[16] "… Die zulässige Berufung [vgl. Entscheidung des VG Bayreuth v. 20.4.2015 – B 1 K 14.624], über die der Senat mit Einverständnis der Verfahrensbeteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2, § 125 Abs. 1 S. 1 VwGO), hat in der Sache keinen Erfolg. Es kann dahinstehen, ob die Kl. als Fahrzeughalterin und Zeugin das Anhörungsschreiben der Stadt Chemnitz vom 4.2.2014 und das Erinnerungsschreiben vom 7.3.2014 erhalten hat (1.a). Unabhängig davon war die Fahrerfeststellung jedenfalls nicht unmöglich, weil die um Amtshilfe ersuchte Polizeidienststelle Mittweida entweder nicht rechtzeitig versucht hat, den Beifahrer des Fahrzeugs als Zeugen zur Identität des Fahrers zu befragen, oder entsprechende Bemühungen jedenfalls nicht ausreichend dokumentiert hat (1.b)."

[17] 1. Nach § 31a Abs. 1 S. 1 StVZO v. 26.4.2012 (BGBl I S. 679), zuletzt geändert durch Verordnung vom 9.3.2015 (BGBI I S. 243), kann die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Die Feststellung des Kraftfahrzeugführers ist i.S.v. § 31a Abs. 1 StVZO unmöglich, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalls alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um ihn zu ermitteln. Art und Ausmaß der Ermittlungen hängen insb. von der Art des jeweiligen Verkehrsverstoßes und der Bereitschaft des Kraftfahrzeughalters zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrers ab. Die Behörde hat in sachgemäßem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen zu treffen, die in gleich gelagerten Fällen erfahrungsgemäß zum Erfolg führen (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 17.12.1982 – 7 C 3.80, BayVBl 1983, 310; Beschl. v. 21.10.1987 – 7 B 162.87, Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 18; Beschl. v. 23.12.1996 – 11 B 84.96, juris; BayVGH, Beschl. v. 23.2.2015 – 11 CS 15.6, juris; Beschl. v. 25.1.2016 – 11 CS 15.2576, juris Rn 14). Verweigert der Fahrzeughalter seine Mitwirkung bei der Ermittlung des Fahrzeugführers, sind weitere Ermittlungen i.d.R. nicht zumutbar (BVerwG, Urt. v. 17.12.1982 a.a.O.). Vielmehr darf ein Fahrzeughalter, der unter Vernachlässigung seiner Aufsichtsmöglichkeiten nicht dartun kann oder will, wer im Zusammenhang mit einer Verkehrszuwiderhandlung zu einem bestimmten Zeitpunkt sein Fahrzeug gefahren hat, grds. durch das Führen eines Fahrtenbuchs zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugbenutzung angehalten werden (BVerwG, Beschl. v. 23.6.1989 – 7 B 90.89, NJW 1989, 2704 Rn 8; BayVGH, Beschl. v. 6.5.2010 – 11 ZB 09.2947, juris Rn 8). Allerdings muss die Verfolgungsbehörde auch in solchen Fällen naheliegenden und mit wenig Aufwand durchführbaren Ansätzen zur Fahrerermittlung nachgehen und das Ergebnis ihrer Bemühungen dokumentieren.

[18] a) Grds. gehört es zu einem angemessenen Ermittlungsaufwand der Verfolgungsbehörde, den Fahrzeughalter unverzüglich, d.h. regelmäßig innerhalb von zwei Wochen von der mit seinem Kfz begangenen Zuwiderhandlung zu benachrichtigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.10.1978 – VII C 77.74, Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 5). Die Wahrscheinlichkeit einer weiterführenden Auskunft des Halters über den Fahrzeugführer sinkt wegen des nachlassenden Erinnerungsvermögens mit zunehmendem Zeitabstand zur begangenen Ordnungswidrigkeit. Die Zweiwochenfrist jedoch gilt nicht für vom Regelfall abweichende Gestaltungen, in denen bei typisierender Betrachtung auch eine spätere Anhörung zur effektiven Rechtsverteidigung genügt. Gleiches gilt, wenn feststeht, dass die Rechtsverteidigung des Fahrzeughalters durch dessen verzögerte Anhörung nicht beeinträchtigt worden ist.

[19] Die an das Landratsamt Bayreuth übermittelten Unterlagen der Stadt Chemnitz enthalten ein an die Kl. adressiertes Anhörungsschreiben vom 4.2.2014 und ein Erinnerungsschreiben vom 7.3.2014, deren Zugang die Kl. bestreitet. Beide Schreiben wurden jedenfalls nicht mit Zustellungsnachweis und auch nicht per Einschreiben versandt. In den Akten befinden sich auch keine Auslaufvermerke oder Datenauszüge, die den Versand belegen würden (zu diesem Erfordernis vgl. HessVGH, Urt. v. 22.3.2005 – 2 UE 582/04, NJW 2005, 2411 = juris Rn 27; NdsOVG, Beschl. v. 10.3.2006 – 12 ME 48/06, juris Rn 12; OVG Berlin-Bbg, Beschl. v. 21.1.2013 – OVG 1 S 50.12, juris Rn 4; Haus in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 1. Auflage 2014, § 31a StVZO Rn 69). Soweit der Bekl. hierzu mit der Berufungsbegründung eine Bestätigung der Sachbearbeiterin der Stadt Chemnitz vom 5.5.2015 vorgelegt hat, wonach der Zeugenfragebogen am 4.2.2014 “über das Rechenzentrum gedruckt wurde und in den Postauslauf ging’ und das Schreiben vom 7.3.2014 “am Arbeitsplatz gedruckt und von mir persönlich kuvertiert und in den Postversand gegeben’ wurde, ist der Versand hierdurch nicht hinreichend nach...

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