EGVVG Art. 1 Abs. 3; VVG § 28; AKB 2005 § 7 I (2)

Leitsatz

1. Ein Informationsschreiben, das den VN ohne inhaltliche Änderung der vereinbarten Versicherungsbedingungen allein über die neue Gesetzeslage informiert, ist keine Vertragsanpassung i.S.d. Art. 1 Abs. 3 EGVVG.

2. Aufklärungsobliegenheiten (hier: gem. § 7 I (2) AKB 2005) dienen dem Zweck, den VR in die Lage zu versetzen, sachgemäße Entschlüsse zu fassen. Fehlt das entsprechende Aufklärungsbedürfnis des VR deshalb, weil er einen maßgeblichen Umstand bereits kennt, so verletzen unzulängliche Angaben des VN über diesen Umstand keine schutzwürdigen Interessen des VR und können deshalb die Sanktion der Leistungsfreiheit nicht rechtfertigen.

3. Gibt der VN den vom VR im Schadensformular erfragten Kaufpreis des von ihm als gestohlen gemeldeten Fahrzeugs unzutreffend mit 37.000 EUR statt 27.000 EUR an, so ist der Versuch einer arglistigen Täuschung jedenfalls dann nicht als bewiesen anzusehen, wenn der Kl. den Kaufpreis aus dem Gedächtnis hat rekonstruieren müssen.

OLG Hamm, Urt. v. 11.1.2012 – 20 U 64/11

Sachverhalt

Die Parteien streiten über Ansprüche des Kl. aus einer bei der Bekl. unterhaltenen Teilkaskoversicherung im Zusammenhang mit einem behaupteten Diebstahl seines Fahrzeugs, einem VW T4 Multivan, vom 11.9.2009. Dem Versicherungsverhältnis lagen bei Abschluss des Versicherungsvertrages die AKB 2005 zugrunde. Mit Rundschreiben aus September 2008 hat die Bekl. sämtliche VN über die zum 1.1.2009 in Kraft tretenden Änderungen des VVG informiert.

2 Aus den Gründen:

" … I. Dem Kl. steht der in erster Instanz zuerkannte Anspruch auf Zahlung von 21.850 EUR aus dem bei der Bekl. zum Zeitpunkt des Schadensfalls unterhaltenen Teilkaskoversicherungsvertrag gem. § 1 VVG i.V.m. § 12 Nr. 1b AKB 2005 zu."

Überzeugend ist das LG aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kl. den ihm obliegenden Beweis des sog. “äußeren Bildes’ eines Fahrzeugdiebstahls geführt habe … .

II. Entgegen der von der Bekl. erhobenen Rüge ist das LG auch zu Recht davon ausgegangen, dass es der Bekl. nicht gelungen ist, entsprechend den von der höchstrichterlichen Rspr. hierzu entwickelten Grundsätzen Tatsachen darzulegen und zu beweisen, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit dafür sprechen, dass der Kl. den Diebstahl nur vorgetäuscht hätte … .

Was die Angaben des Kl. zum Sonderzubehör (Navigationsgerät) angeht, steht nach den auf die in 1. Instanz durchgeführte Beweisaufnahme gestützten Feststellungen des LG … fest, dass der Kl. das bei Erwerb nicht vorhandene Original-Navigationsgerät nachträglich in das Fahrzeug hat einbauen lassen. Es lässt sich danach also schon keine Falschangabe des Kl. bezüglich des Sonderzubehörs feststellen.

Was den in der Schadensanzeige unstreitig zu hoch angegebenen Kaufpreis angeht, mag dies allenfalls ein Indiz für den Versuch einer Aufbauschung des Schadens, nicht aber für eine Vortäuschung des Diebstahls insgesamt sein. Gleiches gilt für die die fehlende Angabe des auf einen Steinschlag zurückgehenden Glasschadens in der Schadensanzeige, wobei der Senat … im Übrigen die Angabe des Kl., er habe den – zumal von der Bekl. selbst regulierten Schaden – nicht als Vorschaden bzw. Beschädigung i.S.d. Schadensformulars verstanden, durchaus plausibel erscheint.

Die – von der Bekl. nicht widerlegte – Aufbewahrung des Kaufvertrages mag zwar ungewöhnlich sein, rechtfertigt aber nicht den Schluss darauf, der Kl. habe den gesamten Diebstahl nur vorgetäuscht. Gleiches gilt für den Umstand, dass der Kl. trotz der von ihm seiner Darstellung nach angestellten Recherchen den Verkäufer des Fahrzeugs letztlich nicht hat benennen können, sondern nur den Händler, der ihm das Fahrzeug – was wiederum im Gebrauchtwagenhandel durchaus häufiger der Fall ist – lediglich vermittelt hat bzw. haben will. Ungewöhnlich wird man auch dies zwar nennen können. Ein Rückschluss auf die etwaige Vortäuschung eines Diebstahls lässt sich hieraus jedoch nicht ziehen, zumal feststeht und von der Bekl. auch nicht in Abrede gestellt wird, dass der Kl. das Fahrzeug immerhin 4 ½ Jahre in seinem Besitz hatte, bevor es gestohlen wurde.

III. Die Bekl. ist entgegen ihrer Annahme auch nicht wegen vorsätzlicher bzw. grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung (hier: objektiv unzutreffender Angaben des Kl. in der Schadenanzeige vom 15.9.2009) gem. § 7 V (4) der wirksam in den Vertrag einbezogenen AKB 2005 leistungsfrei. Denn die Bestimmung in § 7 V (4) AKB 2005, wonach in der Fahrzeugversicherung “Leistungsfreiheit nach Maßgabe des § 6 Abs. 3 VVG [a.F.]’, d.h. für den Fall vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung besteht, ist unwirksam.

1. Da der Versicherungsfall im Jahr 2009 eingetreten ist, findet gem. Art. 1 Abs. 1 EGVVG das Versicherungsvertragsgesetz in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23.11.2007 (BGBl I 2631) Anwendung. § 28 Abs. 2 S. 2 VVG bestimmt, dass der VR im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung einer Obliegenheit anders als nach alter Rechtslage nur berechtigt...

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