[17] "… 1. Die Bekl. kann sich nicht gem. § 6 Abs. 3 VVG a.F. i.V.m. Art. 1 Abs. 2 EGVVG auf Leistungsfreiheit wegen Verletzung der Auskunftsobliegenheit aus Nr. 14.2.2 VGB 98 berufen.

[18] a) Nach st. Rspr. des Senats hat ein VN nach dem Versicherungsfall Aufklärungs- oder Auskunftsobliegenheiten nur solange zu erfüllen, wie er es mit einem VR zu tun hat, der noch prüfungs- und damit verhandlungsbereit ist. Mit der endgültigen Leistungsablehnung des VR enden, solange der VR an ihr festhält, die Verhandlungen über eine Entschädigungsleistung, während derer der VR auf Angaben eines redlichen VN angewiesen ist. Nur bis zu der Erklärung, die Leistung abzulehnen, besteht mithin die besondere Schutzbedürftigkeit des VR, der im Versicherungsrecht mit der dem übrigen Schuldrecht unbekannten Sanktion der Leistungsfreiheit wegen schuldhaft begangener Obliegenheitsverletzungen Rechnung getragen werden darf (vgl. nur Senat BGHZ 107, 368, 370 f. m.w.N.).

[19] b) Allerdings kann dieser Schutz für den VR wieder aufleben, wenn er dem VN unmissverständlich (Senat a.a.O.; BGH VersR 1991, 1129 unter 2a; Senat VersR 1998, 228 unter II 1c) zu erkennen gibt, dass er an seiner Leistungsablehnung nicht festhalten, sondern erneut in die Prüfung der Leistungspflicht eintreten und dazu die Verhandlungen über die Schadenregulierung wieder aufnehmen wolle. Weiter muss der VR dem VN in diesem Falle klar zu erkennen geben, inwieweit für ihn noch ein Aufklärungsbedürfnis besteht (Senat VersR 1998, 228).

[20] c) Daran gemessen kann sich die Bekl. nicht mehr auf die Verletzung der Obliegenheit aus Nr. 14.2.2 VGB 98 berufen. Bereits vor dem Anwaltsschreiben v. 14.2.2006, welches die beanstandete Auskunft enthielt, hatte die Bekl. ihre Leistung mit Schreiben v. 7.2.2006 abgelehnt. Entgegen der Auffassung des BG und der Revisionserwiderung hat sie dem Kl. nicht unmissverständlich ihre Bereitschaft signalisiert, von der Leistungsablehnung Abstand zu nehmen und wieder in die Leistungsprüfung einzutreten.

[21] aa) Dem knappen Wortlaut des an den Rechtsanwalt des Kl. gerichteten Schreibens v. 20.2.2006 kann schon nicht sicher entnommen werden, dass die Bekl. wieder in die Sachprüfung eintreten wollte. Das Schreiben kann ebenso gut dahin verstanden werden, nicht die Entscheidung über die Entschädigung, sondern die Entscheidung über den Wiedereintritt in die Sachprüfung solle vom Ergebnis der weder inhaltlich noch hinsichtlich ihres Adressaten näher konkretisierten Rückfrage abhängig gemacht werden. Der Kl. konnte dem Schreiben mithin auch nicht entnehmen, inwieweit die Bekl. in der Sache noch Aufklärungsbedarf sah.

[22] bb) Hinzu kommt, dass die Bekl. mit zwei weiteren, ebenfalls auf den 20.2.2006 datierten und an den Kl. persönlich adressierten Schreiben die aus Anlass der vermeintlichen Obliegenheitsverletzung erklärte Kündigung des Versicherungsvertrages in der Weise bestätigte, dass sie dem Kl. eine Stornomitteilung nebst Schlussabrechnung über die Rückerstattung überzahlter Prämie übersandte. Das konnte der Kl. nur dahin verstehen, sie halte daran fest, dass er eine Obliegenheit aus Nr. 13.1 VGB 98 verletzt habe.

[23] cc) Die Auffassung des BG, die Abwicklung der Kündigung sei für den Kl. ungeachtet identischer Faksimile-Unterschriften derselben Vorstandsmitglieder auf allen drei Schreiben v. 20.2.2006 erkennbar von einer anderen Abteilung der Bekl. veranlasst worden, welcher der Schriftwechsel mit dem Rechtsanwalt des Kl. offensichtlich nicht bekannt gewesen sei, verkennt die Anforderungen, die an eine unmissverständliche Mitteilung der Wiederaufnahme der Leistungsprüfung zu stellen sind. Will der VR nach einer Leistungsablehnung wieder in die Sachprüfung eintreten und dafür den Schutz vertraglich vereinbarter Obliegenheiten erneut in Anspruch nehmen, muss er dies gegenüber dem VN zweifelsfrei klarstellen. Gibt er wie hier unklare oder gar einander widersprechende Erklärungen ab, ist der VN weder gehalten, daraus erwachsende Missverständnisse nach Kräften etwa dadurch auszuräumen, dass er Erwägungen zur ihm nicht näher bekannten inneren Organisation des Geschäftsbetriebes des VR anstellt, noch trägt er das Risiko solcher Missverständnisse.

[24] dd) Ist ein für den VN erkennbarer Wiedereintritt in die Leistungsprüfung nicht erfolgt, kommt es auf die weiteren Erwägungen des BG zur erneuten Geltung der Auskunftsobliegenheit bereits im “Wiederaufnahmeantrag‘ des Kl. v. 14.2.2006 und zur Bezugnahme auf dieses Schreiben in einem späteren Anwaltsschriftsatz nicht mehr an. Vielmehr verbleibt es bei der durch die Leistungsablehnung der Bekl. beendeten Obliegenheitsbindung.

[25] 2. Aus den vorgenannten Gründen begegnet auch die Annahme des BG durchgreifenden rechtlichen Bedenken, der Kl. habe die Versicherungsleistung wegen vollendeter oder versuchter arglistiger Täuschung über Tatsachen, die für den Grund oder die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind, nach Nr. 17 VGB 98 verwirkt.

[26] a) Die in Nr. 17 VGB 98 und ähnlichen Klauseln (etwa § 22 Abs. 1 VHB 8...

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