"… Die zulässige Berufung des Kl. hat in der Sache keinen Erfolg.

Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Bekl. kann sich auf den Ausschlusstatbestand der Ziff. 5.2.4 AUB 2004 berufen. Danach besteht kein Versicherungsschutz für Infektionen. Dass vorliegend eine Infektion für die behauptete dauerhafte Funktionsbeeinträchtigung des rechten Fußes ursächlich war, steht außer Streit. Dass die Voraussetzungen des Wiedereinschlusses nach Ziff. 5.2.4.2, 2. Spiegelstrich AUB 2004 i.V.m. Ziff. 5.2.4.1, 2. Spiegelstrich AUB 2004 vorliegen, die Infektionserreger also durch einen Unfall, der mehr als nur eine geringfügige Haut- oder Schleimhautverletzung zur Folge hatte, in den Körper eingedrungen sind, hat der Kl. nicht bewiesen. Die Beweislast für sämtliche Voraussetzungen des Wiedereinschlusses – auch dafür, dass die Haut- oder Schleimhautverletzung mehr als nur geringfügig war – liegt beim VN (OLG Hamm RuS 2007, 164; Knappmann, in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., AUB 2008 Nr. 5, Rn 63; vgl. allgemein auch BGH VersR 2009, 492 zum Wiedereinschluss bei Bandscheibenschäden).

Zugunsten des Kl. mag unterstellt werden, dass seine Ehefrau am 25.5.2009 einen bedingungsgemäßen Unfall erlitten hat, indem sie in eine rostige Schraube getreten ist, die sich in den Fuß gebohrt hat, und dass sich als Folge dieser Verletzung eine Infektion entwickelt hat. Dass durch das Eindringen der Schraube in den Fuß die Haut mehr als nur geringfügig verletzt worden ist, steht indes nicht fest.

Der in Ziff. 5.2.3.1., 2. Spiegelstrich AUB 2004 verwendete Begriff “geringfügige Haut- oder Schleimhautverletzungen‘ bedarf der Auslegung. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach dem Verständnis eines durchschnittlichen VN bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs auszulegen. In erster Linie ist vom Wortlaut der Klausel auszugehen. Der mit ihr verfolgte Zweck und der erkennbare Sinnzusammenhang sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den VN erkennbar sind (zu allem zuletzt BGH WM 2012, 1673, Rn 21) Auf die Entstehungsgeschichte der Klausel kommt es demgegenüber nicht an, weil diese dem VN typischerweise nicht bekannt ist (BGH VersR 2000, 1090).

In der unfallversicherungsrechtlichen Literatur wird – zum Teil unter ausdrücklichem Rückgriff auf die Auffassung der Bedingungsgeber – eine geringfügige Hautverletzung dann angenommen, wenn die Wunde über den Bereich der Haut mit ihren drei Schichten Oberhaut, Leder- und Unterhaut nicht hinausreicht (so insb. Grimm, Unfallversicherung 4. Aufl., Ziff. 5 AUB 99, Rn 87 m.w.N.; ferner Kloth, Private Unfallversicherung, Rn K 90). Dem steht indes entgegen, dass – wie ausgeführt – die Entstehungsgeschichte einer Klausel und damit die Ansicht der Bedingungsgeber für die Auslegung einer Versicherungsbedingung unmaßgeblich ist. Auch können für die Auslegung nicht rein medizinische Wertungen entscheidend sein, weil dem durchschnittlichen VN medizinische Kenntnisse in aller Regel fehlen werden. Als geringfügig wird der durchschnittliche VN solche Haut- oder Schleimhautverletzungen ansehen, die keine Veranlassung geben, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, weil sie entweder überhaupt keiner Behandlung bedürfen oder mit einfachen Mitteln wie etwa mit einem Pflaster selbst versorgt werden können und bei denen zu erwarten ist, dass sie alsbald folgenlos wieder verheilen (vgl. OLG Köln r+s 2008, 345; OLG Hamm VersR 2008, 342; OLG Koblenz r+s 2004, 298; … Naumann, zfs 2010, 482). Dass es insoweit nicht entscheidend auf die Tiefe der Hautverletzung ankommt, wird dem durchschnittlichen VN dadurch verdeutlicht, dass nach den Bedingungen ausdrücklich als Beispielsfälle für geringfügige Hautverletzungen Insektenstiche oder Insektenbisse angeführt sind, obwohl hierdurch regelmäßig alle drei Hautschichten durchdrungen werden (vgl. OLG Koblenz, a.a.O.). Die Wertung, ob eine Hautverletzung als geringfügig anzusehen ist, beurteilt sich deshalb nicht in erster Linie nach der Tiefe oder der oberflächlichen Ausbreitung der Verletzung, sondern danach, ob ein Verletzungsbild entstanden ist, das – objektiv und nicht lediglich aus der subjektiven Sicht des jeweiligen VN gesehen – Veranlassung gibt, sich in ärztliche Behandlung zu begeben.

Ausgehend von diesen Grundsätzen steht vorliegend nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme nicht fest, dass durch das Eindringen der Schraube in den rechten Fuß der Ehefrau des Kl. eine mehr als nur geringfügige Hautverletzung entstanden ist. Der Zeuge M hat bekundet, die Schraube sei mit einem Durchmesser von geschätzt 2–3 mm in den Fuß eingedrungen. Dazu, wie tief der Einstich war, haben beide Zeugen keine konkreten Angaben machen können. Die Schraube musste auch nicht aus dem Fuß herausgezogen werden, wie die Zeugin M bekundet hat. Dass Blut ausgetreten ist und sich ein blauer Fleck gebildet hat (dies allerdings erst nach 2 Tagen und zudem an der Außenseite des Fußes, wie die Zeugin M bekundet hat), ...

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