StPO § 24 § 218; OWiG § 46 § 71

Leitsatz

1. Eine Stellungnahmefrist von 15 Minuten zur dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters ist unangemessen und verletzt den Betr. in seinem Recht auf rechtliches Gehör.

2. Kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Ablehnungsgesuch Erfolg gehabt hätte, beruhen die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch sowie die spätere Entscheidung zur Verwerfung des Einspruches auf einem Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör.

OLG Naumburg, Beschl. v. 26.8.2014 – 105 SsBs 82/14 (2 Ws 174/14)

Sachverhalt

Das AG Dessau verwarf den Einspruch des Betr. gegen den Bußgeldbescheid am 12.6.2014 und wies am selben Tag ein Befangenheitsgesuch gegen den zuständigen Richter zurück, das am 11.6.2014 erhoben wurde. Dem vorausgegangen war (stark verkürzt) folgender Sachverhalt:

Durch das AG Dessau-Roßlau ist zunächst auf den 30.1.2014, 10:40 Uhr Termin zur Hauptverhandlung angesetzt worden. Die Ladung ist dem Verteidiger am 29.10.2013 zugegangen. Der Verteidiger hat mit Schreiben v. 18.12.2014 unter Hinweis auf eine Terminskollision Verlegung beantragt und um eine Terminsabsprache für den Folgetermin gebeten. Ohne die angeregte/erbetene Abstimmung des Termins, ist durch das Gericht dann nach Nachweis der Verhinderung durch Vorlage der Ladung in anderer Sache neu terminiert worden, auf den 27.2.2014, 9:30 Uhr. Aufgrund einer neuerlichen Terminskollision hat der Verteidiger ebenfalls unter unmittelbarer Beifügung der Ladung in anderer Sache wieder um Verlegung gebeten. Ebenfalls ohne die neuerlich erbetene Abstimmung ist dann terminiert worden auf den 20.3.2014, 8:00 Uhr. Da der Verteidiger auch bei diesem Termin erneut verhindert war, musste wiederum Verlegung beantragt. Dieses Verlegungsgesuch ist durch den später abgelehnten Richter mit Beschl. v. 3.2.2014 mit der Begründung zurückgewiesen worden, dass keine Terminskollision vorliege. Den Termin am ArbG Potsdam könne der Verteidiger bei einer Stunde Fahrtzeit bei maximal 30-minütiger Hauptverhandlung ab 8:00 Uhr wahrnehmen. Im Übrigen sei der Termin bereits zweimal auf Antrag des Betr. verlegt worden.

Durch den später abgelehnten Richter ist dann am 4.3.2014 aus dienstlichen Gründen eine neuerliche Verlegung auf den 3.4.2014, 11:00 Uhr, erfolgt. Es musste auch für diesen Termin um Verlegung wegen Terminskollision nachgesucht werden. Es wurde ohne Rückfrage neuer Termin angesetzt auf den 12.6.2014, 11:20 Uhr. Auch hier war ein Verlegungsantrag unabdingbar und wurde wegen eines Termins vor dem LG Potsdam gestellt. Durch das AG Dessau wurde dann eine Glaubhaftmachung des Termins eingefordert. Diese erfolgte. Erst eine telefonische Nachfrage am 5.6.2014 bei Gericht führt zu der Mitteilung, der Termin sei verschoben auf 8:00 Uhr am gleichen Tag, den 12.6.2014. Die Ladung erreichte den Verteidiger am 10.6.2014. Bereits auf die telefonische Auskunft war unter Hinweis auf §§ 217, 218 StPO die Aussetzung der Hauptverhandlung beantragt worden. Dieser Antrag ist durch das Gericht mit Beschluss am 11.6.2014 zurückgewiesen worden: Die Vorverlegung des Hauptverhandlungstermins auf eine frühere Stunde desselben Tages setzt keine neue Wochenfrist i.S.d. § 217 Abs. 1 StPO in Lauf, denn hierdurch wird die Vorbereitungsmöglichkeit nicht beschränkt (OLG Zweibrücken NStZ 1986, S. 239).

Daraufhin lehnte der Verteidiger den erkennenden Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab, insb. weil der Verteidiger die Ladung verspätet erhalten hat, die Terminierung auf 8:00 Uhr die Abfahrt gg. 6:15 Uhr in Brandenburg erforderlich machen würde und die Wahrnehmung der länger anberaumten Termins beim LG Potsdam gefährden würde.

Das Gesuch ist dem Gericht am 11.6.2014, 17:02 Uhr übermittelt worden. Am Terminstag ist dem Verteidiger mit Fax von 08:29 Uhr die dienstliche Stellungnahme des abgelehnten Richters unter Fristsetzung zur Stellungnahme binnen 15 min übermittelt worden. Mit Fax von 8:55 Uhr ist durch den Vertreter des Verteidigers Stellung genommen worden, v.a. durch den Hinweis darauf, dass sich eine Besorgnis der Befangenheit auch aus dem Verhalten des Gerichts bei der Terminierung ergeben kann, wenn das Gericht nicht auf andere Termine des gewählten Verteidigers Rücksicht nimmt (OLG Bamberg NJW 2006, 2341 und OLG Schleswig SchlHA 2010, 224 [DÖ/DR]).

Der Beschluss zur Ablehnung des Befangenheitsantrages ist durch das AG bereits um 8:53 Uhr versandt worden, u.a. mit der Begründung, es gebe keinen Anspruch auf "Terminskoordination".

Der Verteidiger rügt die Verletzung rechtlichen Gehörs durch diesen Beschluss und das nachfolgende Verwerfungsurteil.

2 Aus den Gründen:

"I. Mit dem angefochtenen Urt. v. 12.6.2014 hat das AG Dessau-Roßlau den Einspruch des Betr. gegen den Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle v. 6.8.2013 verworfen. Im Bußgeldbescheid waren eine Geldbuße von 100 EUR sowie ein Fahrverbot von einem Monat unter Verschonungsklausel festgesetzt worden."

Der Betr. rügt die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Die GenStA hat die Verwerfung der Rechtsbeschwerde beantragt.

II. Die Rechtsbeschwerde d...

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