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Jeder kann sich die Situation vorstellen: Nach einem ereignisreichen Tag noch schnell zum Einkauf fürs Wochenende. Den Einkaufswagen ordentlich gefüllt geht es auf den engen Parkplätzen möglichst schnell zum Pkw, um diesen zu beladen. Entweder auf dem Weg zum Abstellort oder während des Beladens macht sich der Einkaufswagen selbstständig, weil z.B. die Rollen des Wagens sich nicht so bewegen, wie man das gerne hätte oder der Wagen einfach wegrollt, weil der Parkplatz etwas abschüssig ist. Durch den Einkaufswagen wird nun ein anderes Fahrzeug beschädigt. Muss man im Sinne des § 34 StVO bzw. § 142 StGB tätig werden? Dazu vorausgesetzt wird ein Verkehrsunfall.

A. Ausgangslage

Ein Verkehrsunfall ist ein plötzliches, zumindest von einem Beteiligten ungewolltes Ereignis, das in ursächlichem Zusammenhang mit dem öffentlichen Straßenverkehr und dessen typischen Gefahren, auch unter Fußgängern, zu jedenfalls nicht gänzlich belanglosem fremden Sach- oder Körperschaden führt.[1] Eine Subsumtion der in der Einleitung genannten Situationen kann dazu führen, dass man von einem Verkehrsunfall ausgeht. Das Ereignis ist regelmäßig nicht geplant, somit plötzlich. Es findet zumindest im so genannten tatsächlich-öffentlichen Verkehrsraum statt und es entstand ein Sachschaden, der erheblich sein dürfte, wenn man von einer Größe von ca. 50 EUR[2] ausgeht. Das nun bestehende Problem ist, ob dieses Ereignis mit den typischen Gefahren des öffentlichen Straßenverkehr in ursächlichem Zusammenhang steht. In diesem Bereich streiten sich die Gerichte.

[1] Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Auflage, S. 1604.
[2] Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Auflage, S. 1605.

B. Fall des LG Düsseldorf

Ausgangspunkt für diese Zeilen ist eine Entscheidung des LG Düsseldorf.[3] Nach einem Einkauf begab sich eine Person mit zwei Einkaufswagen zum abgestellten Lkw. Beim Ausladen eines der Einkaufswagen machte sich der zweite selbstständig und rollte gegen den in der Parklücke gegenüber stehenden Pkw. An dem Fahrzeug entstand ein Sachschaden von knapp 1.500 EUR. Ohne sich weiter um den Schaden zu kümmern, obwohl dieser wahrgenommen wurde, verließ die Person den Unfallort. Das LG sieht sich daran gehindert, die Person wegen unerlaubtem Entfernen vom Unfallort zu verurteilen. Der Knackpunkt ist der straßenverkehrsspezifische Gefahrenzusammenhang. Es müssen sich, so das Urteil, in dem Verkehrsunfall gerade die typischen Gefahren des Straßenverkehrs verwirklicht haben. Zitiert wird hier der so genannte Mülltonnenfall, den der BGH[4] zu entscheiden hatte. Hier waren junge Männer mit dem Pkw unterwegs. Während der Fahrt wurde eine Mülltonne gegriffen, einige Meter mitgezogen und dann los gelassen. Die Tonne touchierte einen geparkten Pkw. Die Beteiligten verließen die Unfallstelle, ohne sich um den Schaden zu kümmern. Sie sollten nun auch wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort bestraft werden. Der BGH lehnte dies ab, weil sich die typischen Gefahren des Straßenverkehrs nicht realisiert hatten. Die Richter führen aus: "… Dass sich in dem Schadensereignis ein verkehrstypisches Unfallrisiko realisiert hat, kann jedenfalls dann nicht angenommen werden, wenn ein Verhalten schon nach seinem äußeren Erscheinungsbild keine Auswirkung des allgemeinen Verkehrsrisikos, sondern einer deliktischen Planung ist …". Das LG Düsseldorf erkennt in seiner Entscheidung keinen Verkehrsunfall, obwohl von einer deliktischen Planung nicht ausgegangen werden kann. Es nennt aber in seiner Entscheidung auch die gegenteilige Rechtsauffassung anderer Gerichte. Darauf soll in den weiteren Ausführungen noch eingegangen werden. Diesen Auffassungen schließt sich das LG jedoch nicht an. Zunächst wird ausgeführt, dass nur vom Fließverkehr zumindest von einem Fahrzeug auszugehen ist. Dies würde Unfälle unter Fußgängern ausschließen. Das Ein- und Aussteigen wird noch im Zusammenhang mit dem Fahrvorgang gesehen, im vorliegenden Fall sei dies aber nicht gegeben, weil es auf die Bewegung des Pkw bzw. Lkw nicht ankomme. Ferner wird der Schutzzweck der Norm nicht als gegeben angesehen. Hier wird auf eine Ausdehnung des entsprechenden Tatbestandes im Jahr 1940 verwiesen. Grund war "… dass im Straßenverkehr aufgrund der Geschwindigkeit, der Abläufe und der relativen Anonymität der Beteiligten die Vermögensinteressen des Geschädigten und die Sicherung zivilrechtlicher Entschädigungsansprüche in besonderer, über das gewöhnliche Maß hinausgehender Weise gefährdet sind und deshalb auch strafrechtlichen Schutzes bedürfen …" Da der straßenverkehrsspezifische Gefahrzusammenhang hier fehlt, fehlt es auch am Tatbestandsmerkmal des Unfalles. Das Gericht sieht den Vorgang auch nicht als Teil des Transportvorganges. Daher gebe es keine Möglichkeit, die Person entsprechend der Bestimmung des § 142 StGB zu verurteilen.

[3] 6.5.2011 – 29 Ns 3/11.
[4] 15.11.2001 – 4 StR 233/01, www.bundesgerichtshof.de.

C. Entscheidung des OLG Düsseldorf in dem Fall

Die Revision der Staatsanwaltschaft hatte vor dem OLG Düsseldorf Erfolg. Das Gericht entschied:

Der Zusammenstoß eines Einkaufswagens mit...

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