1. Ein besonders dreister Versuch, einen unbegründeten Anspruch auf Staatskosten, damit auf Kosten aller Bürger, durchzusetzen und hierbei das Rechtsinstitut der Prozesskostenhilfe zu missbrauchen, ist erfreulicherweise gescheitert. Nach der Beweisaufnahme stand es fest, dass der ASt., dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden war, den Auffahrunfall, aus dem er Ansprüche herleitete, provoziert hatte. Bei dieser Konstellation des vorgetäuschten Unfalls hatte der angeblich Geschädigte eine UnfalIsituation herbeigeführt, die dem äußeren Anschein nach auf eine alleinige Verantwortlichkeit des vorgeblichen Schädigers hindeutete (vgl. Himmelreich/Halm/Staab, Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht, 5. Aufl., Kap. 25 Rn 22). Ziel des Verhaltens des Provokateurs ist es, den Haftpflichtversicherer des gutgläubigen und oft von seiner alleinigen Verantwortlichkeit überzeugten Unfallgegner in Anspruch zu nehmen (vgl. Geigel/Kunschert, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., Kap. 25 Rn 14). Ein Schadensersatzanspruch des Provokateurs scheidet aus, weil er in die Beschädigung seines Fahrzeugs eingewilligt hat, damit die Rechtswidrigkeit der Schadenszufügung entfällt (vgl. BGHZ 71, 33; Homp/Mertens, in: Himmelreich/Halm/Staab, Handbuch der Kfz-Schadenregulierung, 3. Aufl., Kap. 24 Rn 7). Je nach der Raffinesse der von dem Provokateur gestellten "Choreographie" kann für den vorgeblichen Schädiger auch ein unabwendbares Ereignis vorliegen (§ 17 Abs. 3 StVG; vgl. OLG Hamm NZV 1994, 227; OLG Düsseldorf VersR 1997, 357; OLG Köln VersR 1999, 1166).

2. Die unrichtige Angabe des Sachverhalts bei der Stellung des Antrags auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe (vgl. § 117 Abs. 1 S. 2 ZPO) erfasst nicht nur die im vorliegenden Fall gegebene Konstellation der bewussten Darstellung eines erfundenen Sachverhalts, sondern auch die Fälle bewussten Weglassens von Sachverhaltselementen. Liegen bereits Stellungnahmen des Gegners vor wie Einwendungen, bereits angeführte Gegenbeweismittel und vor allem Einreden des Gegners (bereits erhobene Verjährungseinrede und Zurückbehaltungsrecht), sind auch diese anzugeben. Der Sachverhalt ist unrichtig wiedergegeben, wenn diese Umstände weggelassen werden (vgl. Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 124 Rn 8). Die daran anknüpfende Aufhebungsmöglichkeit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe in § 124 ZPO verlangt, wie der darin enthaltende Begriff des "Vortäuschens" zeigt, dass bezüglich des Täuschungsverhaltens Vorsatz gegeben sein muss, wobei bedingter Vorsatz genügt (vgl. OLG Koblenz FamRZ 1985, 301, 302; Bork, a.a.O., § 124 Rn 10; Metzger, in: MüKo-ZPO, 4. Aufl., § 124 Rn 8). Diese Einschränkung des Aufhebungsgrundes macht deutlich, dass Fehleinschätzungen des Gerichts über die Erfolgsaussichten des unterbreiteten Sachverhalts oder nachträgliche Änderungen der höchstrichterlichen Rspr. und gesetzliche Änderungen keinen Aufhebungsgrund bieten (vgl. OLG Köln MDR 2003, 771; LG Lüneburg AnwBl. 1979, 274; Bork, a.a.O., § 124 Rn 2).

Aufgrund der für die Prüfung der Erfolgsaussicht einer beabsichtigten Klage für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe durchzuführenden summarischen Prüfung kann aus der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nicht geschlossen werden, dass der Anspruch oder die Rechtsverteidigung gegen ihn mit der gleichen Intensität wie in einem Rechtsstreit geprüft worden sind. Das Prozesskostenhilfeverfahren soll den Zugang zu gerichtlichem Rechtsschutz ermöglichen, nicht ihn aber ersetzen. Das zeigt insb. die auch verfassungsrechtlich abgeleitete Rspr., dass PKH bei der Geltendmachung schwieriger entscheidungserheblicher Rechtsfragen auch ohne Prüfung in das letzte Detail zu gewähren ist, um dem Mittellosen den gleichen grundgesetzlich gebotenen Rechtsschutz zukommen zu lassen (vgl. BVerfG NJW 2000, 2098; BVerfG NJW 2003, 1857; BGH NJW-RR 2003, 130).

3. Eine automatische Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist – wie die Verwendung des Begriffs "kann" im Zusammenhang mit der Aufhebungsbefugnis in § 124 ZPO zeigt – eine Ermessensentscheidung des Gerichts (vgl. OLG Düsseldorf Rpfl. 1987, 35; OLG Hamm Rpfl. 1992, 257; Bork, a.a.O., § 124 Rn 5 m.w.N.; E. Schneider, MDR 1985, 532). Dabei sollen vor allem die Schwere des Verstoßes, der Grad des Verschuldens und die in schutzwürdigem Vertrauen auf den Bestand der Entscheidung vorgenommenen Dispositionen die Aufhebung ausschließen können (vgl. Bork, a.a.O., § 124 Rn 6 m.w.N.). Da die im Prozesskostenhilfeverfahren verübte vorsätzliche Täuschung über den Kern des Sachverhalts erfolgt ist, der direkte Vorsatz einen erheblichen Grad des Verschuldens des ASt. und Kl. begründete und er bei seiner auf die Durchführung eines Prozessbetrugs zielenden Gesamtplanung kein schutzwürdiges Vertrauen haben konnte, ist die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch nicht rechtswidrig erfolgt. Sie hat zur Folge, dass der ASt. die Vergünstigungen des § 122 ZPO verliert. Von Bedeutung ist, dass der beigeordnete Anwalt nunmehr die volle gesetzliche Vergütung...

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