Art. 8 EMRK

Leitsatz

1. Wird ein Foto einer Person ohne deren Einwilligung veröffentlicht, liegt hierin auch dann ein Eingriff in deren Privatleben, wenn sie eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens ist (Art. 8 EMRK).

2. Das Recht am eigenen Bild gewährt die Befugnisse, über die Verwendung des Bildes zu bestimmen, einschließlich des Rechtes, einer Verwendung zu widersprechen und der Aufnahme, dem Aufbewahren und der Vervielfältigung eines Fotos durch andere zu widersprechen.

3. Obwohl Art. 8 EMRK im Wesentlichen sich gegen willkürliche Eingriffe des Staates richtet, können sich hieraus auch Verpflichtungen des Staates zu Maßnahmen zum Schutz des Privatlebens im Verhältnis zwischen Privatpersonen ergeben.

4. Ist bei einer Videoaufnahme einer Person im Straßenverkehr lediglich deren Verwendung als Beweismittel in einem etwaigen Zivilprozess beabsichtigt, liegt keine Verbreitung i.S.d. Art. 8 EMRK vor.

5. Die Verwendung der gefertigten Videoaufnahme einer Person als Beweismittel in einem Zivilprozess ist auch keine Verletzung deren Rechts auf Achtung des Privatlebens.

(Leitsätze der Schriftleitung)

EGMR (III. Sektion), Urt. v. 27.5.2014 – 10764/09

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer, ein spanischer Staatsangehöriger, wurde im Jahre 1997 als Radfahrer von einem Kfz umgefahren. Er verklagte den Fahrer und eine Versicherungsgesellschaft auf Schadensersatz mit der Begründung, er habe bei dem Unfall eine posttraumatische Neurose erlitten, so dass er seitdem intensiv Angst davor habe, ein Fahrzeug zu führen. Im Rechtsstreit legte die Versicherungsgesellschaft von ihr unter Einschaltung einer Detektei nach dem Unfall gefertigte Videoaufnahmen, die den Beschwerdeführer bei der Benutzung eines Mopeds im Straßenverkehr zeigten, um dessen Darstellung zu widerlegen, dass er aufgrund der Unfallfolgen unter Angstzuständen im Straßenverkehr bei dem Führen eines Fahrzeugs leide.

Nachdem der Bf. in der ersten Instanz teilweise mit seiner Klage Erfolg gehabt hatte, hat das LG Sevilla die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Bf. habe seine Behauptungen zu den Unfallfolgen nicht bewiesen, was sich aus den zulässigen Beweismitteln der Videos ergebe. Revision und Verfassungsbeschwerde des Bf. hatten keinen Erfolg. Weiterhin verklagte der Bf. die Versicherungsgesellschaft wegen der Verletzung seines Rechts auf Privatleben und am eigenen Bild und machte Schadensersatz und Herausgabe aller Originalvideos und Kopien geltend. Klage, Berufung, Revision und Verfassungsbeschwerde hatten keinen Erfolg.

Mit seiner Beschwerde macht der Bf. geltend, die Aufnahme der Videos ohne seine Einwilligung und deren spätere Verwertung im Rechtsstreit hätten seine in Art. 8 EMRK garantierten Rechte auf Achtung seiner Ehre, seines Privat- und Familienlebens und sein Recht am eigenen Bild verletzt, wobei er auch die Videos zurückverlangen könne. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.

2 Aus den Gründen:

" … 2. Beurteilung durch den Gerichtshof"

a) Grundsätze

Der Begriff Privatleben ist weit und entzieht sich einer abschließenden Definition. Er umfasst die physische und psychische Integrität einer Person und kann zahlreiche Elemente der Identität einer Person enthalten, wie ihren Namen und das Recht am eigenen Bild (s. EGMR, Slg. 2012 = NJW 2012, 1053 = GRUR 2012, 745 Nr. 95 f. – von Hannover/Deutschland Nr. 2), aber auch persönliche Informationen erfassen, von denen der Einzelne berechtigterweise erwarten kann, dass sie ohne seine Zustimmung nicht veröffentlicht werden (s. EGMR, Urt. v. 6.4.2010 – 25576/04, BeckRS 2012, 18735 Nr. 75 – Finkkila ua/Finnland; EGMR, Urt. v. 12.10.2010 – 184/06 Nr. 61 – Saaristo ua/Finnland. Die Veröffentlichung eines Fotos greift in das Privatleben einer Person ein, selbst wenn sie eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens ist (s. EGMR, ÖJZ 2005, 276 – Schüssel/Österreich). Umso mehr ist die Aufnahme von Videos ein Eingriff in das Privatleben einer Person.

Das Bild einer Person ist eines der wichtigsten Elemente ihrer Persönlichkeit, denn es zeigt ihre Eigenheiten und unterscheidet sie von ihresgleichen. Das Recht am eigenen Bild gehört also zu den wesentlichen Elementen der Entwicklung der Person. Es hat hauptsächlich das Recht zum Inhalt, über die Verwendung des Bilds zu bestimmen, einschließlich des Rechts, einer Veröffentlichung zu widersprechen, erfasst aber auch das Recht, sich der Aufnahme, dem Aufbewahren und der Vervielfältigung eines Fotos durch andere zu widersetzen. Weil das Bild eines der Charakteristika der Persönlichkeit eines jeden ist, verlangt sein wirksamer Schutz grds. auch die Zustimmung des Betroffenen zur Aufnahme und nicht nur zur Zeit einer möglichen öffentlichen Verbreitung. Wäre es anders, könnte ein anderer ein wesentliches Element der Persönlichkeit halten, ohne dass der Betroffene auf seine mögliche spätere Verwendung Einfluss nehmen könnte (s. mutatis mutandis EGMR, Urt. v. 15.1.2009 – 1234/05, BeckRS 2012, 18733 Nr. 40 [franz. Fassung] – Reklos u. Davourlis/Griechenland).

Art. 8 EMRK zielt im Wesentlichen darauf ab, den Einzelnen gegen willkürlich...

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