dass ihre Verletzung eine Haftung nach Abs. 2 begründet." Damit ist für den Verkehrsrechtler alles Wesentliche zur aktuellen Rechtslage in wenigen Worten dargestellt.

In diesem Zusammenhang zeigt die Kommentierung weiter, dass das automatisierte Fahren noch keine Meinungsbildung bei den Kommentatoren herausgefordert hat (Sprau, § 823 Rn 234), da lediglich ein knapper Literaturhinweis erfolgt. Auch das Schmerzensgeld für Angehörige wird nicht vertieft behandelt (Grüneberg, § 253 Rn 9, 40; Vorb. § 249 Rn 40), da eine Änderung nicht für wahrscheinlich gehalten, insoweit also der Schockschaden in seinen engen Grenzen nur für ausgleichspflichtig gehalten wird. Allerdings ist am 9.6.2015 von der Fraktion der Grünen ein Antrag an die Bundesregierung (BT-Drucks 18/5099) – wohl vor dem Hintergrund des Absturzes der Germanwings-Maschine – herangetragen worden, einen Gesetzesentwurf vorzulegen, mit dem die §§ 253, 823 erweitert werden sollen, bei der Gefährdungshaftung ein Schmerzensgeld für Hinterbliebene eingeführt und das Opferentschädigungsgesetz um einen Anspruch gegen den Staat für Hinterbliebene ergänzt wird.

Auch wenn mit steigendem Lebensalter das Lesen beschwerlicher wird (Stichwor...

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