Die rechtsfehlerhafte Verweigerung der Entbindung des Betroffenen vom persönlichen Erscheinen ist zunächst ein Verfahrensfehler, ebenso wie das daraufhin ergehende Verwerfungsurteil verfahrensfehlerhaft ist.[51] Wird der Einspruch des Betroffenen verworfen, so ist zusätzlich der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, Art. 103 Abs. 1 GG, wenn über einen rechtzeitig gestellten Antrag des Betroffenen, ihn von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, zu Unrecht nicht entschieden worden ist, insbesondere weil eine "umfassende Würdigung der Persönlichkeit" bei einem nicht zur Aussage bereiten Betroffenen seitens des Gerichts beabsichtigt ist.[52] Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist ebenso verletzt, wenn das Gericht über den Antrag des Betroffenen auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung nicht oder ohne eine auf § 73 Abs. 2 OWiG zurückführbare Begründung ablehnend entscheidet und sich auch im Urteil mit den Gründen, die zur Rechtfertigung des Antrags geltend gemacht wurden, nicht befasst.[53]

Auch die Nichtberücksichtigung substantiierten Vorbringens des Betroffenen zur Richtigkeit des gegen ihn erhobenen Schuldvorwurfs verstößt bei rechtsfehlerhafter Verwerfung des Einspruchs nicht nur gegen einfaches Verfahrensrecht, sondern enthält auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs.[54]

Die Ablehnung eines auf die Verhinderung des Verteidigers gestützten Terminsaufhebungs- oder -verlegungsantrags als solche berührt den Schutzbereich des Art. 103 Abs. 1 GG nicht, sodass ein Verwerfungsurteil in diesem Fall nur verfahrensfehlerhaft wäre.[55]

[51] OLG Karlsruhe, Beschl. v. 5.6.2012 – 2 (6) SsRs 279/12, juris.
[52] OLG Zweibrücken, Beschl. v. 5.1.2012 – 1 SsBs 45/11, zfs 2012, 229.
[54] OLG Bamberg, Beschl. v. 29.8.2012 – 3 Ss OWi 1092/2012, DAR 2013, 90.

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