Die von dem Kl. geführten Angriffe gegen die Reputation des Sachverständigen, wonach dieser "Lobbyist" der Tabakindustrie sei, enthielt konkludent den Vorwurf, dass der Sachverständige bewusst ein der Tabakindustrie günstiges, sachlich unrichtiges Gutachten abgegeben habe. Dass dieses Verhalten des Kl. ihm einen "Hebel" zur Ausschaltung des Sachverständigen gegeben hat, kann nicht angenommen werden. Ansonsten hätte es der Ablehnende in der Hand, durch eine von ihm ausgehende Provokation den Sachverständigen aus dem Verfahren auszuschließen (vgl. Meyer, DRiZ 1992, 125, 128). Dagegen spricht es auch, dass offenkundig eine für die Rechtsverfolgung des Kl. nachteilige Stellungnahme des Sachverständigen zum Anlass genommen wird, provokant gegen den Gutachter vorzugehen (Meyer, a.a.O.). Dazu passt es, dass der Kl. sich auf das Vortragen eines Schlagwortes ("Lobbyist") beschränkt und irgendwelche Tatsachen zu der angeblichen von ihm allzu global behaupteten Tätigkeit des Sachverständen nicht anführt.

Ein Ablehnungsgrund kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass der Sachverständige, nachdem er in ruhigem Ton zu dem Vorwurf der Lobbyistenstellung sich erklärt hatte, geäußert hatte, er halte sich bei Aufrechterhaltung des Vorwurfs des Kl. rechtliche Schritte gegen den Kl. vor. Das alleine führt nicht zur Annahme der Befangenheit, da die Ankündigung einer rechtlichen Prüfung durch den Sachverständigen angesichts der Schwere des Vorwurfs eine verständliche Reaktion gewesen ist (vgl. LG Traunstein NZV 2003, 241). Die darin liegende negative Bewertung des Verhaltens des Kl. durch den Sachverständigen ließ aus der Sicht einer vernünftigen Partei nicht den Schluss auf eine Voreingenommenheit des Sachverständigen zu. Eine vernünftige Partei hätte in der sich ihr aufdrängenden Erkenntnis, den Sachverständigen nicht nur wegen des Ergebnisses seines Gutachtens massiv kritisiert zu haben, sondern diesen Vorwurf mit nicht belegten "Einschlägen ins Persönliche" garniert zu haben (OLG Stuttgart VersR 2014, 521, 522 Rn 3.3.2), eingesehen, dass eine angemessene Reaktion des Sachverständigen vorlag. Dass der Sachverständige auf den sowohl sich gegen die fachliche Befähigung wie dessen Reputation richtenden Angriff des Kl. im persönlichen Bereich reagierte, erschien angemessen. Der Sachverständige war nicht zu einer sozusagen gleichmütigen Reaktion verpflichtet, da sein Gutachterhonorar kein vorweggenommenes Schmerzensgeld für erwartete Verunglimpfungen ist und von ihm nicht die "Bedachtsamkeit eines unterkühlten Ziviljuristen" erwartet werden kann (OLG München DS 2007, 151).

RiOLG a.D. Heinz Diehl

zfs 5/2015, S. 269 - 271

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